- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
Neulich legte ein Computervirus mehrere Stadtverwaltungen lahm. Böse Sache. Böse Menschen, die damit Geld erpressen. Man könne nicht viel dagegen tun, sagte der Cybercrime-Experte des Landeskriminalamtes. Außer: "Die Awareness erhöhen."
Übersetzt in mein Deutsch: Der Polizist findet, wir alle müssen besser aufpassen. Keine Mail öffnen, deren Absender seltsam aussieht. Ja, aufpassen ist gut, und nicht nur im Kontakt zwischen mir und meinem Computer. Wir alle könnten uns vornehmen, aufmerksamer zu sein – und das schreibt eine, die zur Schusseligkeit neigt. Ich bin leider oft zerstreut.
Ursula Ott
Einen Hackerangriff habe ich noch nicht ausgelöst. Aber einen Beinahe-Alarm. Ich werde nie vergessen, wie ich bei einer Eigentümerversammlung aus Versehen ein Messer statt eines Kugelschreibers auf den Tisch legte. Ich hatte nachmittags einen Kindergeburtstag mit Torte hinter mich gebracht, Multitasking ist nix für Schussel.
Inzwischen bin ich weniger mit Kleinkindern, mehr mit älteren Menschen unterwegs. Und die passen ganz schön gut aufeinander auf, kannste was von lernen. Meine 89-jährige Mutter geht einmal im Monat zu einem Spieleabend der Kirchengemeinde. Neulich stand eine Mitspielerin vor ihrer Tür: Sie sei zweimal nicht da gewesen – alles okay? Es stellte sich heraus, meine Mutter hatte schlicht den Termin verschwitzt. Jetzt gehen sie immer gemeinsam los. Die jüngere Frau passt auf, dass Mama wirklich mitkommt – und dass sie bei "Hase und Igel" genügend Karottenkarten hortet.
Weniger aufs Handy gucken, auch mal einer Fußgängerin mit Krücken ausweichen
Meine Mutter wiederum fand neulich einen älteren Herrn bei ihr im Betreuten Wohnen, er saß verwirrt auf den Stufen, die Briefe mit Traueranzeigen um sich herum verstreut. Sie erinnerte sich: Die Todesanzeige seiner Frau hing kürzlich im Aufzug. Sie überlegte, wer jetzt für ihn zuständig sein könnte. Hausverwaltung? Notarzt? Und fand dann: erst mal sie selbst. Sie brachte ihn in seine Wohnung.
Also: besser aufpassen. Weniger aufs Handy gucken, auch mal einer Fußgängerin mit Krücken ausweichen. In Ruhe morgens die Tasche packen. Und im Gespräch "nah dranbleiben an dem, was den anderen umtreibt" – das sagt Friedemann Schulz von Thun, der Altmeister der Gesprächsführung. Meine Kollegin Anne Buhrfeind hat ihn interviewt, und ich habe viel darüber gelernt, wie man ein aufmerksames, gutes Gespräch führt. "Ein echter Schulz von Thun" ist in meiner Familie übrigens ein geflügeltes Wort, beide Kinder paukten sein Kommunikationsquadrat fürs Abitur. Ich fürchte, sie könnten es nicht mehr aufmalen – aber die Grundidee ist in unseren Hirnen hängen geblieben: Die Wahrheit beginnt zu zweit.
Liebe Frau Ott.
Liebe Frau Ott.
Ich mal wieder. Unter vielem anderen bin ich auch genau deshalb chrismon-Fan:
Weil Sie und andere die Gefahr des Aussterbens des kritischen und investigativen Journalismus benennen, thematisieren. Und weil Sie auf derselben Doppelseite (12,13) und auf allen anderen Seiten genau für diese immer seltener werdende Form des guten Journalismus glänzende Beispiele geben.
Aufpassen. Awareness. Empathische Aufmerksamkeit. Achtsamkeit. Ehrlichkeit.
Was kann ich, außer in meinem persönlichen Leben, dafür tun, dass diese und andere für die Zukunft bedeutsame Attribute lebendige Wirklichkeit bleiben oder wieder werden?
Hans Dieter Hüsch prägte den Begriff "Ansteckende Gesundheit" . Vielleicht wäre das was zu Transportierendes.
Ich freue mich schon jetzt auf die nächste chrismon und wünsche Ihnen beruflich und privat nur das Allerbeste.
Ihr Armin Kröning.
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können