Mein Bild von Josef verdanke ich meinem Großvater. Der war Schreiner. Das konnte man an seiner rechten Hand gut erkennen. Ihr fehlte der Daumen. Den hatte Opa Peter als junger Mann in die Kreissäge gebracht. Dass ein oder mehrere Finger Axt oder Säge zum Opfer fallen, ist unter "Holzwürmern" nichts Ungewöhnliches. "Holzwürmer" - so fasste Opa alle Handwerksberufe "mit Brett vor dem Kopf" zusammen: Zimmerer, Schreiner, Sargtischler. Wenn Großvater "Wir Holzwürmer" sagte, klang das nur wenig selbstironisch. Es war ein Ehrentitel.
Wenn die Eltern meiner Mutter anreisten, um die Weihnachtstage mit uns zu verbringen, kamen sie meistens zwei, drei Tage vor dem Fest. Und Opa hatte die "Schaff-Klamotten" im Gepäck - Hose und Kittel mit Beiz- und Leimflecken - sowie einen kleinen Koffer mit dem wichtigsten Handwerkszeug: Hobel, Hammer, Zange, Schraubenzieher, Handbohrer und Wasserwaage. Während die anderen Erwachsenen die letzten Einkäufe besorgten, zog Opa durch die Wohnung. Er rüttelte an Schranktüren, klopfte auf Regalbretter, zog Schubladen, bewegte Fensterflügel hin und her. Dann baute er aus, leimte, fettete, bohrte, schraubte, hämmerte und baute wieder ein.
"Ihr könnt schreiben und reden, ich kann halt, was ich gelernt habe."
Mein technisch minderbegabter Vater lächelte erleichtert. Froh registrierte er, dass Opa darauf verzichtete, alles, was er im abgelaufenen Jahr "provisorisch" repariert hatte, als das zu bezeichnen, was es wirklich war: Pfusch. Große Dankesarien wollte der alte Mann nicht hören. "Ihr könnt schreiben und reden", beschied er meine Journalisten-Eltern, "ich kann halt, was ich gelernt habe."
Mein Großvater war ein frommer Katholik. Keinen Sonntag verpasste er die Frühmesse. Er ging allein, während alle anderen schliefen. Nie habe ich ihn sich deswegen rühmen hören oder sein Tun zum Maßstab für andere machen. Aufsehen jeder Art war ihm ein Graus. Wir Enkel liebten ihn. Wenn wir mit ihm in der Werkstatt waren, durften wir in Holzreste Nägel hämmern und Schrauben drehen. Nur sägen ließ er uns ungern, schon gar nicht durften wir an die Maschinen.
Am Heiligen Abend passte Opa Peter auf uns auf, während Mutter und Oma die Bescherung vorbereiteten und Papa den Baum schmückte. Wir versammelten uns in einem Kinderzimmer, und Opa erzählte biblische Geschichten. Natürlich kam auch in seiner Version der Ereignisse um die Geburt Jesu das gesamte Personal vor: neben Maria und dem Jesuskind all die Hirten, Weisen aus dem Morgenland und Engel. Im Zentrum aber stand der "Holzwurm", stand Josef, der Zimmermann.
Der "Holzwurm": Josef, der Zimmermann
Dem hatte es gar nicht gepasst, als das Gebot vom Kaiser Augustus ausging, wegen der Volkszählung nach Bethlehem zu reisen. "Josef hatte ein Geschäft, Gesellen, Lehrlinge. Und gerade hatte er den Auftrag bekommen, für das neue Haus des römischen Hauptmanns in Kapernaum den Dachstuhl zu bauen." Ärgerlich. Aber er hängte ein Schild an seine Tür: "Betriebsferien. Bis zum nächsten Sabbat geschlossen." Dass daraus mehrere Monate werden würden, wegen des Kindermords in Bethlehem und der Flucht nach Ägypten, "hat er Gott sei Dank nicht gewusst".
