Würzburg (epd). Der unter anderem wegen 66-fachen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern angeklagte Logopäde Oliver H. hat zum Prozessauftakt am Würzburger Landgericht alle ihm vorgeworfenen Taten in vollem Umfang eingeräumt. Ein Gerichtssprecher sagte am Donnerstag, der 38-Jährige habe "unter Tränen erklärt, dass er inzwischen versteht, wie viel Vertrauen er durch seine Taten missbraucht hat". Das Geständnis und die anschließende Befragung durch die Staatsanwaltschaft und das Gericht fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Grund dafür ist der Schutz der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen.
Fotos und Videos im Darknet
Der Gerichtssprecher sagte, der Angeklagte habe auch Fragen zu seinem "Konsumverhalten" im Bereich Kinderpornografie beantwortet. Dem Logopäden wird neben den Missbrauchstaten auch die Herstellung und Verbreitung kinderpornografischen Materials zur Last gelegt. Er soll seit 2008 sieben teils schwerbehinderte Jungen im Alter von zwei bis sechs Jahren in seinen Praxisräumen sowie in zwei evangelischen Kitas in Würzburg missbraucht und dabei fotografiert und gefilmt haben. Diese Fotos und Videos hat er auch im Darknet verbreitet. Vor gut einem Jahr wurde er festgenommen und sitzt seither in Untersuchungshaft.
Weiter erläuterte der Gerichtssprecher, der Angeklagte habe ausgesagt, er bewerte die "Tatfolgen für die Betroffenen im Rückblick anders, realistischer". Zu Details aus der nichtöffentlichen Befragung wollte sich der Sprecher nicht äußern.
Der Prozess fand am ersten Tag weitgehend ohne Öffentlichkeit statt - nach Einschätzung von Prozessbeobachtern wird dies auch an den zehn bereits terminierten Verhandlungstagen bis Ende April so sein. Hintergrund dafür ist, dass das Gericht die Identität der betroffenen Kinder und Familien schützen will, um eine weitere Stigmatisierung zu verhindern. Bei den von Oliver H. missbrauchten Kindern handelt es sich um Jungen mit Entwicklungsverzögerungen oder teils schweren Behinderungen. Nach Überzeugung der Anklage hat er seine Opfer gezielt ausgesucht, weil sie größtenteils nicht sprechen können.
Gefragter Therapeut
Die Verlesung der detaillierten Anklageschrift am Donnerstag durch Staatsanwältin Manuela Teubel dauerte etwa eindreiviertel Stunden, sie fand ebenfalls nichtöffentlich statt. Gezerre zwischen Nebenklage und Verteidigung gab es am ersten Prozesstag um ein psychiatrisches Gutachten. Die Verteidigung hatte die Herausgabe des schriftlichen Gutachtens über Oliver H. an die Nebenklage mit dem Hinweis auf die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten sowie dessen inzwischen von ihm getrennt lebenden Mannes begründet. Das Gericht erlaubte letztlich aber eine Akteneinsicht in der Geschäftsstelle des Landgerichts.
Der 1982 geborene Angeklagte war bis zum Bekanntwerden der Vorwürfe ein gefragter Therapeut. Bei Kindern mit einer Behinderung soll er oftmals besonders gute Erfolge erzielt haben. Er war darüber hinaus auch als Trainer bei einem Sportverein aktiv und bot dort integratives Kinderturnen an. Sein Mann wusste von den Taten des Angeklagten laut den Ermittlungen nichts. Die zunächst auch gegen den Partner geführten Ermittlungen wurden eingestellt. Dieser war stellvertretender Leiter der integrativen Würzburger Kita, die einer der Tatorte war.