Sandra Stein
Die haben zehn Kinder!
Trotzdem arbeiten die Generalanwältin, die Juristin und die Journalistin – und zwar gern! Ein Gespräch über Job, Familie und richtige Männer
Tim Wegner
Tim Wegner
Sandra SteinPrivat
21.08.2015

Können Sie sich daran erinnern, dass ein Kind laufen lernte oder Fieber hatte – und Sie waren bei der Arbeit?

Lisa Ortgies: Ja! Ich war in Hamburg und musste nach Köln zum WDR. Als ich meine Tochter weckte, hatte sie einen geschwolle­nen Fuß und jammerte. Es war sonst niemand zu Hause. In die Kita konnte sie nicht, also bin ich mit dem Taxi losgerast, habe sie bei unserem Kindermädchen abgegeben und bin danach zum Flieger. Das Kindermädchen war überfordert, meine Tochter war überfordert, ich war überfordert. Bis heute frage ich mich: Wieso bin ich nicht bei ihr geblieben? Was für ein Wahnsinn...

Ioanna Dervisopoulos: So ein Drama hatte ich zum Glück noch nicht. Aber wenn ich meinen Sohn in den Kindergarten bringe und er fragt: "Mama, kannst du mich wieder mitnehmen?" – dann kommen mir manchmal Zweifel: Ist es gut, was ich hier mache? Wäre Teilzeit besser als Vollzeit?

Juliane Kokott: Irgendwas geht bei uns immer schief. Gestern wurde zum x-ten Mal die Tennisstunde vergessen. Oder das falsche Kind wird zum Arzt gebracht (Gelächter). Aber ein ­richtiges Drama habe ich, Gott sei dank, auch noch nie erlebt. Wohl aber traurige Erlebnisse. Dass ich bei der Einschulung fehle. Oder bei der ersten Cellostunde.

Wie fühlen Sie sich dann?

Kokott: Bei einer Tochter fielen Einschulung und Geburtstag auf einen Tag. Dass ich nicht bei ihr sein konnte, tat mir sehr leid. Aber sie hat es gut überstanden. Sie hat ja auch ihre Geschwister, meinen Mann und die Großeltern. Meistens habe ich so viel zu tun, dass ich gar nicht weiter darüber nachdenken kann.

Machen Ihre Kinder Ihnen Vorwürfe?

Kokott: Für unsere Jungs ist es ganz klar, dass die Eltern einen anspruchsvollen Beruf haben. Die Mädchen hatten auch Phasen, in denen sie sagten: "Ich möchte, dass du mich zum Schwimmen bringst, Mama!" Es gibt diese Conni-Bücher, und Conni hat diese fantastische Mutter, die immer nur genau dann arbeitet, wenn Conni zur Schule geht. Meine Älteste hatte mal die Idee, ich solle das doch einfach wie Connis Mutter machen. Aber nun sind auch sie stolz, dass ich anders als Connis Mutter bin.

Dürfen Ihre Kinder Sie im Büro anrufen?

Kokott: Ja, aber sie wissen, dass das nicht immer geht. Sie melden sich eher nur, wenn es etwas Dringendes gibt. Oder nach Feier­abend. Außerdem haben sie ihr eigenes Leben. Bei uns im Haus lag neulich ein Zeitungsbeitrag herum, der davon handelte, dass arbeitende Eltern den Kindern fehlen. Einer meiner Söhne notierte an den Rand: "Die Kinder haben selbst oft Wichtigeres zu tun!"

"Für viele Familien ist es ein finanzieller Zwang, dass beide Eltern arbeiten" (Dervisopoulos)

Ortgies: Mein Handy ist oft ausgeschaltet. Genau dann passiert irgendwas. Und das sind so Momente, über die sich Eltern unter­einander viel mehr austauschen sollten. Es gibt die Tendenz, ­Probleme zu individualisieren: Wenn ich es nicht schaffe, Kinder und Job zu "managen", dann habe ich als Mutter versagt. Niemand fragt, ob vielleicht am System was nicht stimmt. Am Druck, an der ständigen Verfügbarkeit. Ich habe mit vielen Eltern geredet. Wir schaffen es alle nicht, Beruf und Familie so zu vereinbaren, dass wir zufrieden sind. Jetzt gründen wir ein Internetportal, um Familien zu porträtieren. Wie organisieren sie sich? Wo stoßen sie an Grenzen? Im besten Fall vernetzen die Familien sich.

