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Das junge Paar war sichtlich bemüht, beim Traugespräch alles richtig zu machen. Schnell kamen die beiden zukünftigen Ehepartner mit dem Pfarrer ins Gespräch. Über den gemeinsamen Weg, über den Entschluss zu heiraten. Und das auch in der Kirche zu tun. Irgendwann fragte der Pfarrer: "Beten Sie?" Zuerst schwiegen die beiden. Dann gaben sie zu: Beide beten. Regelmäßig. Sie hatten es einander nie gesagt. Sie haben viel über Sexualität gesprochen. Aber sich zu erzählen, dass sie beten, dafür war die Scham offenbar zu groß.
Heinrich Bedford-Strohm
Ja, es gibt so etwas wie eine religiöse Scham. Frömmigkeit ist für viele etwas sehr Intimes. Sie vor sich herzutragen, ist daneben. Sie muss aber auch nicht verheimlicht werden. Es lohnt sich, neu zu entdecken, was wir "Frömmigkeit" nennen, also in der Stille Gott nachzuspüren, mit ihm im Gespräch zu sein, sich von ihm etwas sagen zu lassen, alte und neue Texte, die von Gott reden, im Herzen zu bewegen, mit anderen zusammen Gottesdienst zu feiern. Aus vielen Gesprächen weiß ich, dass sich viele Menschen wünschen, dankbar und zuversichtlich leben zu können. Dankbar zu werden, das kann man sich zwar vornehmen. In die Tiefe der eigenen Seele findet es durch den Vorsatz allein aber noch nicht Eingang.
Worte aus der Bibel leihen
Das Beten hat da mehr Kraft, denn es berührt uns in den Tiefen unserer Existenz. Und wo wir keine eigenen Worte finden, können wir uns Worte leihen, mit denen andere vor uns tiefe Erfahrungen gemacht haben. Die Psalmen in der Bibel sind solche Worte. "Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat." Wer diese Worte aus Psalm 103 regelmäßig liest, ihnen nachspürt und sie weiterdenkt, wird merken, wie sie in die Seele einsickern und sich neue Quellen der Dankbarkeit, der Lebensfreude und der Zuversicht für das eigene Leben und für die Welt als Ganze öffnen.
Oder die berühmten Worte aus Psalm 23, die viele aus dem Konfirmandenunterricht kennen: "Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser." In einem Land, in dem viele mit den notwendigen Gütern zum Leben vergleichsweise reich gesegnet sind, aber trotzdem das Gefühl haben, es reicht nicht, helfen diese Worte, genau hinzusehen und das wertzuschätzen, was da ist.
Auch das Vergeben fällt dann leichter
Die Glücksforscher sagen uns, wie wichtig es ist, vergeben zu lernen. Viele Beziehungen könnten noch bestehen, wenn nicht nur unser Verstand, sondern auch das Herz das begreifen würde. Das Vaterunser, das Jesus seinen Jüngern in der Bergpredigt mit auf den Weg gibt, hilft uns dabei: "Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern." Wer das regelmäßig und aus ganzem Herzen betet, der öffnet sich für die Kraft der Vergebung.
Jeder und jede muss für sich selbst entscheiden, wie er oder sie die Frömmigkeit im Alltag lebt. Es kann das Tischgebet oder das Morgen- und Abendgebet sein. Es kann der Vers aus dem Herrnhuter Losungsbüchlein sein, mit dem wir den Tag beginnen oder der beim ersten Starten des Computers auf dem Bildschirm erscheint. Es kann die einstündige Meditation sein oder die tägliche Bibellektüre. Das alles kann im Gottesdienst gemeinsam mit anderen geschehen oder allein im eigenen Zimmer zu Hause. Oder in einer offenen Kirche, in der wir spontan eine kleine Auszeit nehmen. Sich darauf einzulassen, ist kein Glücksrezept. Aber Beten hat das Potenzial, zum Türöffner für ein erfülltes Leben zu werden.
Beten
Bischof Bedford-Strohm: "Regelmäßig zu beten kann helfen"
Wenn der/die "Einzelne" betet, mag es ihm/ihr eine Befriedigung bringen. Aber es bleibt eine von vielen Illusionen unseres "Zusammenlebens", denn das Gebet ist erst in der Konzentration/Fusion der Masse auf die Kraft des Geistes wirksam/hilfreich. Hierzu empfehle ich über Matthäus 21,18-22 nachzudenken.
Wir sind alle im SELBEN Maße "durchströmt" vom Geist der Gott/Gemeinschaft/Mensch ist.
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