Großvater erzählte, wie Josef mit den blöden Herbergsleuten in Bethlehem stritt, wie er den Stall fand und ihn in ein paar Stunden einigermaßen wohntauglich machte. Natürlich hatte er- wie mein Großvater - das nötigste Handwerkszeug immer dabei. Dann half er seiner Frau, das Kind zur Welt zu bringen, schaffte Brot, Käse, Wasser und Wein herbei und bewirtete die Besucher. Josef sprach wenig und machte sich nützlich. Er wärmte dem Säugling mit seinen großen Händen die Füße. Er raunzte allzu neugierige Hirtenjungen an und achtete darauf, dass Maria genügend aß und schlief. Ein Mann für alle Fälle, ein Handwerker eben.
Der Josef meines Großvaters drang tief in mein Gemüt. Ja, er wurde mein eigener. Ein kräftiger, eigenwilliger Kerl in den besten Jahren. Mutig, liebevoll und manchmal auch zornig. Kein Intellektueller, aber lebensklug.
Mein Faible für Josef hat mich fast den Glauben gekostet
Mein Faible für Josef, muss ich gestehen, hat mich fast den Glauben gekostet. Die meisten Krippen, die Gemälde der Heiligen Familie, in denen er als milde vor sich hinschauender Greis die Laterne hielt, kaum wichtiger als Ochs und Esel von Bethlehem, fand ich schon als Heranwachsender unecht bis peinlich. Und dass er wegen des Konzepts der Gottessohnschaft Jesu als asexueller Bodyguard der Jungfrau Maria in den Evangelien als Randexistenz west, konnte ich auch dann nicht akzeptieren, wenn ihn die in unserer süddeutschen Provinz übliche Trivialexegese der meisten katholischen Religionslehrer zum selbstlosen und deshalb heiligmäßigen Selbstverleugner stilisierte. Kann Jesus, der sich selbst den "Menschensohn" nannte, nicht zugleich leiblicher Sohn des Josef und Sohn Gottes sein, fragte ich mich früh.
Josef ist der Schattenmann, der Undercoveragent des Neuen Testaments, der Unsichtbare. Er taucht nur dort auf, wo er gebraucht wird, am Anfang der Geschichte. Das heilige Kind braucht väterlichen Schutz und Maria einen Mann. Jemand muss die Welt vertreten im göttlichen Plan. Wer gebraucht wird, muss nicht reden, kann schweigen. Er ist da, solange man ihn braucht. Und braucht man ihn nicht mehr, verschwindet er aus der Story. Das ist ganz bequem - muss er doch nicht erklären, warum er jetzt überflüssig ist.
Krippenbild mit Mann. Nur der krippale Effekt. Nach der Ägyptenflucht taucht Josef nur noch einmal auf, schon namenlos geworden. Als der zwölfjährige Jesus beim Tempelfest in Jerusalem für drei Tage verschwindet, suchen ihn "seine Eltern", wird berichtet. Dann ist er weg. Immerhin erfahren wir noch, dass Jesus Brüder und Schwestern gehabt habe. Die anderen Kinder von Maria und Josef. Und man teilt uns mit, dass die Leute von Nazareth Jesus "Sohn des Zimmermanns" nennen.
Die Menschen haben sich mit der Leerstelle Josef nicht abgefunden. Man hat ihn über die Jahrhunderte hinweg immer wieder neu erfunden und sein jeweiliges Bild in das Heilsgeschehen montiert. Dabei galt es vor allem, einen zentralen Widerspruch zu überbrücken: Der Evangelist Matthäus, ein frommer Jude, legte Wert auf die Erfüllung der Schrift, nach der der Messias aus dem Hause David komme. Also ließ er Jesus über Josef in direkter Linie von dem legendären König abstammen. Wie das gehen solle, ohne tatsächliche Vaterschaft, provozierte neben originellsten Konstruktionen auch schlichte Annahmen wie diese: Josef habe Jesus einfach adoptiert. So sei er rechtlich sein Vater.
Manche Theologen erlauben Josef den Sex mit Maria
Einige Theologen lassen Josef immerhin als Vater der Geschwister Jesu gelten. Manche von ihnen erlauben ihm den Sex mit Maria, dann ist Jesus der Erstgeborene und hat jüngere Geschwister. Andere reimen sich aus apokryphen, nicht zum Neuen Testament zählenden Schriften eine Version zusammen, die sich mit dem Mythos von der Jungfräulichkeit Mariens vereinbaren lässt: die Geschwister entstammten Josefs erster Ehe. Er habe sie als Witwer mit in die Familie gebracht. Im Zeitalter der Patchworkfamilie erscheint der ganze Erklärungsaufwand müßig.
