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Was für eine Zeit. Ständig klebe ich Aufkleber. Auf denen steht z.B.: „FÜR ALLE. MIT HERZ UND VERSTAND“. Ähnliche Motive begegnen mir überall. Im Web, in den Sozialen Medien und bei meinen Reisen durch Sachsen als Banner an Kirchen, Gemeindehäusern, Pfarrbüros, Diakoniegebäuden und Schulen. „WÄHLEN. MENSCHENWÜRDE, NÄCHSENLIEBE“, steht dann vielleicht da. Immer in Großbuchstaben.
Darüber freue ich mich. Denn schließlich ist „für alle“ gerade für Christenmenschen eine nahezu selbstverständliche Botschaft: Menschenwürde, Nächstenliebe, Zusammenhalt kennen eben keine Ausnahme.
Gestern war ich z.B. in der katholischen Propstei in Leipzig und habe das Gebäude an einem solchen Banner vorbeigehend betreten. Sie haben richtig gelesen: der evangelische Kolumnist freut sich, dass dieses Motiv auch an katholischen Gebäuden hängt.
Denn all dies ist Teil der gleichnamigen Initiative: „FÜR ALLE. MIT HERZ UND VERSTAND“ Die großen Kirchen haben sich zusammengetan und erheben gemeinsam ihre Stimmen. Der evangelische Landesbischof und die katholischen Bischöfe appellieren zusammen nicht nur an die Mitglieder, sondern an die gesamte Gesellschaft: „Geht wählen, aber mit Herz und Verstand.“ Keine Kleinigkeit, sondern eine großartige ökumenische Aktion in ganz Sachsen für die Demokratie.
Auch die ostdeutschen Evangelischen Akademien veröffentlichen gemeinsam Stellungnahmen, die sie in Fachgesprächen zusammen gemeinsam erarbeitet haben. Die Notwendigkeit zur politischen Auseinandersetzung, Debattenkultur, Parteien und Europawahl waren die Themen. Deutlich wird, dass in der Kirche genug Raum ist, um vielfältige Meinungen über strittige Fragen stärker zuzulassen. Damit verbunden ist auch die Verantwortung, genau diese Räume mit zu ermöglichen.
Das ist ja auch die Verantwortung in der die Evangelischen Akademien stehen. Das sächsische Landeskirchenamt motiviert seine Einrichtungen und Pfarrbüros mitzumachen. Es ist so wichtig, dass wir die Menschen dazu bringen, im Gespräch sein zu können, in einer versöhnlichen, von Verständigung und Hörbereitschaft geprägten Kultur. Verständigungsorte – das sind von Kirche und Diakonie ermöglichte Gelegenheiten, einander zu begegnen, zuzuhören, um über Themen im Austausch zu sein. Sie sollen dritte Orte für gesellschaftliche Aushandlung und Krisenbearbeitung sein.
Ich finde das alles wichtig und großartig, doch wenn wir die Jugendlichen nicht erreichen, dann sind viele Bemühungen umsonst.
Und so war ich auch nicht in der Propstei, um den dort tätigen katholischen Geschwistern zu begegnen. Der Vorstand der wichtigen bundesweiten „Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe“ tagte und bat mich um einen Vortrag. Uns alle treibt um, warum eine stetig wachsende Zahl junger Menschen demokratiefeindliche Haltungen vertritt und bspw. der AfD oder den Freien Sachsen folgt. Natürlich griff die Debatte auch die Frage auf, welche konkreten Änderungen in der Politik für junge Menschen notwendig sind. Denn eine der erkennbaren Ursachen ist, dass eine ansteigende Zahl junger Menschen zunehmend den Eindruck hat, bedeutungslos in der Gesellschaft und für „die Politik“ zu sein. Auch so wächst Demokratieskepsis. In Sachsen gibt es ganze Orte, da prägen neurechte Jugendkulturen das Aufwachsen junger Menschen.
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Was können wir dort tun, wie aktiv werden? Eben zum Beispiel Kommunen und Bürgermeistern dabei unterstützen, mit den jungen Menschen in ihrem Ort in einem tatsächlichen Austausch zu sein. Dies muss immer wieder konkret passieren, also mit den jungen Menschen reden, anstatt nur über sie. Gute „Verständigungsorte“ öffnen und so Wege der Partizipation für junge Menschen zeigen. Auch hier taucht sie wieder auf, die Perspektive „für alle“.
Wird das reichen? Aufkleber, Banner, eine bessere Jugendpolitik und viele Verständigungsorte? Das werden wir erst am Wahlabend sehen.
Doch dann geht es weiter. Ich betone in diesen Treffen und Diskussionen immer deutlich, dass es vor allem notwendig sein wird, nach den Wahlen weiterzumachen. Das Achten auf Menschenwürde – Nächstenliebe – Zusammenhalt wird täglich weitergehen müssen, in den kleinen Dörfern und großen Städten, an Orten christlicher Gemeinschaft und in den Parlamenten wie auch Ortsbeiräten.
Aktuell:
chrismon-live: Am 5. Juni von 19 bis 20 Uhr diskutiere ich mit der Erfurter CDU-Abgeordneten Lilli Fischer über die Wahlen in Ostdeutschland, die Gefahren, die von rechts drohen und mein Leben als Akademieleiter in Dresden.
Ihr könnt dabei sein, seid nicht zu sehen und zu hören, aber könnt sehr gerne Fragen stellen und mitdiskutieren. Hier könnt Ihr euch anmelden.