Juliane Kokott

###drp|qPbLxyRQOfO2KN7NYQL7ojZ000113805|i-36||###Juliane Kokott, Jahrgang 1957, hat sechs Kinder und ist seit Oktober 2003 ­Generalanwältin am Gerichtshof der Europäischen Union: Die ­promovierte und habilitierte Juristin unterstützt die Richter des ­Europäischen Gerichtshofs mit Rechtsgutachten bei ihrer Ent­scheidungsfindung. In den meisten Fällen folgt das Gericht den ­Expertisen der neun Generalanwälte.

Dervisopoulos: Vorbilder sind wichtig. Ich denke an Frau Kokott, wenn ich Sorge habe, dass meinen Kindern etwas fehlt. Sie hat es mit sechs Kindern geschafft! So ein Portal kann helfen, auf krea­tive Lösungen zu kommen. Fahrgemeinschaften mit den Nachbarn zu bilden, ist eine ganz banale Sache – aber Eltern denken vielleicht einfach nicht daran. Mir ist es zu negativ zu sagen, dass Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht funktioniert. Für viele Familien ist es ein finanzieller Zwang, dass beide Eltern arbeiten.

Kokott: Und ich finde es schade, wenn Kinder nur unter der Überschrift "Leiden und Stress" laufen. Man muss auch die Freude ­sehen. Ich bin derzeit schon etwas geschlaucht. Aber Kinder geben auch viel Kraft, weil man mit ihnen sehr schnell abschalten kann. Als ich noch vier Kinder hatte, sagte ein Schweizer Bundesrichter zu mir: "Sie haben es gut, Sie tanken am Wochenende zu Hause auf." Er hatte Recht! Nur diesen ganzen Haushalt – den finde ich sehr zeitaufwendig. Den müsste man outsourcen können.

Wie machen Sie den Haushalt?

Kokott: Unperfekt! Wir wurschteln uns ohne Haushälterin durch.

Sie kaufen am Wochenende für acht Leute ein?

Kokott: Das macht zum Glück mein Mann. Toll ist: Meine Kinder helfen mit, und je älter sie werden, desto mehr Aufgaben über­nehmen sie. Der Älteste ist 27, er organisiert vieles. Manchmal kommen Studentinnen, mal kommt die Oma, um auf den Jüngsten aufzupassen. Es braucht eine Koordinierungsstelle. Ich versuche das aus der Ferne, aber wenn der Älteste da ist, klappt es besser.

Ortgies: Familie ist klasse, und so ein Zusammenhalt, wie Sie ihn beschreiben, ist ein Glück! Es ist schade, dass sich immer mehr Menschen gegen Kinder entscheiden, weil sie den Stress der Eltern sehen. Oder es bleibt bei einem Kind, auf das alle Hoffnungen, aber auch Zukunftsängste projiziert werden.

"Europäische Kolleginnen schauen eher verwundert, wenn eine Mutter pausiert" (Dervisopoulos)

Frau Kokott, welche Klage wünschen Sie sich herbei, damit ­ Sie Richtern eine Empfehlung schreiben können, wie Familien es leichter haben?

Kokott: Das würde bedeuten, ich hätte ein politisches Konzept, das ich durchsetzen will.

Dervisopoulos: Und dann kommt der spannende Fall, und Sie dürfen nicht, weil . . .

Lisa Ortgies

###drp|HriK38B6WETJR3ZYlrdp_efw00113808|i-36||###Lisa Ortgies, geboren 1966, hat zwei Kinder und ist Journalistin, Kolumnistin und Buchautorin. Seit 1997 moderiert sie die WDR-Sendung „frauTV“. Im April 2008 gab Emma-Chefredakteurin Alice Schwarzer ihre ­Position an Ortgies ab, nach zwei Monaten verließ sie die Zeitschrift wieder. Sie lebt in Hamburg.