Heute dürfen wir historisch-kritisch fragen: Hat es ihn überhaupt gegeben, den Zimmermann aus Galiläa, der aus einem der Topgeschlechter Judäas stammte, dem David-Clan aus Bethlehem? Die Antworten tendieren zum Nein. Auch die Bethlehemreise und die Geburt Jesu dort habe nie stattgefunden. Schließlich sei die Volkszählung des Lukas-Evangeliums historisch nicht belegt. Der Sohn Gottes sei in Nazareth oder Kapernaum zur Welt gekommen. Ist das so wichtig?
Alles Legenden! Legenden sind keine Lügengeschichten, sondern im lateinischen Wortsinn (von "legere" - lesen) lesenswerte Geschichten, denen erst in der Neuzeit die Nebenbedeutung zuwuchs, nicht den Tatsachen zu entsprechen. Wenn man sich die widersprüchliche und zwiespältige Verortung eines irdischen Vaters in der Geschichte des Jesus von Nazareth anschaut, fängt es genau dort an, interessant zu werden, wo die menschliche Vernunft der historischen Sozialdetektive und die kirchenpolitisch motivierte Zwecktheologie nicht hinreichen.
Legenden sind dann wahr, wenn sie glaubwürdig, d.h. des Glaubens würdig sind. Das sind die Darstellungen der Evangelisten, wenn sie den Kern der Botschaft des Jesus von Nazareth von der befreienden Liebe Gottes mit unseren eigenen Erfahrungen verbinden. Die Geschichte muss in Bildern erzählt werden, mit denen wir etwas anfangen können. Und das gelingt am besten, wenn sie von Menschen handeln, die mit dem umstürzenden Ereignis der Menschwerdung Gottes unmittelbar konfrontiert worden sind.
Um begreifen zu können, wie die Geschichte Jesu ausgeht, wie der Mensch am Kreuz stirbt, den Tod überwindet und als Christus aufersteht, müssen wir wissen, wie alles angefangen hat. Sonst hinge das Finale in der Luft.
Zum Menschsein gehört es, geboren zu werden und Eltern zu haben. Kinder müssen geliebt, ernährt, beschützt und großgezogen werden. Die das tun, müssen Menschen, können nicht Außerweltliche sein. Würde der spätere Erlöser nicht klein anfangen, sondern plötzlich mit einem kosmischen Rums in der realen Welt landen, bliebe die göttliche Idee der Person Jesu ebenfalls außerweltlich. Deshalb ist es unverzichtbar, dass es neben Mutter Maria auch Vater Josef gibt; einen ganz normalen Burschen, wahrscheinlich ein gesetzestreuer Jude, mit allen üblichen Vaterqualitäten und -mängeln.
Der Zimmermann wird seine Kinder in der Tradition unterwiesen und gehofft haben, dass sie in seine Fußstapfen treten und das Geschäft übernehmen. Er wird ihnen vermittelt haben, dass die Familie und die Sippe wichtig sind. "Blut ist dicker als Wasser", würde mein Opa gesagt haben. Sorge für die Deinen, denn sie werden für dich da sein, wenn es hart auf hart kommt. Das gilt auch unter Christen als natürlich und deshalb richtig.
Bei Jesus gibt es kein Liebesprivileg für die Familie
Ob Josef erlebt hat, wie der dreißigjährige Sohn mit dieser Maxime bricht, ist offen. Jesu Botschaft lautet: Wer die Liebe Gottes gegenüber den Mitmenschen praktiziert, macht keinen Unterschied zwischen Verwandten und anderen. Alle Menschen sind Brüder und Schwestern und mit dem Wort "Liebe deinen Nächsten" gemeint. Es gibt kein Liebesprivileg, keine Abgrenzung zwischen Nächsten, Übernächsten und nur noch in dritter Kategorie zu Liebenden. Das Gebot der Nächstenliebe ist universal, weil es Ausdruck der göttlichen Liebe ist, die keinen Unterschied macht.
