Dokumentation "Schwarze Adler"
"Die Profis sind kosmopolitischer als die Gesellschaft"
Wie geht es Schwarzen Nationalspielern in betont weißen Trikots? Darüber machte Torsten Körner einen Film, der traurige Aktualiät erhält: In einer Umfrage will jeder Fünfte mehr "weiße" Nationalspieler
Film Schwarzer Adler - Robert Geisendörfer Preis
Eric Cantona, in den 90ern bei Manchester United, rastete bei rassistischen Bemerkungen aus
Broadview Pictures
Tim Wegner
Aktualisiert am 03.06.2024
6Min

chrismon: Wissen Sie noch, wann Sie zum ­ers­ten Mal ein Fußballspiel in einem Stadion gesehen haben?

Torsten Körner: Es müsste 1977 gewesen sein, im alten Gelsenkirchener Parkstadion, einer zugigen Betonschüssel. Deutschland spielte gegen die Türkei, ein Länderspiel.

War damals im Parkstadion ein Schwarzer Spieler für die deutsche Nationalelf dabei?

Nein, 1974 war Erwin Kostedde der erste. Aber bei diesem Spiel stand kein Schwarzer Spieler im Kader.

War die Hautfarbe der Spieler für Sie als jugendlicher Fan ein Thema?

Nein. In späteren Jahren habe ich natürlich registriert, dass es rassistische Vorfälle in der Bundesliga gab, aber mir kam nicht der Gedanke, darüber einen Film zu machen. Während der Recherchen und der Dreharbeiten zu "Schwarze Adler" ist mir klar geworden, dass ich den Fußball als Kind und Jugendlicher als weiß gedacht und erlebt habe. Die ersten ­Schwarzen Spieler habe ich als exotisch wahrgenommen. Im besten Falle habe ich das nicht als Problem, sondern als Bereicherung empfunden. Die ini­tiale Zündung für den Film kam viel später, erst vor wenigen Jahren, als ich eine Waschmittelpackung im Supermarkt betrachtet habe.

Was ging Ihnen durch den Kopf?

Ich habe einen großen Hünen auf der Packung gesehen. Ich spitze es sicher zu, wenn ich sage: Der hat ein typisch deutsches, nahezu "arisches" Aus­sehen, eine Mischung aus Per Mertesacker und Manuel Neuer, im Hintergrund nur weiße Spieler. Ich fragte mich: Wo ist hier Diversität abgebildet? Warum können keine Schwarzen Spieler auf dem Karton auftauchen, obwohl der Hersteller doch damit wirbt, das Waschmittel der Nationalmannschaft zu sein? Der Bundesadler auf dem Karton war schwarz – aber Schwarze Spieler sollten offenbar nicht auftauchen. Dieses Weißversprechen wird als Glücksversprechen inszeniert. Die Wäsche wird weiß. Das Trikot der Nationalmannschaft war und ist auch weiß. Und weiß war lange auch ein Identitätsversprechen für die Fans. Der Waschmittelhersteller verspricht Reinheit, Sauberkeit für das weiße Trikot. Das waren meine Gedanken.

Und daraus wurde ein Film?

Ich dachte damals: Erzähl doch mal die Geschichte der Schwarzen deutschen Spielerinnen und Spieler. Denn wenn es dieses weiße Glücksversprechen gibt, muss es für Schwarze Fußballerinnen und Fußballer sehr schwierig sein, einen Platz in unserer Heldengalerie zu finden. Die ­Kamera fährt vor Länderspielen während der Hymnen immer an den Spielern vorbei, und wenn man sich die Welt­meistermannschaften von 1954, 1974 und 1990 vor Augen hält, dann sind das alles weiße Helden. Von heute aus betrachtet sind das richtig seltsame Homogenitäten. Heute sind die Teams divers, nicht nur weiß.

Lesen Sie hier, was der Publizist Michel Friedman über die menschenverachtenden Ideologie der AfD sagt

Sie haben in Archiven jahrzehntealte Aufnahmen gesichtet. Man sieht ­einen Reporter, der eine Frau interviewt. Sie hält ihr Kind im Arm, der Vater war ein Schwarzer US-Soldat. Und der Reporter fragt: "Wollen Sie das Kind nicht weggeben?" Warum haben Sie solche Szenen eingebaut?

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Infobox

Die Dokumentation "Schwarze Adler" können Sie in der Mediathek der Bundeszentrale für politische Bildung anschauen. Klicken Sie dafür bitte hier.

Der Robert Geisendörfer Preis ist der Medienpreis der evangelischen Kirche für Hörfunk und Fernsehen. In diesem Jahr werden insgesamt acht Produktionen prämiert; die Preisverleihung findet am Dienstag, 20 September in Leipzig statt. Alle Informationen zum Preis und zu weiteren ausgezeichneten Produktionen in den Bereichen Hörfunk, Fernsehen, Online Kindermedien sowie zum Sonderpreis der Jury 2022 unter www.geisendoerferpreis.de

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Was für eine fundamentale Erkenntnis. Nur noch vergleichbar mit: "Wer nur auf dem Dorf lebt, hat die Welt noch nicht gesehen",

Falsch lieber Mitschreiber!
Es geht um Profisportler, die häufig auch eine "übergeordnete Sicht" haben sollten. Sind sie doch auf Team und Gegner angewiesen. Ihr Zitat bedarf einer Ergänzung:
"Wer nur sich sieht, hat Andere noch nicht gesehen". Zwar auch banal, aber deswegen nicht falscher.