Kokott: . . . ich befangen wäre! Mich haben Urteile des Bundesverfassungsgerichtes aufgeregt, in denen es um die steuerliche Absetzbarkeit von Haushaltshilfen ging. In der begleitenden ­politischen Debatte fiel der Begriff "Dienstmädchenprivileg". Das finde ich despektierlich gegenüber jeder Frau, die anderen hilft –, und gegenüber jeder Mutter, die auch "Dienstmädchenarbeit" macht. Im Urteil stand sinngemäß, es sei nicht auszuschließen, dass ein sogenanntes Dienstmädchen sich nicht nur exklusiv um die Kinder kümmere, sondern nebenbei auch noch Hausarbeit mache, die Eltern doch locker in ihrer Freizeit erledigen könnten. Das fand ich daneben. So ein Haushalt mit sechs Kindern ist sehr belastend, da hätten Familien Hilfe verdient.

Haben Eltern es in anderen Ländern leichter?

Kokott: In anderen Ländern kommen die Kinder einfach und ­laufen so mit. Bei uns sind Kinder ein Problem oder wenigstens ein Projekt, für das man viel Zeit haben muss. Und wenn man keine Zeit hat, kommt das schlechte Gewissen. 

Haben Sie eine Erklärung dafür?

Ortgies: Das hatte mit der DDR zu tun. Die Krippenbetreuung dort war verdächtig. Die Kinder würden dort indoktriniert, hieß es. Die Bundesrepublik wollte ein Gegenbild: Das Kind soll zur Mutter! Ein anderer Grund war: Der Kapitalismus brauchte die Männer auf dem Arbeitsmarkt. Also hatte die Frau den Männern den Rücken freizuhalten. Diese Arbeitsteilung hallt bis heute in Form des Ehegattensplittings nach.

Aber jetzt werden Frauen auf dem Arbeitsmarkt gebraucht!

Ortgies: Und auf einmal geht es nur noch um Betreuung. Als könnte eine flächendeckende Versorgung mit Krippenplätzen ­jedes Problem lösen. Und die Qualität? Babys brauchen eine Bezugsperson. Bei Kindern unter einem Jahr sollte eine Erziehungskraft für maximal zwei Kinder zuständig sein. Aber welche Krippe bietet das? Nur private! Und wer kann die bezahlen?

Dervisopoulos: Die Rahmenbedingungen in Deutschland sind seit dem Elterngeld und dem Krippenausbau nicht mehr anders als in den Nachbarländern. Die Qualität in den Krippen sollte hervorragend sein, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Unserer Gesellschaft sollten gute Kitas und ein guter Betreuungsschlüssel etwas wert sein. Aber unabhängig von den Rahmenbedingungen habe ich erlebt, dass europäische Kolleginnen es auch nicht so schwernehmen. Sie schauen eher verwundert, wenn eine Mutter ein Jahr pausiert. Das ist eine Mentalitätsfrage.

Wie würden Sie Ihr Modell beschreiben, Frau Dervisopoulos?

Dervisopoulos: Ein Modell habe ich mir nie überlegt. Ich hatte hier eine wunderbare Stelle und habe deshalb nach der Geburt meines ersten Sohnes vor fünf Jahren direkt nach dem viermonatigen Mutterschutz wieder angefangen zu arbeiten. In der Schwangerschaft sagte die Hebamme: "Lass das sein, das klappt nicht, das tut dir nicht gut!" Als die Zeit gekommen war, hatte ich ein flaues Gefühl, aber mein Mann hatte ein halbes Jahr Elternzeit genommen und war mit in Luxemburg. Nach der Geburt unseres zweiten Sohnes habe ich ein Jahr Elternzeit genommen, weil zusätzlich meine Mutter erkrankt war und Hilfe brauchte.

Ortgies: Wir hatten neben der Krippe auch immer eine Kinderfrau. Ich hatte auch keine andere Wahl, sonst wäre ich als freie Mitarbeiterin draußen gewesen. Die Krippe – so wie sie damals organisiert war – würde ich heute nicht mehr wählen.