Jesus hat das nicht nebenbei gesagt, hat es nicht hinter wohlklingenden Floskeln versteckt oder in harmlose Allgemeinplätze gehüllt. Geradeheraus, beinhart hat er die zentrale Forderung an seine Anhänger gerichtet. Beim Evangelisten Lukas heißt es: "So jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern, auch dazu sein eigen Leben, der kann nicht mein Jünger sein." Matthäus übermittelt: "Ihr sollt nicht wähnen, dass ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, den Menschen zu erregen gegen seinen Vater und die Tochter gegen ihre Mutter und die Schwiegertochter gegen ihre Schwiegermutter. Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein. Wer Vater oder Mutter mehr liebt denn mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt denn mich, der ist meiner nicht wert." Das erzählt derselbe Matthäus, dem es wichtig ist, am Anfang seines Berichts den gesamten Stammbaum Jesu aus dem Hause Davids herunterzuleiern. Das ist zu radikal, um erfunden zu sein. Es ist existenziell für das Christentum und bis heute eine Nummer zu groß für die Gläubigen, weil es die Aufforderung bedeutet, gegen den natürlichsten Reflex zu handeln: Sicherheit und Heimat im Kreise der Lieben, in einer Gruppe Gleichgesinnter zu finden und sich gegen alles Fremde und deshalb von vorneherein Gefährliche abzugrenzen.
Mit dem Schwert zerschlug Jesus alle Konventionen, alles, woran sich ein Mensch halten kann. Dass man sein Herz nicht an irdischen Besitz hängen soll, leuchtet ja noch irgendwie ein. Dass man Gott mehr lieben soll als jeden Menschen, lässt sich so ganz allgemein auch noch vertreten. Dass man aber seine Feinde als Kinder desselben Gottes genauso gern haben soll wie die eigene Sippschaft, das trifft ins Mark menschlichen Selbstverständnisses.
Dem frommen Josef, zu Hause in der Tradition, kann das nicht gefallen haben. Was Jesu Geschwister und seine Mutter davon hielten - darüber schweigt des Evangelisten Höflichkeit ebenfalls. Immerhin soll einer seiner Brüder, Jakobus, zu den Aposteln gezählt und nach Christi Himmelfahrt zusammen mit Petrus die Gemeinde in Jerusalem geleitet haben.
Wir wissen nicht, was Josef davon hielt. Wohl eher wenig.
Es ist gut, dass wir nicht erfahren, was Josef von Jesu Kampfansage hielt. Möglicherweise müsste von einem Vater-Sohn-Konflikt erzählt werden, der die ganze Heilsgeschichte aufhält. Jesu Botschaft muss den irdischen Vater Josef genauso überfordert haben, wie sie uns überfordert. Bestenfalls hätte der reale Josef gestammelt: "Und das ist der Dank, mein Junge, für alles, was wir für dich getan haben? Wir haben es doch immer gut mit dir gemeint! "
Wie quer das universale Liebesgebot zu all unseren Instinkten liegt, zeigt sich ironischerweise gerade in unserer Art, Weihnachten zu feiern. Alles bleibt in der Familie; wir singen mit den Liebsten und Allernächsten zusammen "Lasst uns froh und munter sein". Und doch wissen alle Beteiligten, dass es dabei nicht bleiben kann. Familie ist etwas Vorläufiges, wie alle menschlichen Gebilde, die Kirche eingeschlossen. Diese Erkenntnis ist kein Verlust, sondern ein Freiheitsgewinn.
Wir sind wie Maria und Josef. Wir sind Väter und Mütter, die irgendwann ihre Kinder nicht mehr festhalten können, die deren Entscheidungen akzeptieren müssen, auch wenn sie von dem weit abweichen, was wir für das Beste halten. Die Tochter studiert Philosophie oder will Popstar werden - "brotlose Kunst". Der Sohn heiratet eine Frau, die mit den Schwiegereltern nicht klarkommt - "Fragen Sie mich bitte nicht nach meiner Meinung! ".
