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Ich bin kein religiöser Mensch, aber in der Kirche habe ich mich immer ruhig und warm gefühlt. Seit meiner Kindheit bin ich fasziniert von der Erhabenheit katholischer Kathedralen, den Kuppeln orthodoxer Kirchen und den Buntglasfenstern in vielen Kirchen. In all dem liegt für mich etwas Geheimnisvolles, die Erwartung eines Wunders und ein Gefühl unsichtbarer Unterstützung. Und genau das brauchen viele Geflüchtete aus der Ukraine.
Daher wundert es mich überhaupt nicht, dass sich in verschiedenen Städten Deutschlands Ukrainer und Ukrainerinnen gern in Kirchen versammeln. Zum Beispiel in der evangelischen Kirche St. Andreas in Hamburg. Hier hat die ukrainisch-orthodoxe Gemeinde eine Heimat gefunden.
Es geht hier nicht nur um Gottesdienste oder Bibellesen. Sondern es ist eine Gelegenheit, sich in unsicheren Zeiten getragen zu fühlen und als Fremde oder Fremder mit Einheimischen in einen direkten und emotionalen Kontakt zu treten. Für Menschen, die ihr Zuhause und ihr gewohntes Leben verloren haben, ist dies das Wertvollste und Wichtigste, um sich ein neues Leben aufzubauen.
Seit September 2024 gibt es in der Hamburger Gemeinde auch eine Sonntagsschule. Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren lernen die Grundlagen des Christentums. Die Lehrerinnen sind erfahrene Profis. Zum Beispiel Halyna Mazuruk, die viele Jahre an einer Sonntagsschule in Luzk (Ukraine) unterrichtete. Während sich die Eltern zu Gebet und Andacht treffen, können die Kinder malen und basteln, Videos ansehen, gemeinsam spielen oder zusammen etwas lernen.
"Ich glaube an Gott, aber für mich ist der Besuch dieser Kirche mehr als nur Religion. Es geht um Menschen, die mich dazu bringen, über wichtige Dinge nachzudenken, meine Schwierigkeiten aus einer neuen Perspektive zu betrachten und Motivation zu finden, um weiterzumachen. Nach Predigten schreibe ich oft Zitate in mein Notizbuch, um später darüber nachzudenken. Beim Glauben geht es nicht nur um Religion, es geht auch um die Weisheit der Seele", sagt die Ukrainerin Olga, die seit mehreren Monaten die Gottesdienste der Gemeinde besucht.
Lesetipp: Wie die evangelische Kirche mit dem Krieg in der Ukraine umgeht
Die St. Andreas-Kirche bietet nicht nur einen sicheren Raum für Gebete, Gottesdienste und den kleinen Chor der Gemeinde - sondern sie ist auch der Heimatort des Hilfsvereins: "Nicht schnacken – Machen!" Wie sein Name schon sagt, besteht das Hauptziel der Organisation in einer individuellen, pragmatischen und schnellen Hilfe für Menschen in schwierigen Lebenssituationen. Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine hat sich ein neuer Schwerpunkt der Arbeit ergeben. Seit Anfang März 2022 organisieren die Ehrenamtlichen jeden Freitag einen Hilfstransport über Warschau in die Ukraine. Manchmal bringen sie auf dem Rückweg geflüchtete Menschen mit nach Hamburg.
Noch ein kleiner historischer Exkurs:
Die ukrainisch-orthodoxe Gemeinde des Kyjiwer Patriarchats in Hamburg hat sich bereits vor Ausbruch des Großen Krieges im Jahr 2015 gegründet. Schon damals lebten viele Ukrainerinnen und Ukrainer in der Stadt und suchten lange nach einem geeigneten Ort für Gottesdienste. Manchmal fanden sie im Generalkonsulat der Ukraine statt, manchmal im Freien. Im Mai 2019 konnte man sich mit der evangelischen Gemeinde St. Andreas in Harvestehude auf eine dauerhafte Kooperation einigen. Die Gemeinde ließ sich bei den Behörden als Verein der ukrainisch-orthodoxen Kirche registrieren.
Die Kirche St. Andreas wurde 1907 erbaut. Nach dem Bombenangriff auf Hamburg im Sommer 1943 brannte ein Teil der Kirche völlig nieder. Die Kirche wurde 1951 restauriert und war damit eine der ersten Gotteshäuser in Hamburg, die nach der Zerstörung wiedereröffnet wurde. In den 1970er Jahren wurde die Kirche grundlegend umgebaut und erhielt ihr heutiges Aussehen.
Mittlerweile leben etwa 38 000 Ukrainerinnen und Ukrainer in Hamburg. Jede und jeder von ihnen kann der Gemeinde beitreten, im Chor singen oder die Sonntagsschule besuchen. Ich finde, das ist gute Nachricht zum Jahresanfang.