"Es ist eine wunderbare Idee, früher Kinder zu kriegen. Aber..." (Ortgies)

Dervisopoulos: Warum?

Ioanna Dervisopoulos

###drp|ur5LbLlbNTWhpjYwv87Us2Rn00113807|i-36||###Ioanna Dervisopoulos, geboren 1975, hat zwei Kinder und ist Juristin. Von 2006 bis 2014 war sie Rechtsreferentin im Kabinett der General­anwältin Juliane Kokott am Gerichtshof der Europäischen Union. 2014 wechselte sie in die Rechtsabteilung von EUMETSAT, der Europäischen Organisation für die Nutzung von Wettersatelliten, mit Sitz in Darmstadt.

Ortgies: Es gab einen Betreuungsschlüssel von eins zu elf und altersgemischte Gruppen mit Kindern zwischen eins und sechs. Für Erzieher ist das eine Katastrophe. Wenn die mit dem Windel­wechseln fertig sind, müssen sie mit dem Füttern anfangen. Es bleibt faktisch keine Zeit, um sich mit den Kindern intensiv zu beschäftigen. Und dann müssen sie noch alles dokumentieren. Der Effizienzwahn der Arbeitswelt reicht ja bis in die Kitas und Grundschulen hinein.

Kokott: Ein gutes Modell wäre, die Kinder früher zu bekommen, zwischen 20 und 30. Ich wurde während der Habilitation Mutter, da ließ sich die Arbeit wunderbar einteilen.

Der Trend ist, dass Frauen immer später Mutter werden.

Kokott: Und durch diesen Trend kommen auch nicht so viele ­Kinder. Aus beruflichen Erwägungen wäre es gut, jünger anzufangen. Später kann man immer noch überlegen, noch mehr Kinder zu bekommen.

Dervisopoulos: Rückblickend überzeugt mich das. Ich hatte nie mehr so viel Zeit wie während des Studiums. Wenn wir uns so lange Zeit lassen mit dem Kinderkriegen, kommen Kinder in einem Lebensalter, in dem auch die eigenen Eltern vielleicht Hilfe brauchen. Das erlebe ich ja gerade. Meine Mutter hat eine Querschnittslähmung erlitten. Daher ist es gut, in der Nähe zu sein. Ich bin am Anfang noch jedes Wochenende von Luxemburg zu ihr gependelt, mit dem kleinen Kind, aber das hat mich an die Grenze meiner Kräfte gebracht.

Ortgies: Es ist eine wunderbare Idee, früher Kinder zu kriegen. Aber 40 Prozent der Männer unter 26 Jahren wollen gar keine Kinder haben. Wenn ich auf Podien sitze und empfehle, sich den richtigen Mann zu suchen und eine gleichberechtigte Arbeits­teilung abzusprechen, bevor die Kinder kommen, geht oft ein Geraune durch den Saal: "Jetzt sagen Sie mir auch, wie ich den richtigen Mann finde, der überhaupt Kinder will!"

Kokott: Kinder und Karriere – das ist natürlich auch eine Energie­frage. Mein Mann und ich sind damit gesegnet. Mein Mann arbeitet manchmal auch eine Nacht durch, wenn es beruflich sein muss. Und ich bin schon als Kind immer als Erste aufgestanden.

Wenn die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine Energiefrage ist, ist Ihr Modell leider nicht verallgemeinerbar.

Kokott: Energie brauchen alle Eltern. Auch wenn man mit vielen Kindern zu Hause bleibt. Früher hatte fast jeder viele Kinder, auch Menschen mit durchschnittlich viel Energie.

Ortgies: Niemand behauptet, dass Familie und Beruf nicht vereinbar sind! Aber es gibt ein unglaubliches Bedürfnis, mal darzustellen, wo es knirscht und wo Familien an ihre Grenzen stoßen! Was sagt die Alleinerziehende, die um 18 Uhr ihr Kind abholt, das im Auto einpennt? Die sagt: "Scheiß auf quality time!" Wir bei "frauTV" bekommen kübelweise Post von diesen Frauen. Die wollen, dass sich strukturell etwas ändert – in der Politik, bei den Männern, in der Wirtschaft. Bei aller Bewunderung: Diese "Wow!"-Beispiele, wie Sie eines sind, Frau Kokott, stützen das System und steigern den Druck. Nur wenige packen es.

