Die Entscheidung - Friedrich Fröbel
Die Entscheidung - Friedrich Fröbel
Marco Wagner
"Lasst uns mit den Kindern leben"
Friedrich Fröbel ist der Erfinder des Kindergartens. Er war ein radikaler Verfechter einer ganzheitlichen Erziehung. Im thüringischen Bad Blankeburg steht sein Museum
Tim Wegner
Privat
30.08.2017

 Die Sonne knallt auf den menschenleeren Marktplatz von Bad Blankenburg, einer Kleinstadt inmitten des Thüringer Waldes. Plötzlich ertönt fremdländisches Stimmengewirr, eine bunte Truppe japanischer Frauen biegt um die Ecke. Zielstrebig steuert sie ein rotes, etwas höher am Hang gelegenes Haus an: das Friedrich-Fröbel-Museum. Am Eingang wartet schon Direktorin Margitta Rockstein. Eine japanische Reisegruppe, hier im Herzen Thüringens? „Natürlich haben wir mehr Gäste aus Deutschland, aber gerade die japanischen Erzieherinnen lieben Friedrich Fröbel.“

Friedrich Fröbel, geboren 1782 in Oberweißbach in Thüringen als jüngstes von sechs Kindern, gestorben 1852, war ein leidenschaftlicher Pädagoge. Er studierte Naturwissenschaften, arbeitete als Schul- und Hauslehrer in Deutschland und in der Schweiz bei seinem großen Vorbild, dem Reformpädagogen Johann Heinrich Pestalozzi. Fröbel kehrte nach Deutschland zurück und konzentrierte sich im Laufe der Jahre mehr und mehr auf das Kleinkind. Erziehung verstand er als Einwirkung auf die natürliche Entwicklung eines Kindes. In Blankenburg, im Haus, in dem sich heute das Museum befindet, gründete er 1839 eine „Spiel- und Beschäftigungsanstalt“ für Kinder im Vorschulalter.

„Das Greifen kommt vor dem Begreifen“

57 Jahre ist er alt und spaziert durch die Thüringer Berge. Im Tal erblickt er eine Gruppe spielender Kinder und hat eine „Offenbarung“. „Garten = ­Paradies, also Kindergarten“, schreibt er an seine Frau: Es gilt, den Kindern das verlorene Paradies zurückzugeben. Wenige Wochen später, im Juni 1840, erlebt Blankenburg die Gründungsveranstaltung des „Allgemeinen Deutschen Kindergartens“.

Im Museum zeigt Margitta Rockstein jetzt den japanischen Erzieherinnen Holzquader und Kugeln, Legetafeln und – für den Säugling – weiche, ­bunte Bälle in Regenbogenfarben. „Das Greifen kommt vor dem Be­greifen“, schrieb Friedrich Fröbel. ­Jedes Kind bekam bei ihm ein eigenes kleines Beet im Garten – „begriff“ so die Wunder der Natur. Fröbel selbst hatte unter einer herzlosen Stiefmutter und einem brutal strengen Pas­torenvater gelitten. Er wurde geschlagen, Bücher waren verboten. Mit zehn Jahren nahm ihn ein Onkel bei sich auf, ­dort konnte er mit Gleichaltrigen spielen und lebte auf. Freies Spielen im Kleinkindalter, dazu die lebenslange Bildung – was ihm selbst verwehrt blieb, das wurde später zum Kern seiner Pädagogik.

Tim Wegner

Dorothea Heintze

Dorothea Heintze kennt den Namen Friedrich Fröbel seit ihrer Kindheit: Ihre Mutter war Kindergärtnerin, hatte im Friedrich-Fröbel-Seminar in Berlin gelernt und immer viel davon erzählt. Kleine Kinder frei spielen zu lassen - das war ihr lebenslang wichtigster Erziehungsgrundsatz.

