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Der halbe Stadtteil war schon zum Joggen im Park, früher als sonst: Heute wird’s heiß. In der Lutherkirche sammeln sich ganze Familien, ja, haben die denn nichts Besseres vor, an so einem schönen Sommertag? Es wird ein ganz normaler Gottesdienst. Einerseits. Andererseits nimmt Pastor Reiner Haberstock heute vieles in den Blick, den Anfang und das Ende des Lebens. Eine Taufe steht an, erklärt er, und zweier Toter soll gedacht werden. Die eine starb mit 93 Jahren, der andere mit 37, ganz plötzlich, so scheint es.
Ein Kind wird also getauft, der Großvater, ein Pfarrer, will das selbst übernehmen. Eine glückliche, feierlich gestimmte Familie. Selbst der Täufling scheint zu lächeln. Auf der anderen Seite des Gangs aber sitzt die Familie, die den Mann, den Vater verloren hat. Wie macht er das nur, der Herr Haberstock? Dass er jedes Wort, das er sagt, an beide richtet: die Tauffamilie und die Witwe. Nie entlässt er sie aus seiner Aufmerksamkeit.
So eine Taufe besteht aus einer Menge feierlichem Drumherum und vielen Worten – endlich beginnt das eigentliche Ritual, dem der Großvater-Pfarrer sichtlich entgegenfieberte. Alle Kinder in der Kirche scharen sich neugierig um den Taufstein. Auch die kleinen Kinder der Witwe nähern sich zögernd, die Mutter ermutigt sie. Wie sie mit ihnen zusammen zuschaut – jetzt denkt wohl jeder in der Kirche daran, welches Ritual diese Familie erst kürzlich hinter sich gebracht haben muss.
Da stehen die Menschen zusammen um den Taufstein, mit ihren sicherlich großen Gefühlen – ohne Falschheit und Kitsch. Gemindert scheinen weder die Freude noch die Trauer. Ob die Witwe und ihre Verwandten sich getröstet fühlen können – wer weiß. Aber die Zuversichtlichen und die Traurigen halten es miteinander aus, und in diesem Moment ist kaum vorstellbar, wo das besser gelingen könnte als hier in dieser Kirche.
Der kleine Jonathan Erik ist getauft. Seine Mutter, eine sehr junge Frau, singt einen Psalm, ganz allein, mit zurückhaltender Klavierbegleitung. Eine romantische Melodie, die Stimme so klar und frisch wie ein Bach. Dann verteilen sich die Kinder wieder in die Bankreihen zu ihren Eltern. Jetzt die Predigt, noch ein Thema, obwohl es hier doch schon reichlich Themen und Höhepunkte gab. Aber die Predigt gehört nun mal dazu. Es geht um Jona, der sich nicht traut, den Leuten in Ninive „Kehrt um!“ zuzurufen. Der Pfarrer wirbt um Verständnis für den kleinmütigen Jona. Und für die Leute in Ninive. Ein großer Gottesdienst!
Zur Gemeinde
Lutherkirche Frankfurt
Martin-Luther-Straße 1,
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