Kokott: Viele Akademikerinnen denken, sie könnten als Mutter nie Professorin werden. Insbesondere diesen speziellen Kreis an Frauen will ich motivieren, dass es eben doch geht.

Ortgies: Meine Kritik gilt nicht Ihnen, sondern den Medien. Die feiern die "Wow!"-Beispiele. Aber der alltägliche Wahnsinn in ­Familien und bei Alleinerziehenden wird nicht thematisiert.

Dervisopoulos: Warum fragen die Journalisten eigentlich nie mal Ihren Mann, wie er das alles geschafft hat?

Kokott: Das haben sie, aber er wollte nicht darüber reden.

Dervisopoulos: Ich habe noch nie ein Interview mit einem im Beruf erfolgreichen Vater gelesen, der sich bei den Kindern stark einbringt und eine Frau hat, die auch Karriere macht.

Wie waren die Reaktionen auf Ihren Mann, als er sechs Monate Elternzeit genommen hat?

Dervisopoulos: Er ist Richter, also im öffentlichen Dienst, das war kein Problem. Aber im Bekanntenkreis hören wir oft von Vätern, die in der Privatwirtschaft arbeiten, dass sie mit so einem Entschluss ihren Job gefährden würden.

"Nur sechs Prozent der Väter arbeiten Teilzeit, nur sieben Prozent machen Elternzeit" (Ortgies)

Frau Ortgies, verraten Sie die Gleichberechtigung, wenn Sie zugeben, eben nicht alles zu schaffen?

Ortgies: Das macht mir tatsächlich Sorgen. Aber ich möchte nicht als reaktionär gelten, nur weil ich ein völlig überdrehtes System hinterfrage, das keinerlei Rücksicht auf Bindungen und Ver­pflichtungen nimmt. Die Arbeitsstrukturen sollten sich den Bedürfnissen der Familien anpassen und nicht umgekehrt. Wenn wir nicht darüber reden, werden sich immer mehr Menschen gegen Kinder entscheiden. Und wir dürfen die Männer nicht aus der Diskussion entlassen. Nur sechs Prozent der Väter arbeiten Teilzeit, nur sieben Prozent machen Elternzeit für ein Jahr.

Geht es vor oder zurück mit der Emanzipation?

Kokott: Vorwärts. Wir haben die erste Richterin am Bundesgerichtshof, die halbtags arbeitet. Als ich mein erstes Kind bekam, war das undenkbar. Damals blieben alle Mütter in der Nachbarschaft zu Hause. Der Waldorfkindergarten bot mir einen Platz von neun bis halb zwölf an. Ich sagte, das sei problematisch, ich wolle arbeiten. Ich bekam eine Rede gehalten, was für Trauer­arbeit ich später mit dem Kind zu leisten hätte. Derselbe Kindergarten hatte bei meinem Jüngsten von halb acht bis 17 Uhr geöffnet.

Ortgies: Es geht in Richtung Traditionalisierung. Frauen nehmen wie selbstverständlich den Namen des Mannes an. Teilzeit bei Frauen nimmt zu. Sie übernehmen zu Hause wichtige Aufgaben, weil die Männer eben nicht in diese Lücke springen, die sich ergibt, wenn Mütter Vollzeit arbeiten. 75 Prozent der Hausarbeit machen die Frauen, auch wenn beide arbeiten. Und durch ihre Teilzeitjobs zahlen sie niedrigere Rentenbeiträge ein.

Kokott: Meine Kinder helfen wunderbar mit, manches können sie besser als ich. Die älteren sind zum Beispiel viel ordentlicher als ich und können besser aufräumen. Einmal haben sie sich sogar mit schönem Erfolg mein Arbeitszimmer vorgenommen.

Ortgies: Mein Mann und ich teilen uns die Hausarbeit. Aber er macht häufiger Dienstreisen. Dann habe ich das Gefühl, zwei Wochen abends nur die Wäsche gemacht zu haben. So geht es vielen.

