Auch nach mehr als einer Woche fällt es schwer, die Gefühle und Gedanken zu sortieren: In Southport, einer englischen Stadt in der Nähe von Liverpool, stach ein 17-Jähriger Ende Juli auf die Teilnehmerinnen eines Tanzkurses ein. Drei Mädchen sind tot. Sie wurden nur sechs, sieben und neun Jahre alt. Das macht wütend und traurig.
In die Trauer mischt sich Entsetzen darüber, dass diese schreckliche Tat immer neue Opfer nach sich zieht. Denn durch das Vereinigte Königreich zieht sich eine Spur der Gewalt. Nach der Messerattacke hatten sich Falschmeldungen in Internet, Netzwerken und Messengerdiensten verbreitet: Der Täter sei ein muslimischer Flüchtling, der per Boot über den Ärmelkanal nach England gekommen sei. Die Polizei dementierte, der Täter sei in Wales geboren und aufgewachsen, seine Eltern seien aus Ruanda – einem überwiegend christlich geprägten Land – ins Vereinigte Königreich gezogen. Doch die Klarstellung verpuffte; seit Tagen zieht ein Mob durch die Straßen, angestachelt durch die rechtsextreme Gruppierung "English Defence League". Viele Polizistinnen und Polizisten wurden verletzt, Moscheen wurden belagert und Unterkünfte gestürmt, in denen die rechtsradikalen Randalierer Ausländer vermuteten. Sogar Autoinsassen wurden kontrolliert, ob sie weiß und englisch aussahen.
Was hat das mit uns zu tun? Auch hierzulande verunsichern schwerste Gewalttaten viele Menschen. So vervollständigten 74 Prozent der Befragten in einer Erhebung darüber, welche Themen für die Europawahl in Deutschland entscheidend seien, den Satz "Ich mache mir Sorgen, dass …" mit: "… die Kriminalität künftig massiv zunimmt". Und tatsächlich gab es in jüngerer Zeit eine Reihe von Verbrechen, die von Menschen mit Migrationsgeschichte begangen worden sein sollen, in einem Fall wurde der Täter bereits verurteilt.
Drei Beispiele: In Brokstedt in Schleswig-Holstein erstach Ibrahim A., geboren 1989 im Gazastreifen, im Januar 2023 ein Pärchen in einem Regionalzug. Ein 25-jähriger Afghane hatte am 31. Mai 2024 auf dem Mannheimer Marktplatz sechs Männer mit einem Messer verletzt, darunter auch einen Polizisten, der zwei Tage später seinen Verletzungen erlag. In Uelzen soll ein 18-Jähriger Marokkaner, der in einer Asylunterkunft lebt, einen 55-Jährigen eine Treppe heruntergestoßen haben. Der Mann starb an seinen Kopfverletzungen – er war offenbar einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort.
Solche Nachrichten machen etwas mit einer Gesellschaft. Und obendrein werden sie politisch instrumentalisiert. Wie in Großbritannien steht auch in Deutschland nach solchen Straftaten sofort die Frage im Raum: Woher kommt der Verdächtige? Das Böse, so zeigt es der unsägliche "Einzelfallticker" der AfD, soll nach Möglichkeit externalisiert werden. Der "Einzelfallticker" listet im Internet Straftaten auf, die von Menschen mit ausländischen Pässen begangen worden sein sollen. Das Kalkül der rechtsextremen Strippenzieher: Die Menschen sollen glauben, dass wir ohne Migration und Zuwanderung in einem Land ohne Kriminalität leben würden – was ein gefährlicher Schwachsinn ist; es ließen sich reichlich Namen von deutschen Schwerstkriminellen nennen, deren Verbrechen die Republik erschütterten. Hans-Jürgen Rösner und Dieter Degowski etwa, die "Geiselnehmer von Gladbeck". Oder den Wilderer Andreas S., der im Januar 2022 eine Polizistin und einen Polizisten erschoss.
Fakt ist: Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) weist einen Anstieg an Straftaten aus, wenn man die Jahre 2022 und 2023 vergleicht. Der Anteil von nichtdeutschen Tatverdächtigen wuchs um 17,8 Prozent. Auch hierfür gibt es Gründe. Es ist eine kriminologische Binsenweisheit, dass Menschen eher Verbrechen begehen, wenn sie in sozial prekären Verhältnissen leben und keine guten Zukunftsperspektiven haben – beides trifft auf Zugewanderte weit häufiger zu als auf Deutsche mit stabilem Umfeld.
