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Die Hamburger Kunsthalle war froh und stolz zu berichten, dass ihre Caspar David Friedrich-Ausstellung zum 250. Geburtstag allerlei Besucher-Rekorde gebrochen hatte. Und es ist ja auch wirklich eine der seltenen Freuden dieser Tage, dass so viele Menschen sich wieder dazu verleiten lassen, seine Bilder genau zu betrachten und zu bedenken.
So sehr ich ihr diesen zahlenmäßigen Erfolg gönne, kann ich doch nicht vergessen, wie wir unseren Besuch abbrachen: Es war zu voll, man konnte nichts sehen, nicht unbedrängt gehen, es war unangenehm. Nun war ich in der Berliner Folge-Ausstellung. Dort sind die Räume besser ausgelegt, auch das Buchungssystem ist klüger eingestellt. Es ist voll, aber nicht übervoll. Nur, wer die Alte Nationalgalerie kennt, weiß, dass man viele Gemälde hier auch im Normal-Betrieb bestaunen kann. Das führt zur Frage: Braucht es diese Jubel-Ausstellungen wirklich? Besser werde ich sie beantworten können, wenn ich die CDF-Ausstellungen in Greifswald und Dresden besucht haben werde. Das Jubiläumsjahr ist zum Glück lang.
Was man aber auf keinen Fall übersehen sollte, ist ein schmales und trotzdem reich bebildertes Buch. Geschrieben hat es Kia Vahland, Kunsthistorikerin und Redakteurin der "Süddeutschen Zeitung". Es trägt den schlicht-schönen Titel "Caspar David Friedrich und der weite Horizont". Erschienen ist es in der ewig jungen, immer blühenden Insel-Bibliothek. Wem die Ausstellungskataloge zu schwer und teuer sind oder wem Florian Illies‘ Bestseller zu plauderig ist, kann sich hier Augen und Sinn öffnen lassen. Vahland ist eine erfahrene und sensible Kunstführerin. Mit wenigen Strichen skizziert sie Leben und Charakter des Malers. Ohne jeden Jargon beschreibt sie die wichtigsten Bilder so, dass man tatsächlich mehr und anderes auf ihnen sieht. Ein Anliegen ist ihr dabei, Friedrich als Farbvirtuosen vorzustellen.
Mich hat gefreut und angeregt, wie Vahlands Friedrichs Religiosität und deren Bedeutung für seine Kunst beschreibt. Als Theologe ertappe ich mich regelmäßig dabei, wie ich hier zu starke Striche ziehe. Andererseits beobachte ich, dass es manchen Kunsthistorikern heute an religiöser Musikalität und christentumsgeschichtlicher Kenntnis mangelt. So verpassen sie Wesentliches.
Bei Vahland dagegen lernt man ganz unbedrängt, wie Glaube und Kunst bei Friedrich ineinanderfließen. Zum Glück werden seine Bilder nicht zu religiöser Propaganda. Wohl aber wächst aus seinem Glauben eine bestimmte Haltung seiner Bilder, die von Staunen und Ehrfurcht bestimmt ist: "Die wirklich wichtigen Dinge könnten ‚nur im Glauben gesehn und erkannt‘ werden, sagte der überzeugte Lutheraner einmal – kein Wille zur Naturbeherrschung, nicht die Hybris der neuen Zeit trieb diesen Maler um, sondern Demut vor der Schöpfung, die es zu feiern und zu bewahren galt."
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Auch die emotionale Wirkung von Friedrichs Bilderfindungen versteht man besser, wenn man von seiner Christlichkeit weiß: "Er ist Maler geworden, um Gott zu erkennen – nicht, um ihm mit täuschend echten Naturbildern die Schau zu stehlen. Als frommer Protestant weiß der Greifswalder: Was zählt, ist nicht der Augenschein. Es ist allein der Glaube. Und der will erarbeitet werden."
Ich ergänze – der Glaube muss (wie die Kunst) vor allem empfunden sein. Dabei können die Empfindungen höchst unterschiedlich sein. Zum Beispiel: "Sein Protestantismus sucht das Göttliche nicht im Pathos, sondern in der Anschauung der Natur. So strahlen seine Werke eine fast überirdische Ruhe aus." Man kann sich vor Friedrichs Bildern meditativ versenken, dabei erhoben und getröstet fühlen. Man kann aber auch erschrecken und erschüttert sein. Man kann erfahren, dass auch Wehmut und Weltschmerz religiöse Gefühle sind. Der Weite seiner Horizonte entspricht die Weite seines Glaubens.
Wer in diesem Jahr nicht zu den großen Friedrich-Ausstellungen reisen kann, mag sich trösten und einfach Vahlands Buch lesen. Es enthält alles Wesentliche.