Und die Lösung wäre?

Ortgies: Dass beide ihre Erwerbsarbeit reduzieren und jeweils mehr Zeit für Kinder und Hausarbeit haben. Die Elternzeit kostet pro Jahr etwa 5 Milliarden. Für 148 Millionen könnten wir ein Modell fahren, in dem beide Elternteile 80 Prozent arbeiten und der Gehaltsverlust aufgestockt wird. Die Elternzeit führt bestenfalls dazu, dass Männer zwei Monate aussteigen, aber die Paare kippen trotzdem zurück in die traditionelle Ehe. Die Zukunft wird uns das Problem der Altersarmut bei Frauen bescheren. Frauen und Männer leben meistens das alte Modell, obwohl das Unterhaltsrecht von Frauen verlangt, nach einer Trennung selbst für sich zu sorgen.

Dervisopoulos: Wir teilen uns Hausarbeit und Kinderbetreuung gleich auf. Vielleicht bin ich naiv, aber ich gehe davon aus, dass wir kein Einzelfall sind. Wir leben im 21. Jahrhundert!

Kokott: Schon mein Vater hat mitgeholfen im Haushalt. Ich ­glaube, das ist auch eine Frage der Erziehung.

Dervisopoulos: Und die Väter von heute sind ja die Söhne der Emanzipationsbewegung!

Welchen Typ Mann suchen Frauen heute?

Dervisopoulos: Man kann ja schlecht, bevor man sich verliebt, fragen: Bringst du auch den Müll runter? Mein Mann macht alles, aber er macht es anders als ich. Er hat zum Beispiel einen anderen Wickelrhythmus als ich. Da müssen Frauen auch loslassen. Ich beobachte Mütter, die ihre Männer kontrollieren.

Kokott: Ich kenne das von meiner Oma, die neben meiner Mutter stand und sagte: "Nicht linksrum wickeln, rechtsrum!"

"Mit sieben stand in meinem Notizbuch: Dr. jur. Juliane Kokott!"

Was halten Sie von Social Freezing, dem Einfrieren von Eizellen?

Ortgies: Als ich vor sieben Jahren zum ersten Mal dazu recherchierte, dachte ich: super! Den Kinderwunsch auf Anfang 50 verschieben, wenn ich den Karrieresprung hinter mir habe! Aber diese Behandlung ist ein schwerer Eingriff. Ich finde es zynisch, dass die Frauen ihre Fruchtbarkeitsphase mit allen Mitteln verschieben sollen, um der Wirtschaft voll zur Verfügung zu stehen. 

Kokott: Ich finde Social Freezing prima – als zusätzliche Möglichkeit. Ich habe eine türkische Freundin, ein Jahr älter als ich, die hatte immer ein paar "eggs stored". Irgendwann – da hatte sie schon drei Kinder – wurde ihr das zu teuer. Und dann bekam sie eben noch eines – medizinisch war das ein Klacks. Ich finde es zwar viel besser, die Kinder jung zu kriegen. Aber als Zusatz­möglichkeit – warum nicht?

Ortgies: Aber bei den Dreißigjährigen liegt die Chance, dass es klappt, zwischen zwei und zwölf Prozent! Die Technik wurde für krebskranke Frauen genutzt, die vor einer Tumorbehandlung Eier einfrieren lassen. Das ist zutiefst sinnvoll. Aber auf zwei bis zwölf Prozent kann man doch seine Lebenspläne nicht ausrichten!

Wie früh haben Sie geplant, Karriere zu machen, Frau Kokott?

Die Antwort der Väter

###drp|S2m7DJJnCbW_w7RzlR4XOCQL00134052|i-40||###Immerhin acht Kinder haben Horst Niens, Hauke Huckstädt und Robert Habeck. In chrismon 02/16 sprachen der Polizist, der Literaturhauschef und der Minister über Staubsauger, dreckige Wäsche und Jungskram.

Kokott: Mit sieben stand in meinem Notizbuch: Dr. jur. Juliane Kokott! Meine Mutter war Hausfrau. Und sie hat sich gewünscht, dass ich Jura studiere. Ich fand Lernen einfach toll, ich genieße das auch heute mit meinen Kindern. Gestern hatten wir ein Literaturkolloquium zu Hause, über Max Frisch und Georg Büchner. 

