Kirchgang
Behaltet das Gute
Silvester in der Kirche Fraumünster in der Züricher Altstadt, 19 Uhr
Die weltberühmten Fenster von Marc Chagall im Fraumünster
Die weltberühmten Fenster von Marc Chagall im Fraumünster
Privat/Londonexpat/Flickr
Tim Wegner
09.02.2025
2Min

Fraumünster Zürich, 31. 12. 2024, 19 Uhr. Silvesterzauber in Zürich: "Atemberaubende Momente" verspricht das Stadtmarketing, und immerhin dürfen die Kirchen davon 18 Minuten bestreiten: Von 23.40 Uhr bis 23.58 Uhr läuten die Kirchenglocken das alte Jahr aus, danach wird am Limmat das Licht gelöscht, und das Feuerwerk über dem Zürichsee startet. Mal sehen, ob in der Kirche selbst auch ein wenig Zauber herrscht an diesem Abend, an dem das Fraumünster zu einem ökumenischen Gottesdienst einlädt.

Fängt gut an. Beim Ausstieg aus der Tram am Paradeplatz war man noch geblendet vom Bling-Bling des Sprüngli-Schaufensters, hier drinnen herrscht calvi­nistische Nüchternheit. Nur ein Herrnhuter Stern und ein Weihnachtsbaum stehen im Altarraum vor den ­berühmten Chagall-Fens­tern. Es brennt keine Kerze am Baum.

Die Glocken läuten eindringlich, die Orgel spielt eine Sonate von Marco Uccellini aus dem 17. Jahrhundert. Es klingt wunderbar weihnachtlich. Drei Pas­toren und eine Lektorin ­ziehen ein. Keine Angst, beruhigt der protestantische Pfarrer Johannes Block, die Predigt werde durch die drei Konfessionen nicht dreimal so lang, rechtzeitig zum Spektakel um Mitternacht habe man es geschafft. Kichern in den Kirchenbänken.

Die Jahreslosung hält die drei Predigten ­zusammen: "Prüft alles und behaltet das ­Gute!" Der protestantische ­Pfarrer erzählt vom vergangenen Jahr, in dem ein Jubiläum gefeiert wurde: 2024 war es 500 Jahre her, dass die Äbtissin Katharina von Zimmern das Fraumünster dem Rat der Stadt Zürich übergab. Und der Blick nach vorn? Man möge sich prüfen, so Block, ob die Leistungsgesellschaft wirklich Heil bringe. "Leisten bringt keinen Seelenfrieden", ruft er den tüchtigen Schweizern zu.

Klug, aber wenig aufbauend fürs neue Jahr. Arg kleinteilig wird es in den ­an­deren beiden Predigten. Der ­katholische Vikar berichtet vom Pfarrfest seiner Kirche in 2024, der christkatholische Pfarrer von ­einigen Schwulentrauungen. Es klingt nach Rechenschaftsbericht, nicht nach Silvester. Wo ­stehen wir in der Welt an diesem 31. 12. 2024? Was gibt uns Zuversicht? Davon ist kaum die Rede.

Dass wir gestärkt hinausgehen, liegt vor allem an der Musik. Großartige Trompete und Posaune, donnernde Orgel. "Nun danket alle Gott" und "Lobe den Herren". Nein, viel Zauber war nicht. Aber zur Ruhe sind wir gekommen, ­bevor es am Limmat mit Böllern, Essensständen und Tanzbühnen losgeht. Grüezi 2025!

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