KEK-Vollversammlung in Novi Sad
epd-bild/Albin Hillert/CEC
Die Kriege und Konflikte im Nahen Osten haben viele schlimme Seiten. Ein orthodoxer Patriarch aus Syrien weist nun darauf hin, dass auch christliche Helfer diese Not zu ihren Gunsten auszunutzen versuchten.
01.06.2018

Der Patriarch der syrisch-orthodoxen Kirche, Mor Ignatius Aphrem II., hat Bekehrungsversuche westlicher Gruppen gegenüber Angehörigen seiner Kirche und anderen Gläubigen im Nahen Osten kritisiert. Besonders im Irak und Syrien gebe es gewisse Kirchen und Gruppen, die die Not von Menschen ausnutzten, sagte der Geistliche am Freitag bei der Vollversammlung der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) im serbischen Novi Sad.

"Diese Gruppen helfen bedürftigen Leuten, aber sie bringen sie dazu, sich ihren Kirchen und Organisationen anzuschließen: Proselytismus", sagte Aphrem. Dieses geschehe auch gegenüber "unseren Leuten in Europa", sagte das Oberhaupt der syrisch-orthodoxen Kirche, die zu den altorientalischen Kirchen gehört, mit Blick auf aus dem Nahen Osten Geflüchtete. "Das ist nicht das, was Jesus von uns will."

Hilfe mit Hintergedanken

Gegen welche Kirchen sich die Anschuldigung konkret richtet, sagte der Patriarch nicht. Aphrem sprach die in Novi Sad versammelten Mitgliedskirchen der KEK von dem Vorwurf jedoch weitgehend frei. "Es ist nicht die politische Linie und Praxis der übergroßen Mehrzahl der Kirchen hier."

Aphrem äußerte sich als Gast auf der KEK-Vollversammlung, bei der rund 500 Teilnehmer und Gäste aus ganz Europa zusammenkommen. Die KEK vereint mit Ausnahme der Katholiken alle großen christlichen Gemeinschaften in Europa: Protestanten, Anglikaner, Orthodoxe und Altkatholiken. Die alle fünf Jahre stattfindende Vollversammlung dient der ökumenischen Annäherung und der Diskussion politischer und gesellschaftlicher Fragen.

Heute besteht nach Aphrem die Gefahr, dass das Christentum aus seiner geschichtlichen Wiege im Nahen Osten verschwindet. Damit die Christen bleiben könnten, seien Sicherheit und finanzielle Unterstützung nötig. Der Patriarch kritisierte auch, dass Flüchtlinge daran gehindert würden, nach Syrien zurückzukehren. Bestimmte Regierungen und internationale Organisationen hätten ein politisches Interesse daran, dies zu verhindern. Ein Grund sei, dass die Rückkehrer bei Wahlen für Präsident Baschar al-Assad stimmen könnten, sagte Aphrem, der in der syrischen Hauptstadt Damaskus residiert.

Lob für Europas Gastfreundschaft

Europa und insbesondere seine Kirchen würdigte Aphrem dafür, dass sie in den vergangenen Jahrzehnten großartige Gastfreundschaft gegenüber Millionen von Arbeitern und Flüchtlingen gezeigt hätten, unabhängig von deren ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit. Dieses entspreche dem christlichen Glauben. "Weil Gott Liebe ist, ist er auch freundlich und gastfreundlich zu allen." Jesus selbst sei schon bei seiner Geburt ohne Heim gewesen und später bei der Flucht nach Ägypten. Er sei schließlich auch im Grab eines anderen begraben worden, erinnerte Aphrem an die Bibel.

Zugleich rief Aphrem die europäischen Kirchen auf, sich im Zuge der Aufnahme von Migranten um Europas Identität und seine Werte zu kümmern, "die im Grunde christliche Werte sind". Dies sei besonders angesichts der Verbreitung von Säkularismus und Atheismus wichtig.

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