Noch einmal vor die Schranken des Ketzergerichtes. Zehn Monate nach der Verbrennung seines Freundes Jan Hus präsentierten die Ankläger des Konstanzer Konzils im Mai 1416 Hieronymus von Prag der Öffentlichkeit. Der Gelehrte hatte monatelang im Kerker geschmachtet, ohne Licht, bei Wasser und Brot.
Als Hieronymus im Frühjahr 1415 erfahren hatte, dass man seinen Weggenossen Hus entgegen der Zusicherung des freien Geleites in Konstanz verhaftet und als Ketzer angeklagt hatte, brach er unversehens zur Reise in die Konzilsstadt auf. Freunde versuchten erfolglos, ihn davon abzubringen. Als er in der Stadt am Bodensee ankam, warnten ihn Vertraute sofort, ihm drohe ebenfalls die Festnahme. Hieronymus machte sich auf den Rückweg nach Prag. In Hirschau, kurz vor der böhmischen Grenze, ließ der Herzog von Bayern ihn festnehmen und an seine Verfolger in Konstanz ausliefern.
Als der Gelehrte vom Todesurteil gegen Hus erfuhr, versuchte er, das eigene Leben zu retten. Er widerrief sein Bekenntnis zu den Thesen des britischen Theologen John Wyclif und ihrer Ergänzung durch Hus, mit denen sie sich gegen die weltliche Herrschaft der Bischöfe und Priester aufgelehnt hatten. Wyclif und Hus hatten sich für das Abendmahl in beiderlei Gestalt und gegen jede Form von Geschäftemacherei mit Glauben und Religion gewandt. Das Einlenken war erfolglos. Er blieb in Haft.
Im Abendmahl mit Brot und Wein sah er eine Brücke zu neuer Ökumene
Hieronymus war ein genialer Networker, ein Intellektueller, ein glänzender Kommunikator und Redner. Dazu war er ausgesprochen reisefreudig. Nach Abschluss seines Prager Studiums ging er 1399 nach Oxford, wo Wyclif gelehrt hatte, machte sich mit dessen Lehren vertraut und übersetzte seine Schriften. 1403 reiste er nach Jerusalem. In den folgenden Jahren studierte und lehrte er in Paris, Köln, Heidelberg, Buda und Wien. Überall war der geistreiche und witzige Mann rasch beliebt. Hieronymus blieb Laientheologe, ließ sich nicht zum Priester weihen.
Konstanzer Konzil
###drp|UA_SinZ2X_oslZH9FDlLS8wP00104865|i-40||###Mehr zum großen Thema Konstanzer Konzil finden Sie auf unserer Schwerpunktseite: chrismon.de/konstanzer-konzil
Am 26. Mai 1416 hielt Hieronymus in Konstanz seine letzte Rede im Prozess. Unter den Zuhörern war einer der bedeutenden Intellektuellen: Poggio Bracciolini. Der Philosoph und Historiker war als Sekretär des inzwischen gestürzten Papstes Johannes XXIII. zum Konzil gereist.
"Doch er beharrte auf seiner Meinung und schien sich das Todesurteil zu wünschen"
Arbeitslos geworden, verbrachte er nun seine Zeit hauptsächlich damit, in deutschen Klöstern nach alten Handschriften zu suchen. Den Auftritt des Angeklagten beschrieb Bracciolini in einem Brief. Hieronymus habe seine Rede mit einer Aufzählung von „hervorragenden Männern“ eingeleitet, die – wie er – „erdulden mussten, was sie mit ihren Tugenden nicht verdient hatten“. Der Redner begann mit Sokrates und kam schließlich auf Johannes den Täufer „und auf den Heiland zu sprechen, von denen jeder wusste, dass sie aufgrund von Fehlurteilen verdammt worden seien“.
Schlimm sei es, wenn Priester einen Christen wider alles Recht verdammten. „Am schlimmsten aber sei es, wenn ein ganzes Konzil von Priestern eine solche Verdammung vornehme“, wie dies Jan Hus geschehen sei. Der Streit um die Wahrheit des Glaubens sei kein Verbrechen, sondern die Aufgabe von Gläubigen. So seien auch die Kirchenväter Augustinus und sein Namenspatron Hieronymus nicht nur verschiedener, „sondern gegensätzlicher Meinung gewesen, doch ohne dass man sie deswegen der Häresie verdächtigt hätte“.
Bracciolini schließt: „Die Zuhörer waren von Schmerz ergriffen, denn sie hätten den edlen Mann gerne geschont, wäre er nur einsichtig gewesen. Doch er beharrte auf seiner Meinung und schien sich das Todesurteil zu wünschen.“ Vier Tage später, am 30. Mai 1416, starb Hieronymus wie sein Freund Hus im Feuer.