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Ich liebe es, Dinge wegzuschmeißen. Es erfüllt mich mit großer Genugtuung, den Sperrmüll zu bestellen und das Haus auszumisten. Oder – noch schöner – alte Leitz-Ordner mit früher mal als wichtig befundenen Anschreiben und Dokumenten einfach in die Altpapiertonne zu werfen.
Mein Traum vom Glück ist ein Leben frei von materiellem Ballast. Kein Haus, kein Auto, keine Yacht. Nur die Freiheit und meine Frau – mehr brauche ich nicht. Natürlich gehören auch meine Kinder zu diesem Traum dazu - und da wird es schon wieder kompliziert: Denn sie produzieren am laufenden Band Dinge, dich ich nicht wegschmeißen will.
Obwohl. Vieles will ich schon wegwerfen; zumindest nach einer gewissen Zeit. Andere Eltern werden es kennen: Steine werden auf Spaziergängen mitgenommen, Stöcke müssen unbedingt aufgehoben werden, und dann sind da eben auch noch die ganzen Kunstwerke.
Eine befreundete Mutter erzählte mir, sie habe einen "Vormüll". Der befinde sich an einem geheimen Ort und komme immer zum Einsatz, wenn ihre Tochter einen mitgebrachten Stock oder ein gebasteltes Bild langsam vergesse. Dann nehme sie das Objekt und lege es in den Vormüll. Dort bleibt es, bis sie sich ganz sicher ist, dass das Kind das Wissen um die Existenz des ehemaligen Schatzes tatsächlich an die Untiefen der Erinnerung verloren hat. Erst dann wandert es in den richtigen Müll.
So umgeht sie die auch mir bekannte Problematik, dass die Kinder etwas im Mülleimer finden, was sie zwar vermeintlich schon vergessen hatten, aber eben nur vermeintlich und dann als einen ehemaligen Schatz erkennen und sofort und unbedingt brauchen. Noch schlimmer ist es, wenn das Weggeworfene nicht irgendein Stock oder Stein ist, sondern ein Liebesbeweis in Bildform. Man hat dann nicht nur irgendwas heimlich weggeworfen, sondern auch noch den Liebesbeweis geringgeschätzt. Um diese kleinen Briefchen und Bilder und Karten ging es mir auch am Anfang, als ich sagte: Ich liebe wegwerfen, aber nicht immer.
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Unsere Tochter liebt malt, faltet, baut, bastelt sehr sehr gern. Jeden Tag entstehen Osterhasen in Origamitechnik, Osterbilder aus Wasserfarben und Fingerfarben, dazu Bilder in Kollagenform, auf die sie dreidimensionale Objekte klebt. Sie klebt auch Osterkörbchen und füllt sie mit unzähligen kleinen, ausgeschnittenen Ostereiern. Aber der größte Hit sind: Osterbriefe.
Diese werden in einer bestimmten Art gefaltet, sodass sie Brief und Briefumschlag in einem sind. Und in diesen Briefen stehen Botschaften, die so voller herzerwärmender Liebe und schönen kindlichen Sätzen sind, dass ich sie lieber für mich behalte und Ihnen nicht verrate.
Diese Briefchen werde ich nicht wegwerfen, auch wenn ich mittlerweile bestimmt zwanzig davon bekommen habe. Sie kommen in eine besondere Schublade, die voll mit ähnlichen Werken unserer Söhne und anderer Werke unserer Tochter ist. Dort bleiben sie für immer oder zumindest so lang, wie ich Herr über die Schublade bin. Egal, ob ich sie jemals wieder lese. Manchmal muss man eben auch horten.