Kirchgang in der Kaserne
Posttraumatische Dämonen
Gottesdienst der Militärseelsorge bei den Fallschirmjägern in Altenstadt: Mit ruhigen Worten spricht die Pfarrerin über innere Geister und Traumata, die in den Wahnsinn führen - die Stuhlkreisgemeinde hört gebannt zu
Der Kirchgang: Posttraumatische Dämonen
Ein traumatisierter Soldat in der Bibel – da hört die ­Gemeinde gebannt zu
Uwe Birnstein
Maren Kolf
30.01.2025
2Min

Franz-Josef-Strauß-Kaserne in Altenstadt, Mittwoch, 15 Uhr: Der Himmel ist blau-weiß wie im bayerischen Bilderbuch. In der ­Kaserne werden Fallschirmjäger der Bundeswehr ausgebildet. Im Gemeinschaftshaus hängen an den Wänden Bilder aus dem ­Leben des Namensgebers Franz Josef Strauß; der bayerische Politiker war hier am Ende des Zweiten Weltkriegs Oberleutnant.

Die 15 Menschen, die zusammengekommen sind, kennen sich offensichtlich gut, es herrscht gelöste Stimmung. Die meisten sind Männer in Uniform, drei Frauen sind auch da.

Nach und nach setzen sich alle in den Stuhlkreis. In der Mitte: ein Kreuz und eine Kerze. Die Pfarrerin nimmt eine Gitarre. Sie stimmt ein neueres ­Kirchenlied an, "Meine Zeit steht in deinen Händen". Viele singen mit. Strahlend begrüßt sie die kleine Gemeinde, sie duzt sie. Ein Psalm wird gebetet. "Heute geht es um finstere Mächte", kündigt sie geheimnisvoll an, "um Dämonen." Über ­einen "völlig skurrilen Text der ­Bibel" wolle sie nachdenken. Ein Gottesdienst­besucher liest aus Markus 5 vor. Es geht um einen Mann, der auf einem Gräberfeld lebte und "besessen" war; Jesus sprach mit ihm, trieb ihm die "unreinen Geis­ter" aus, der Mann war befreit.

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Mit ruhigen, eindrucksvollen Worten erklärt die Pfarrerin die seltsame Geschichte. Der be­sessene Mann sei vermutlich ein Soldat gewesen, der Schlimmes erlebt habe. "Quäle mich nicht", bat er Jesus, und dass er "Legion" heiße. Womöglich habe der Mann unter einer multiplen Persönlichkeitsstörung gelitten, mutmaßt die Pfarrerin – ein Phänomen, das als Folge posttraumatischer ­Störungen bekannt ist.

Ein Soldat, den sein Trauma in den Wahnsinn führt und der sich von der Gemeinschaft ausgegrenzt fühlt: Die Stuhlkreis­gemeinde hört gebannt zu. Was machte Jesus: "Keinen Hokus­pokus, sondern er redet einfach mit ihm." Reden sei wichtig, wenn die Sorgen quälen. "Reden hilft immer, man muss Worte finden und dann muss man sie sagen können."

Damit es nicht bedrückt bleibt, nimmt die Pfarrerin die Gitarre wieder zur Hand und stimmt ein gospeliges Mitgeh-Lied an: "Lord, I Lift Your Name on High". Nun ist "Zeit, dass wir mit ihm reden". In der Stille könne man Gott alles sagen. Gott hört. Und versteht. Nach Vaterunser und Segen gibt es Kaffee und Kuchen, "das ist Teil des Gottesdienstes", sagt die Pfarrerin. Neugierig begegnen mir Fremdem die Menschen. Schön.

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