Mein Großvater, der Holzwurm, hatte drei Kinder, die gemeinsam den Handwerksbetrieb übernehmen sollten. Es ging schief - aus seiner Sicht. Die Familie als Idylle, in der alle dort freudig weitermachen, wo die Alten aufhören, war und ist eine illusionäre Vorstellung, eine ideologische Verengung. Doch das ist nur die erste Konsequenz im Sinne Jesu.
Niemand kann als Christ angesichts unserer heutigen Kenntnis von globalen Zusammenhängen mehr ernsthaft sagen: Hauptsache, uns geht es gut und wir haben uns lieb. "O Heiland, reiß die Himmel auf ... Reiß ab vom Himmel Tor und Tür, reiß ab, wo Schloß und Riegel für", heißt es im Adventslied von Friedrich von Spee. Josef und Maria haben dafür gesorgt, dass es dazu kam. Sie haben ihren Erstgeborenen großgezogen. Dann erfüllte er seinen göttlichen Auftrag, der ihre Liebe zu ihm und seine zu ihnen sprengte. Und genau deshalb gilt meine Sympathie diesem Zimmermann aus Nazareth und natürlich auch seiner Frau, die aber in der Heilsgeschichte einfach besser wegkommt als er.
Josef hat seinen Sohn an Gott abgeben müssen
Josef hat seinen Sohn an Gott abgeben müssen und blieb dennoch sein irdischer Vater. Er hat nicht alles verstanden, was mit ihm, Maria und dem Kind geschah, aber er hat es akzeptiert. Er hat getan, was er konnte, war Marias Mann, ihr Partner, Freund und Geliebter. Und er wird mit ihr gestritten haben, genau wie mit seinen acht oder neun Kindern. Ein starker Typ mit einer eigenen Meinung und manchmal voller Sorge, was denn die Leute über die Eskapaden seines Ältesten denken. "Wenn du so weitermachst, können wir uns in Nazareth bald nicht mehr sehen lassen! " Mein Josef ist kein seniler Trottel, der alles geschehen lässt, und auch kein abgeklärter Übermensch. Ein Mensch halt -und genau diesen hat Gott sich für die Erziehung des Jesus ausgesucht.
Wir sind nahe dran an diesem Josef und feiern ihn an Weihnachten als vollwertiges Mitglied der Heiligen Familie. Und wenn wir das im Sinne seines Sohnes, des Gottessohnes und Erlösers tun, dann feiern wir einen Anfang im Kleinen. Kinder müssen Bindungen und Beziehungen üben. Sie sollen lernen dürfen, wie sie auf andere wirken und andere auf sie. Die Familie ist ein Sandkasten, ein Übungsgelände für die universale Liebe. Und dazu passt kein unantastbarer Held, kein allwissender Tyrann, kein selbstgerechter Patriarch. Wir brauchen Josef, der weiß, was er kann, und der seine Grenzen kennt.
Soweit wir Väter sind, haben wir guten Grund, uns an Josef, dem Irdischen, zu orientieren, anstatt uns für Gottvater zu halten, was nicht zufällig ein gern benutztes Attribut der Mafiafürsten ist. Wir lernen an seinem Beispiel, gerade dadurch Einfluss zu nehmen, dass wir uns keine Allmacht anmaßen. Wenn Menschen das tun, werden sie zu Unmenschen. Josef - im Sinne Jesu ein Kind Gottes, des himmlischen Vaters, wie alle - fügte sich in die drei Worte aus dem Vaterunser: Dein Wille geschehe!
Das menschliche Maß des Josef braucht demzufolge nichts weniger als die Debatte darüber, ob er der leibliche Vater Jesu ist, ob er mit Maria weitere Kinder zeugte oder nicht, ob er Jesu Weg zum Christus miterlebt hat oder nicht. Mir reicht es zu wissen, dass der "Holzwurm" kein Göttervater ist, weder Pharao noch Kim Il Sung - allesamt weniger Gott als überblähte Götzen.
Josef, dieser Josef, ist zur Stelle, wenn man ihn braucht, und hält die Laterne.