„Spielgaben“ nannte der Erfinder des Kindergartens seine simplen Holzklötze, die in ihrer klaren Formgebung sowohl die Kubisten wie auch die Architekten des Bauhauses inspirierten. Mit wenigen Griffen baut ­Margitta Rockstein aus einer Handvoll Klötze eine Kirche, eine Autobahn. Die japanischen Gäste notieren eifrig: In ihrer Heimat ist der Name Fröbel ebenso bekannt wie der anderer Reformpädagogen: Maria Montessori, Rudolf Steiner oder Pestalozzi. In Deutschland kennt man Fröbel meist nur in Fachkreisen. Seine Päda­gogik sei einfach zu anspruchsvoll, sagt Margitta Rockstein, die in der DDR große Kindergärten leitete.

Fröbel wollte das ganze Kind, mit seiner ganzen Begabung, heute dagegen „kauft man lieber Einzelleistungen“ wie Sprachunterricht oder Musikförderung. Friedrich Fröbel dachte vieles an, was heute noch diskutiert wird. Eine wissenschaftliche Ausbildung für Erzieher? Selbstverständlich. 1842 gründete er die erste deutsche Berufsbildungseinrichtung für Frauen. Wohlstandsverwahrlosung?

Linkisch und unbeholfen seien auch „höhere Kinder“, schrieb er. Männer in der Erziehungsverantwortung? „Väter!“, rief er aus, „lasst uns von unseren Kindern lernen.“ Und sein Schulbegriff klingt immer noch zeitgemäß: „Denn wohl ist die Schule das Höchste, aber nur wenn sie Leben ist.“

 

Infobox

Das Fröbel-Museum in Bad Blankenburg präsentiert Leben und Werk des Pädagogen und veranstaltet Seminare zu Kindergartenpädagogik. ­Be­sucher aus aller Welt lernen hier von Friedrich Fröbel: „Kinder sollen nicht bewahrt und nicht belehrt werden. Sondern glücklich sollen sie im Sonnenlicht wachsen, ­erstarken und sich entwickeln.“ In ganz Thüringen gibt es mehrere Fröbel-Gedenkstätten und verbindende Wanderwege. Unter dem Titel Fröbeldekade finden sich viele Angebote: Touristische Ziele in Thüringen ebenso wie Überblicke über Fröbel-Einrichtungen im ganzen Land.

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Ich hoffe, dass Pfarrer Oberlin aus dem Elsaß nicht vergessen wird. Im heutigen Pfarrhaus ist ein kleines Museum mit den Spielzeugen und Lernmitteln aus seinem Kindergarten - lange vor Fröbel. https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Friedrich_Oberlin

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Sehr geehrte Frau Heintze,

ich ging ab Herbst 1945 auf die Fröbelschule Bielefeld, Fröbelstraße 7.

Die habe ich gar nicht so in Erinnerung, wie es Ihr Aufsatz nahelegen würde.

Kinder mit wohlhabenden Eltern (die Wurst, Eingemachtes und Wolle einbringen konnten) waren im Vorteil. Wenn nicht ein Wunder geschehen wäre, hätte ich nie zur Helmholtzschule (Gymnasium, vorm. Oberrealschule) wechseln dürfen. Ich saß schon mit mäßigen Noten in der 5. Klasse, als Studienräte des Gymnasiums einen 2-tägigen Probeunterricht veranstalteten. Auf Sexta war ich dann gleich 3. von 50 Schülern und habe 9 glückliche Jahre dort verbracht!

Ich kann nur hoffen, dass sich die Fröbelschule Bielefeld später wieder auf Fröbel besonnen hat.

mit freundlichen Grüßen,

Gerhard Schroeder, Flensburg.

Sehr geehrter Herr Schröder,

danke für Ihre Mail - wir freuen uns immer über Rückmeldungen unserer Leser. Zu der Schule kann ich natürlich nicht wirklich was sagen, aber ich weiß aus den Recherchen: Viele Kindergärten, und wie ich jetzt von Ihnen weiß, auch Schulen, nennen sich nach Fröbel - aber das heißt dann noch lange nicht, dass sie wirklich nach seiner Pädagogik arbeiten....

In diesem Sinne danke für Ihre Meinung.

Bester Gruß,

Dorothea Heintze