Dennoch haben viele Menschen berechtigte Sorgen, und diese Sorgen sofort als rassistisch abzutun, wäre gefährlich. Das Geraune, Politik und Medien wollten Ausländerkriminalität als "Einzelfälle" abtun und würden die wahre Dimension verschweigen, ist seit Jahren unüberhörbar. Wir können es uns nicht leisten, noch mehr Menschen an krude "Alternativmedien" zu verlieren, in denen sie sich Verschwörungserzählungen aus rassistischen Narrativen zuwenden.
Die Medien stecken deshalb in einem fast unauflösbaren Dilemma: Sollte man die Nationalität der Tatverdächtigen immer erwähnen? Der Pressekodex des Deutschen Presserates enthält jedenfalls kein Verbot, die Nationalität von Verdächtigen zu nennen, verpflichtet die Redaktionen aber dazu, in jedem einzelnen Fall sorgfältig abzuwägen. Wann es angebracht ist, verdeutlicht der Presserat an Beispielen. Reine Neugier und Vermutungen etwa, dass "das doch bestimmt wieder ein Ausländer war", reichen zum Beispiel nicht aus. Allerdings sollten sich auch die Pressestellen der Polizei häufiger selbstkritisch hinterfragen, ob sie in ihren Pressemeldungen die Regelungen des Pressekodex ausreichend beachten, wie dieses Beispiel zeigt: Ein junger Mann wird ausgeraubt. Selbst beschreibt er die Täter als Nordafrikaner - und die Polizei stellt diese Information ins Netz. Ist das wirklich angebracht oder – im Sinne des Pressekodex – schon diskriminierend? Gibt es keine biodeutschen Räuber?
Anders beurteilt der Presserat die Dinge, wenn "eine besonders schwere oder in ihrer Art oder Dimension außergewöhnliche Straftat" vorliegt. Dann ist es sogar geboten, die Menschen über die Herkunft umfänglich zu informieren. Das war in Brokstedt, in Mannheim und in Uelzen der Fall. Und in einer vergleichbar furchtbaren Straftat wie in Southport, wo Kinder umgebracht wurden, wäre es – geschähe sie bei uns – ebenfalls so. Nur: Der vermeintliche Täter ist Brite, und der Hinweis der englischen Polizei auf diesen Umstand verhinderte die Krawalle nicht.
In Nordrhein-Westfalen soll die Polizei künftig in ihren Meldungen die Nationalität der Tatverdächtigen nennen. Immerhin wäre so sichergestellt, dass in Pressestellen keine vorurteilsgefärbte Auswahl stattfinden kann, nach dem Motto: Wir vermelden vor allem die Straftaten, die ein Ausländer begangen haben sollen. Es gibt Hinweise, dass genau das geschieht. Manchen wird das, was der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul vorhat, nicht weit genug gehen. Sollte also nicht nur die Nationalität, sondern auch die Herkunft von Verdächtigen genannt werden? Das wäre bizarr und gefährlich, denn es stellt eine ganze Gruppe unter Generalverdacht und wäre rein rassistisch motiviert. In Deutschland leben mehr als 20 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, der überwältigend große Teil ist gesetzestreu und friedlich. Wer ernsthaft eine Kriminalitätsstatistik fordert, die Ahnenforschung betreibt, will spalten und ist ein Rassist.
So kann man mit Blick auf Southport nur lernen, dass beides einfach nur widerwärtig ist – der Mord an unschuldigen Kindern und der rassistische, rechtsextreme Mob, der auf der Insel durch die Straßen zieht.
Das war doch bestimmt wieder ein ...
Es geht um folgenden Satz im oben genannten Artikel:
"Die Polizei dementierte, der Täter sei in Wales geboren und aufgewachsen, seine Eltern seien aus Ruanda – einem überwiegend christlich geprägten Land – ins Vereinigte Königreich gezogen."
Mir ist es prinzipiell egal, ob jemand Muslim oder Christ ist, oder wo er geboren ist. Mich stört eher ihre Berichterstattung durch Weglassen von Informationen.
Ich meine, nur weil ein Land christlich geprägt ist, kann er trotzdem Muslim sein. Falls sie es wissen, sollten sie es auch schreiben. Falls sie es nicht wissen, sollten sie schreiben, dass sie es nicht wissen.
Und soweit ich mich belesen habe, ist zumindest die Kriminalitätsrate hier unter Flüchtlingen und Geflüchteten und Menschen mit Migrationshintergrund höher als bei der übrigen Bevölkerung.
