Essen (epd). Ein neues Jahr verbinden viele Menschen mit neuen Chancen. Deshalb fassen sie Neujahrsvorsätze, von deren Einhaltung sie sich ein besseres Leben versprechen. Die evangelische Theologin Hanna Jacobs erinnert im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) daran, dass eigentlich jeder Tag im Jahr eine Chance für Veränderungen bietet. Auch ruft die Pfarrerin des alternativen Gemeindeprojekts "Raumschiff Ruhr" in Essen dazu auf, die eigenen Unzulänglichkeiten lieben zu lernen.
epd: Frau Jacobs, warum nehmen sich viele Menschen überhaupt vor, etwas an ihrem Leben zu verbessern?
Jacobs: Ich glaube, weil wir merken, dass wir von Zeit zu Zeit scheitern und Sachen nicht so hinbekommen, wie wir es uns wünschen. Statt sich die eigene Unzulänglichkeit einzugestehen und zu akzeptieren, dass man vermutlich kein Hochleistungssportler wird, oder es nie schafft, ganz auf Schokolade zu verzichten, nehmen sich viele vor, an sich zu arbeiten. Gesetzte Termine wie Neujahr können dabei helfen, einen Startpunkt für einen Neuanfang festzulegen. Studien belegen aber, dass es eher unwahrscheinlich ist, gerade nach Stichtagen langfristig etwas zu verändern, weil die Motivation nicht in dem Willen begründet ist, sondern im Anlass.
Eigentlich bietet jeder Tag Gelegenheit, etwas in seinem Leben zu verändern. Genauso gut wie der 1. Januar kann das auch der 24. April sein. Wir sollten uns da nicht an einem Datum aufhängen - und auch beachten, dass wir ins Leben geworfen worden sind. Wir können nicht alles selbst in der Hand haben. Es hilft, sich bewusstzumachen, dass es Gott ist, der die Welt in seinen Händen hält, - und dass jeder Einzelne von uns nur ein kleiner Teil davon ist.
"Nicht in Rechtfertigungsmodus verfallen"
epd: Was sind aus Ihrer Sicht geeignete Neujahrsvorsätze?
Jacobs: Gute Vorsätze machen aus, dass sie tatsächlich eine Chance in der Umsetzung haben. Man sollte sich nicht mit unrealistischen Zielen unter Druck setzen. Mein guter Vorsatz für das neue Jahr ist zum Beispiel, einmal pro Woche ins Fitnessstudio zu gehen. Ich fange nicht damit an mir vorzunehmen, gleich drei Mal wöchentlich zu trainieren. Gute Vorsätze sehen aber bei jedem anders aus. Was einem guttut, unterscheidet sich von Person zu Person stark.
epd: In 2020 wollen sich die meisten Deutschen laut einer Umfrage der Krankenkasse DAK mehr für die Umwelt und den Klimaschutz engagieren, Stress abbauen und mehr Zeit mit der Familie verbringen. Die Ergebnisse widersprechen dem gängigen Eindruck, dass sich die Mehrheit vornimmt, ein paar Kilos abzunehmen und weniger zu rauchen.
Jacobs: Gute Vorsätze betreffen anscheinend nicht mehr nur das private Leben, sondern auch den gesellschaftlichen Bereich. Das Thema Klimaschutz taucht wahrscheinlich auf, weil wir 2019 so viel darüber diskutiert haben und klargeworden ist, dass wir unser Leben nachhaltiger gestalten müssen. Ich finde, das ist eine positive Entwicklung. Gleichzeitig müssen wir aber auch aufpassen, dass wir nicht in einen Rechtfertigungsmodus verfallen: Auch wenn man sich anstrengt, weniger Plastikmüll zu produzieren und häufiger mit dem Fahrrad statt mit dem Auto fährt, darf man sich nicht schlecht fühlen, wenn man doch einmal etwas in Plastik Eingepacktes im Supermarkt kauft.