Lena Uphoff
15.11.2010

Eine Redaktion bekommt viel Post. Leserbriefe, Einladungen, Textangebote, Presseerklärungen, Informationen über neue Produkte, neue Methoden, neueste Erkenntnisse, brandaktuelle Studien. Man ist auf vielen Verteilern. Warum, das weiß man meistens oder kann es wenigstens erahnen. Aber es gibt einen Typus menschheitsbeglückender Mitteilungen, bei denen man sich mit bestem Willen und kreativster Intelligenz nicht zu erklären vermag, weshalb man in den Genuss der Aufmerksamkeit des Absenders kommt.

"Eine Technik, die alles revolutioniert..."

Neulich lag auf halber Höhe meines täglichen Poststapels zum Beispiel die Einladung einer Unternehmensberatung zu einem Seminar "Besser verkaufen". Von einer ultimativen Methode, Produkte an Mann und Frau zu bringen, war die Rede. "Eine Technik, die alles revolutioniert, was Sie bisher über den erfolgreichen Absatz Ihrer Waren und Dienstleistungen dachten." So weit, so bescheiden. Wie die neue Methode aussah, erfuhr man aus dem farbigen Prospekt natürlich nicht. Denn sonst fährt ja niemand auf das Seminar. Erst zahlen bitte! Eine Verkaufsstrategie ­ allerdings keine neue, sondern eine, mit der seit Jahrtausenden alle Schlepper und Bauernfänger arbeiten.

Ich lehnte mich zurück und schloss die Augen. Der Mensch als Kunde, der Kunde als Mensch. Das ist ein Thema, das mich auf Schritt und Tritt verfolgt. Irgendwann hat man den sprichwörtlichen Gebrauchtwagenverkäufern, den Kredithaien und Immobilen-Hökern erklärt, es sei am besten, den Kunden stets beim Namen zu nennen. "Und, Herr Brummer, ganz wichtig: Unser Angebot gilt nur für qualitätsbewusste Menschen wie Sie!"

Diese Methode war in den Zeiten des Bargeldkaufs erträglich. Nur bei wirklich großen Einkäufen, wenn man eine Ware verlangte, die nicht einfach so über den Tisch ging, funktionierte sie. Wer bei kleinen Gelegenheitskäufen anonym bleiben wollte, legte seinen Geldschein auf die Ladentheke und verschwand. Seitdem das Kartenwesen Einzug gehalten hat, gibt es aber selbst im Laden an der Ecke kein Entrinnen mehr. Denn auf der Karte meiner Bank steht mein Name. Ich bin identifiziert. Und deshalb dröhnt mir der Mann an der Kasse "Schönen Abend noch, Herr Brummer" hinterher.

Ich mag auch nicht, wenn mir jemand alle Vorzüge des Rasenmähers, des Zwei-Mann-Zeltes oder was sonst auch sei, ungefragt in allen Details erklärt. Wenn ich was wissen will, frage ich. Dann allerdings möchte ich eine klare Antwort. Ich kann es nicht leiden, wenn ich einen Anruf von einem Callcenter bekomme und mich die zuckersüße Stimme der Anruferin "Und, Herr Brummer..." über ein Angebot aufklärt, das ich gar nicht brauche. Ich empfinde das als eine Art von Hausfriedensbruch. Keine ultimative Verkaufsmethode. Zumindest für den Käufer Brummer.

Was ich mir wünsche: höfliche, kompetente Menschen

Was ich mir wünsche: höfliche, kompetente Menschen. Ich kaufe am liebsten von Leuten, die nicht zudringlich sind, die mir den Eindruck vermitteln, es sei in Ordnung, wenn ich plötzlich sage: "Vielen Dank, aber das ist es nicht, was ich suche." Wenn man das potentiellen Verkäufern bei einem Seminar beibringen würde: Übertreiben Sie es bitte nicht mit ihrem Verkaufsinteresse, liebe Verkäufer. Bleiben Sie Mensch! Seien Sie bescheiden. Versuchen Sie ehrlich zu sein und verzichten Sie auf ultimative Tricks.

Das ist sicher keine verkaufsfähige neue Methode. Und man kann es komischerweise von Leuten lernen, die noch nie ein Verkaufsseminar besucht haben. Von meiner Zeitungsfrau zum Beispiel, von meinem Obsthändler auf dem Wochenmarkt, von meinem Metzger und von dem Mädchen am Käsestand im Supermarkt. Bei denen stört es mich im Übrigen nicht, wenn sie "Schönen Tag, Herr Brummer" sagen. Die meinen es nämlich wirklich.

 

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