"Der Ausländeranteil der Wohnbevölkerung in Deutschland betrug 2023 insgesamt 15 %. Nach der vom deutschen Bundeskriminalamt erstellten polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für 2023 beträgt der Anteil nicht deutscher Verdächtiger bei Straftaten insgesamt ohne Verstöße gegen das Ausländerrecht 34,4 %." (Siehe Wikipedia Stichwort Ausländerkriminalität).
Mit freundlichen Grüßen P. Herber
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
Altbekannt!
Alle Menschen sind Brüder, aber nicht jeder will Jeden zum Bruder haben. Wetten, das sich auch alle GUTEN ihre Gesellschaft selbst auswählen? Damit wird ein erheblicher Teil der Nächstenliebe zu einem Plakat, zur nächsten Lüge. Denn es geht ja nicht nur um den Menschen, es geht auch um die Werte, um die Kulturen und Religionen, die untrennbar mit den Personen verbunden sind. Den Nächsten isoliert ohne diesen "Anhang" zu sehen, ist ein fataler Fehler. Den Anderen ohne seine Eigenschaften "anzunehmen", mag zwar als christlich gelten, aber das haben die Kirchen nur von anderen gewollt, selbst aber für sich nicht gemacht. Ganz profan, den Sünder verdammen, aber die KIST oder ein Erbe als Ablaß annehmen.
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
Huch, ich habe eine verdächtige Sprache!
Wer was sagt, was wem nicht passt, wer nach Recht und Ordnung ruft und eine Neujustierung der staatstragenden Waage von Rechten und Pflichten wünscht, läuft Gefahr, umgehend von den "Guten und Woken" in die braune Abschaumecke gestellt zu werden. Vorsorglich lerne ich jetzt Latein, um bei Auslegungsschwierigkeiten nicht Deutsch sprechen zu müssen. Oder ich mach es wie die 3 Affen. Schreien, fordern und dann alles vollk..ken. Dann bin ich in der Ecke, wo mich die allseits ach so Verständnsivollen so gerne hin haben wollen.
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
Von Küchenwaagen und anderen Waagen
Die "staatstragende Waage(n) von Rechten und Pflichten" liefert gerade keine Unterscheidung zwischen demokratischen und faschistischen Staatsanhängern. Das gehört zu den Gemeinsamkeiten von Braunen und Nichtbraunen. Beide verklären die Abhängigkeiten, in denen der Normalmensch steckt, zu einer gelungenen Mischpampe von erfreulichen Rechten und leider manchmal unangenehmen Pflichten. Das Recht, zur aktuellen Bundeswehrmacht, oder wie die gerade heißt, gehen zu dürfen, wird ergänzt durch die Wehrpflicht, wenn die Freiwilligen nicht für die Sollstärke reichen. Das Recht, der Staatskasse eine milde Gabe zukommen zu lassen, wird ergänzt durch die Pflicht, Steuern zu zahlen, wenn das Spendenaufkommen für die Staatszwecke nicht ausreicht.
Fritz Kurz
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
Die "Kurze" Mischpampe ist…
Die "Kurze" Mischpampe ist ein Ausrutscher nach dem Vorsatz, das unterstellen, was gar nicht Thema ist. Das kennen wir doch so ähnlich von vielen Kanzeln. Ein Wort, ein Problem aufgreifen, eine Antwort versprechen, um dann mit einem Wortschwall alles "zerdenken und glätten" . Und dann sagen, man hätte geantwortet. Da die Bänke sprachlos sind, wird Zustimmung unterstellt. Auch so funktioniert Glaube. Dabei geht es um die staatstragende Waage von Rechten und Pflichten. Wer, wie die SOZIALLIBERALEN und GUTEN glaubt, dass Rechte (die werden gefordert!) den Pflichten (die werden selten erwähnt und noch weniger gewünscht) meilenweit unterzuordnen sind, der landet schnell bei den Extremen. Die Kurzen sind selten lang.
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
Pflichtbewusstsein
Welche heilige Pflicht haben die GUTEN denn so sträflich vernachlässigt, dass sie jetzt die Bösen sind?
Fritz Kurz
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
FALSCH!