Ortgies: Ich bin nicht so begeistert von der Schule. Ich finde es fragwürdig, dass Kinder jetzt schon in der Grundschule alles Mögliche selbstständig erarbeiten müssen.

Dervisopoulos: Das ärgert mich auch. Eltern müssen Dinge ­leis­ten, die früher die Schule geleistet hat.

Ortgies: Genau! Ich habe, weil ich nachmittags so viel mit der Schule zu tun hatte, nachts gearbeitet, aber das geht ja nicht in jedem Job.

Hätte es einen einfacheren Weg für Sie gegeben?

Ortgies: Ich bin von den letzten zwölf Jahren erschöpft und ­wünsche mir manchmal, ich könnte mit dem heutigen Wissen noch mal von vorn anfangen mit meinen Kindern. Aber ich will nicht jede Entscheidung im Nachhinein in Zweifel ziehen, ­sondern für die Zukunft ein Forum schaffen, dass wir ehrlich darüber reden können, was wir schaffen. Und auch, was nicht.

Kokott: Ich erinnere mich an eine Reise. Ich hatte mein jüngstes ­ Kind mit in Luxemburg. Am Freitag wollte ich im Zug nach ­Hamburg zu einem Kongress, mit Säugling, Aktenkoffern und Kinderwagen. Und keiner der Mitreisenden kam auf die Idee, mir zu helfen. Da war ich mal kurz am Rande. Aber ich möchte nichts missen. Nicht die Kinder, nicht die Arbeit.

Dervisopoulos: Wenn ich manchmal die Wohnung sehe, kriege ich die Krise. Da sieht es schon mal katastrophal aus. Aber dann sage ich mir: Ich liebe die Kinder, ich liebe die Arbeit. Und alles andere ist nicht so wichtig. Dann geht das Kind halt auch mal in schmutzigen Kleidern in die Kita.

Das Kinder-Interview

###drp|GFmuXsu0nWRUaBI7AA3iyLZ_00164673|i-40||###Jetzt reden die Kids: Die Eltern von Julian Krogmann, Antonia Mathée und Christina Jung arbeiten viel. Das war nicht immer schlecht! Ein Gespräch aus chrismon 05/16 über Job, Familie und Freiheiten.

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Ich halte mit Freude das neue Heft in Händen. Ich möchte ein kurzes Feedback geben: Was Sie schreiben bewegt meine Seele und meinen Geist. Ihre Zeitschrift bietet Information, Unterhaltung, Inspiration, geistige Anregung - eben "geistige Nahrung", wie Papst Franziskus dazu sagt. Das sind die Worte, die mir gerade dazu in den Sinn kommen. Von den "Karl-Marx-Jüngern" bin ich endgültig kuriert.

Einen schönen Tag!
"Blessing and peace"
Martin Linz

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Da kommt es ganz darauf an, welche " geistige Nahrung" man zuvor genossen hat, Herr Lenz. Ich glaube nicht, dass Papst Franziskus diese hier servierte "Kost" gemeint hat. Womit ich keinesfalls an dem Artikel etwas auszusetzen habe, als vier mehr an diesen "dankbaren Dumpfbacken", die sich hier vor Dankbarkeit und Ehrerbietung der Zeitschrift gegenüber nur so im Staub wälzen !
Möge der dankbare Kriecher sich im Staub wälzen, wenn es ihm gut tut. Solche "geistige Nahrung" mag wohl für manch einen sehr bekömmlich sein.
"Die haben zehn Kinder !" Na und ?
Es gibt so vieles in der Welt, das interessant ist. Aber vom Leben anderer Menschen habe ich nichts.
Außerdem ist die " Vereinbarkeit von Job und Familie " von vielen Faktoren abhängig. Die Erfolgsstorys hängen mir ebenso zum hals heraus, wie das Gegenteil. Entsprechend der Behauptung von Frau Käßmann, das Leben sei bunt, da gäbe es kein Dunkel, finden sich hier Belege der Behauptung zu genüge !
Die andere Seite der Geschichte ? Die kehren wir doch einfach unter den Teppich, versteht sich doch von selbst.

