Lena Uphoff
15.11.2010

August in Mittelitalien. Ganz Umbrien lagert bei 37 Grad im Schatten hinter verschlossenen Fensterläden und hält Siesta. Nur die Urlauber aus Deutschland und der Schweiz packen Badetasche, Kinder und Hund und streben ins kleine Schwimmbad mit gechlortem Wasser. Den Trasimenischen See nebenan verschmähen sie. Da das Gewässer nirgendwo mehr als acht Meter Tiefe erreicht, erweist es sich als brühwarme und trübe Tunke.

Am Eingang zum Badeparadies wacht ein Angelo mit feurigen Augen. Genau genommen liegt er mit tief gebräuntem Körper lieber in den Armen der rassigen Serafina, als dass er uns Eintrittskarten verkaufen möchte. Doch nach kurzem Zaudern löst sich der lateinische Liebhaber aus der Umarmung und schleppt sich zur Kasse.

"No! Cane no! Hunde haben im Bad nichts zu suchen."

Ein fragender Blick -­ zwei Erwachsene und ein Kind, okay. Dann ortet Angelo Freddy, den Sennenhund, der seit ein paar Wochen unser Rudel verstärkt. "No! Cane no! Hunde haben im Bad nichts zu suchen." Der Welpe ist wasserscheu, der will nicht baden, lasse ich den strengen Wächter wissen. Der will nur im Schatten unter einer Liege Siesta halten. "Mi dispiace ­ tut mir Leid", erwidert er kurz, "in Italien gibt es ein Gesetz, dass Hunde nicht in die Nähe der Schwimmbecken dürfen. Und um zu den Liegen zu gelangen, müssen Sie am Pool vorbei. Tut mir Leid, geht nicht. Ich habe nichts gegen Hunde. Das Gesetz!"

Genervt und ärgerlich wende ich mich an das Restrudel: Ihr habt es mitgekriegt, Freddy ist unerwünscht. Das Gesetz! Lasst uns einen Badeplatz am See suchen. "Ausgeschlossen", widerspricht das Alpha-Weibchen, "in die seichte Schlammbrühe kriegen mich weder zehn Pferde noch ein pampiger Bademeister." ­ "Dann bleibst du eben mit Freddy draußen beim Auto, Papa, und wartest auf uns", schlägt das Beta-Männchen vor. Die Schweizer Freunde, um Versachlichung bemüht, haben die Idee, dass wir nahe am Zaun lagern und Freddy außen am Gatter anleinen. Ich habe gelesen, dass in Italien ein Ring organisierter Rassehunde-Diebe aufgeflogen ist. Freddy bleibt nicht alleine draußen. Die Temperaturen steigen, Überhitzung droht. Das Beta-Männchen verlangt nach seiner Wasserpistole, um den Angelo zu bedrohen und sich notfalls den Weg ins Paradies freizuspritzen. Ich möchte nicht mehr baden. Ich möchte sofort ein Eis oder ein Gläschen kühlen Weißwein. Das Alpha-Weibchen murrt: "Wir haben uns noch nicht eingecremt. Wenn wir jetzt hier noch eine halbe Stunde rumstehen, haben wir alle einen Sonnenbrand. Ich möchte jetzt da rein!"

Wir preisen den italienischen Pragmatismus

Angelo lehnt derweil an seiner Theke, die Arme über dem Waschbrettbauch verschränkt, die Sonnenbrille ins lockige Haupthaar gesteckt. Mit energiesparend knapper Geste winkt er mich zu sich. "Signore, ich mache Ihnen einen Vorschlag: Sie können den Hund mitnehmen, wenn Sie ihn ganz dort hinten, vom Parkplatz aus, über den Zaun heben und er sich ruhig verhält. Sollten sich allerdings andere Badegäste beschweren, müssen Sie gehen." Molto gentile, sehr freundlich, grazie tanto, herzlichen Dank. Wir befördern den Welpen wie von Angelo gefordert über Zaun und Hecke, schleusen ihn durch den Hintereingang ins Paradies. Wir preisen den italienischen Pragmatismus.

Ein Mittag im Bad. Das Beta-Männchen springt zum zehnten Mal vom Einmeterbrett. Das Alpha-Weibchen schläft auf seiner Liege. Ich döse unter der Gazzetta dello Sport und schrecke plötzlich auf. Angelo sitzt neben unserem Hund. Er hat ihm einen Riesennapf mit frischem Wasser gebracht und krault seinen Nacken. "Sehr heiß für Hunde. Müssen viel trinken. Können ja ihr dickes Fell nicht ausziehen." Und dann kommt auch noch bella Serafina und herzt den "bello cane". Hundstage in Italien ­ aus der höllischen Hitze über den Zaun ins Paradies ­ eine tierische, eine menschliche, eine göttliche Komödie.

 

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