Sie sind nicht die Bösen, sie haben aber mit ihrer Naivität dem Bösen, resp. den Bösen Tür und Tor geöffnet. Sie hätten die Pflicht gehabt zu verhindern, dass die Schwächen nicht die guten Eigenschaften dominieren, damit die von der Natur aus Schwachen nicht deswegen bestraft werden, weil die Schöpfung sie vernachlässigt hat. Und damit das "Recht" des Stärkeren nicht zum Unrecht für den Schwachen wird, muss die Waage von Pflichten und Rechten gut austariert sein. Wer redet denn von den "Guten" von Arbeit, Lernen, Leistung und Pflicht? Geredet und gejammert wird von Rechten, von Selbstverwirklichung und Erfüllung, von Spaß und Fun zu jeder Zeit. Und wem der Stress (wegen der eigenen Unvollkommenheit) zuviel wird, der nimmt sich ein Sabbatical auf Kosten der Gesellschaft.
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
Nicht falsch, sondern goldrichtig!
"Wer redet denn von den "Guten" von Arbeit, Lernen, Leistung und Pflicht?" Die GUTEN, also die Parteien der Ampelkoalition, haben sowohl auf Bundes- wie auch auf Landesebene, die Ressorts inne, die für das gewinnerbringende Schuften in den Betrieben, das Pauken in den Schulen, das Schmoren in den Knästen, die Schießübungen auf den Truppenplätzen, die treuen Beter in den Kirchengemeinden, zuständig sind. Die GUTEN reden also nicht nur von Arbeit, Lernen, Leistung und Pflicht. Sie achten darauf, dass Arbeit, Lernen, Leistung und Pflicht, also der ganze Laden. so läuft, wie er gedacht ist. Bisweilen tun sie das sogar in Koalition mit den wirklich Guten, soll heißen der CDU/CSU und demnächst vielleicht auch mit der AfD. Was gibt es zu meckern?
Fritz Kurz
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
KURZ und bündig, gar nichts…
KURZ und bündig, gar nichts tun, abwarten und hoffen, dass alles mit LINKS funktioniert, weil mit RECHTS alles automatisch verkehrsherum bis zum menschlichen BREXIT fährt. Mit H. Kurz als Verkehrspolizist.
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
Mord in Southport
Vielen Dank, Herr Herber, genau so sehe ich das auch. Seltsamer -oder eher bösartigerweise hatten Polizei und Presse kein Problem damit, genaueste Angaben zu ein paar betrunkenen Studenten auf Sylt zu machen. Die falschen Lieder zu singen ist offenbar eine viel schwerere Straftat als kleine Kinder abzustechen.
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
Auch exemplarisch...
ist der fehlende Aufschrei, wenn die eigene sozialliberale und giftgrüne Wohlfühlgesellschaft im Berliner Parlament über den Mord an einem Polizisten in MA witzelt, nerniedlicht oder gar untergehen lässt. Wenn sich aber ein Polizist in höchster Angst wehrt, kommt von der gläubigen Toleranz der Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit. Soll der Polizist etwa vor der Notwehr die Notfallseelsorge konsultieren?
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
Kriminelle Ausländer?
Es ist sehr beliebt. aus der polizeilichen Kriminalstatistik herauszulesen, dass Flüchtlinge oder Ausländer eine höhere Bereitschaft zur Kriminalität haben als Deutsche. Das ist Humbug. Erzdeutsche männliche Jugendliche vergewaltigen öfters als deutsche Omas das tun. Unter den Ausländern und Flüchtlingen gibt es anteilsmäßig mehr männliche Jugendliche als ältere Damen im Vergleich mit der einheimischen Wohnbevölkerung. Deshalb sind in der Kriminalstatistik die ausländischen Vergewaltiger mit höheren Prozentzahlen vertreten als die deutschen.
Der bekundete Drang sich zu belesen könnte hier Fortschritte machen:
https://www.lecturio.de/mkt/jura-magazin/die-polizeiliche-kriminalstatistik-pks/
Insbesondere IV. Fehlerquellen der PKS, dort 6. Besonderes Problemfeld: Kriminalität Nichtdeutscher
Fritz Kurz
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
Der Schrecken des Glaubens.
An alle GUTEN:
Ist die Pflicht zur Nächstenliebe nicht auch eine Pflicht zur Notwehr für den Anderen? Oder ist das "RECHT" reines Herzens ins Paradies zu kommen und deshalb als totaler Pazifist mit der Toleranz der Intoleranz gegen den Preis der Freiheit, Demokratie, Würde und Menschenrechte sein eigenes Heil zu erwarten, höher einzuschätzen? Damit ich vielleicht in den Himmel kommen, nehme ich in Kauf, dass 100Tausend sterben! Wobei dann diese Heilserwartung nur eine gläubige Annahme ist, der Schrecken aber real. Purer Egoismus! Solange sich die Landeskirche und die EKD nicht davon distanzieren, sind sie und ihr Glaube unglaubwürdig.
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können