Street-Art von Banksy
Da läuft niemand mehr einfach so vorbei
Wer der Künstler Banksy ist, bleibt ein Geheimnis. Aber dank seiner Rentiere kennen nun viele den wohnungslosen Mann Ryan auf der Bank in Birmingham. Was wollte uns der Graffiti-Künstler mit diesem Werk sagen?
A Christmas Greeting from Ryan: ein Banksy in Birgmingham. Graffiti auf der Mauer, auf dem Rentiere die Bank mit einem Obdachlosen zu ziehen scheinen
Banksy: "A Christmas Greeting from Ryan" (2019)
6. Dezember 2019, Vyse Street, Jewellery Quarter, Birmingham, England
Lukas Meyer-BlankenburgPrivat
12.12.2023

Ist das noch Kunst oder schon Sozialkitsch? Das Anliegen von Street-Artist Banksy ­jedenfalls ist berechtigt. Seine Rentiere ziehen nicht den roten Cola-Weihnachtsmann mit überladenem Geschenkeschlitten, sondern schicken sich an, mit dem Obdachlosen Ryan und seiner Parkbank in den Himmel zu galoppieren.

Mit seinem Graffito vom Winter 2019 wollte Banksy auf die besonders in den kalten Monaten schwierige Lage für Obdachlose in Birmingham – vermutlich seine Heimatstadt – aufmerksam machen. Für Menschen ohne Bleibe ändert sich ja nicht viel, egal ob gerade Montag oder Feiertag ist. Der Künstler war laut Selbstaussage auf seinem Insta-­Account begeistert darüber, dass Ryan während des Fotoshootings ungefragt von Passanten unter anderem ein Feuerzeug und etwas zu essen zugesteckt bekam.

Dieser netten Anekdote darf man vermutlich uneingeschränkt Glauben schenken. ­Alles andere rund um Banksy ist – wie beim Weihnachtsmann – ziemlich nebulös. Wer ist Banksy – und, wenn ja: wie viele? Um seine Identität macht der Künstler nach wie vor ein großes Geheimnis. Oder ist Banksy gar eine Sprayerin? Vielleicht auch gleich ein ganzes Kollektiv, das weltweit mit lustigen Bildern (wie den sich küssenden Polizisten), oft aber auch mit sozialkritischer Sprühkunst auf sich aufmerksam macht – sei es als Katzenbildgraffito an einer Ruine im Gazastreifen oder an einer Wand in Kiew, wo ein aufgesprühter russischer Raketenwerfer mit Riesenpenis beladen ist.

Banksy arbeitet mit Schablonen, die er zu Hause entwirft, sie dann auf die Wand setzt und ansprüht. Manchmal sprüht er die Schablo­nen auch auf Papier an. Die Werke werden mittlerweile auf Auktionen für Millionensummen versteigert. Blöd nur, dass der Künstler selbst da nicht so ganz nach den ­Regeln spielt. Sein Werk "Girl with ­Balloon" wurde nach erfolgreicher Versteigerung noch im Rahmen hängend und unter dem Ent­setzen der Anwesenden automatisch geschreddert. Ein Riesencoup, schließlich war "Girl with Balloon" danach noch bekannter.

Während die einen Banksy feiern, weil er das Sprühen zur etablierten Hochkunst gemacht und sich dabei den Schalk bewahrt hat, rümpfen die anderen die Nase: entweder, weil für sie Graffiti immer noch mehr mit Verschandeln als mit Verschönern zu tun haben, oder weil sie Banksy gar nicht für besonders originell und gesellschaftskritisch halten, sondern für mittlerweile ziemlich konventionell und kommerziell. Diesen gespaltenen gesellschaftlichen Umgang mit Banksys Werken haben auch seine Rentiere hier am eigenen Fell erfahren müssen: Schnell nach Entstehen des Sprühwerks übermalten andere das Bild, indem sie den Rentieren rote Nasen auf die Schnauzen setzten. Es ist das szenetypische Schicksal für Mauermalereien dieser Art.

Als klar war, dass es sich um einen echten Banksy handelt, ließ die Stadt allerdings rasch eine Plexiglasscheibe vor das Werk schrauben, um es zu bewahren. Eine Kommune schützt ihre Graffiti – das muss man auch erst mal schaffen. Dieses Verdienst jedenfalls kann man Banksy nicht mehr abschreiben. Ob der Künstler sich dafür feiert? Wer weiß, vielleicht ist er ja der vermeintlich Obdachlose auf der Parkbank, der sich die ganze Streiterei rund um sein Werk mit den Rentieren schließlich von oben anschaut?

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Sagen tut er uns nichts, dafür zeigt er uns was Kunst ist. Was eben viele, die sich (häufig nur sie selbst!) "leichtsinnig" als Künstler bezeichnen, auf keinen Fall sind.