Berlin (epd). Die Berliner Rechtsanwältin und liberale Imamin Seyran Ates hat sich für eine Meldepflicht religiös motivierter Vorfälle in Schulen ausgesprochen. Nur so könne die Senatsbildungsverwaltung endlich einen Überblick über das tatsächliche Ausmaß entsprechender Konflikte erhalten, sagte Ates dem Evangelischen Pressedienst (epd). Aufgrund von Schilderungen Betroffener stelle sie eine zunehmende Frömmigkeit und Religiösität auf Seiten der muslimischen Schülerschaft fest. Dies würde aber bislang in der Öffentlichkeit verharmlost. Hintergrund sind fehlende Statistiken über Vorfälle an Berliner Schulen.
Bislang würden viele Pädagogen und Schulleitungen sich zurückhalten, über religiös motivierte Auseinandersetzungen an die Schulverwaltung oder die Presse zu berichten, sagte die Mitgründerin einer liberalen Moscheegemeinde weiter. Es bestehe die verbreitete Sorge, dann selbst als islamfeindlich oder Rassist dargestellt zu werden. Jede kleine Nachfrage eines Lehrers oder einer Lehrerin an orthodoxe Eltern reiche aus, dass die Lehrkraft "ganz schnell als islamfeindlich oder rassistisch stigmatisiert wird", sagte Ates: "Deshalb brauchen wir eine ehrliche Debatte darüber, damit nicht alles mit der Islamfeindlichkeitskeule und der Rassismuskeule unterbunden wird."
Lehrkräfte auf Gespräche vorbereiten
Lehrer und Lehrerinnen müssten im Rahmen ihrer Ausbildung auf Gespräche mit Strenggläubigen vorbereitet werden, forderte Ates: "Die Idee einer multikulturellen Gesellschaft, wo viele Religionen miteinander auskommen müssen, auch in der Schule, diese Idee existiert noch nicht so lange." Für Lehrerinnen und Lehrer im Alter jenseits der 40 sei Deutschland lange kein Einwanderungsland gewesen, sagte die Buchautorin, die als Sechsjährige aus der Türkei nach Deutschland gezogen ist.
Dabei wendet sich Ates gar nicht grundsätzlich gegen religiöse Symbole im Schulalltag: "Der Idealfall wäre für mich als gläubiger Mensch, wenn Angehörige verschiedener Religionen und Weltanschauungen alle miteinander friedlich ihre Symbole tragen, ohne dass es Probleme gibt." Dies entspreche aber nicht der aktuellen Lage: "Als Opferanwältin kenne ich viele, die unter Mobbing und Diskriminierung von Orthodoxen leiden", sagte die Juristin.
Ates stand zuletzt massiv in der Kritik. Im Dezember war bekanntgeworden, dass sie vom Betreiber des Berliner Bordells "Artemis" einen Privatkredit über 45.000 Euro angenommen hatte. Ates hatte dort für ein Buch über Prostitution recherchiert. In einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit" erklärte sie Ende Dezember, dieser Kredit sei "falsch und unpassend" gewesen, wie sie inzwischen einsehe.
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