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Sehr geehrte Redaktion,

der Artikel war sehr interessant und macht in gewisser Weise auch Mut. Aber:

Ich bin ebenfalls berufstätig, habe allerdings nur 1 Kind. Und das ist auch gut so: Bei uns gibt es nämlich keinen Vater, der im Alltag hilft. Ich bin alleinerziehend. Kindermädchen? Babysitter? Haushaltshilfe? Die wenigsten alleinerziehenden Mütter können sich das leisten!

Aber was auch uns z.B. wirklich hilft: Ein verständnisvoller Arbeitgeber und ein Notebook. So muss man weder das kranke Kind noch das Projekt im Stich lassen!

Mit freundlichen Grüßen
Birgit Prechtel

Vielen Dank für Ihren Kommentar, Frau Prechtel! Ich stimme Ihnen zu, es wäre eine Bereicherung des Gespräches gewesen, eine Mutter einzuladen, die alleinerziehend ist. Unsere drei Gesprächspartnerinnen (Frau Ortgies kennt die alleinerziehende Perspektive ja durch die Themen der Sendung "frauTV") haben sich bemüht, diese Frage mitzudenken. Wir freuen uns, dass Sie diese Perspektive auf diesem Weg nachreichen! Und wir hoffen, dass Ihr Arbeitgeber Ihnen weiterhin Verständnis entgegenbringt!

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Liebe Redaktion, ich bin selbst berufstätige Juristin und Mutter von 2 Kindern (5 und 6 Jahre alt). Ich finde den Artikel sehr interessant, aber ich frage mich, was Frau Kokott in diesem Trio zu suchen hat. Soll durch ihre Karriere gezeigt werden, dass die anderen Frauen eben nicht genug Energie haben, um Kind(er) und Beruf so toll zu vereinbaren, wenn Frau Kokott es ja sogar mit 6 Kindern bis zur Professorin und Generalanwältin geschafft hat? Wie viele Professorinnen gibt es überhaupt in Deutschland und wie viele davon haben Kinder? Die Zahl dürfte minimal sein. Laut Frau Kokotts eigener Aussage ist das wohl in erster Linie eine Frage "der Energie" oder der Organisation oder dass man/frau eben früher Kinder bekommen sollte. Frau Kokott sollte nicht als Vorbild hingestellt werden; es fehlt in dem Artikel auch der Blickwinkel einer Alleinerziehenden und vielleicht auch der einer Frau, die sich gegen Kinder entschieden hat, weil es für viele Frauen in Deutschland nach wie vor einfach unmöglich erscheint, Beruf und Kindern gerecht zu werden. Diese "Vereinbarkeitslüge" wird ja jetzt zunehmend auch in den Medien thematisiert. Die Beiträge von Frau Kokott laufen aber in die völlig andere Richtung - zum Glück konnten sie durch die zwei anderen Interviewpartnerinnen etwas relativiert werden. Mit freundlichen Grüßen Inga Groth

Liebe Frau Groth, Frau Kokott ging es bei ihrer Teilnahme am Gespräch ja gerade darum, Frauen zu ermutigen, dass eine wissenschaftliche Karriere und Familie vereinbar seien - damit es in Zukunft eben Professorinnen mit Kindern gibt.

Der Blickwinkel einer Alleinerziehenden fehlt, das stimmt. Die Resonanz auf das Interview ist aber so erfreulich groß, dass wir sicher dranbleiben werden an diesem Thema - und auch diesem Blickwinkel in chrismon noch die nötige Beachtung schenken werden!

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"Wenn nicht jetzt, wann dann?"

Sehr geehrtes ChrismonTeam,

in Ihrem Bericht " das schaff ich locker"  auf  Seite 22 bis 26 geht es letztendlich auch wieder um das Thema Entlastung der Mütter!, es geht aber eben auch um das Kindeswohl und um persönliche Freiheit.

Dazu verfasste ich vor einigen Tagen ein Schreiben, einen Aufruf an die Politik. Vielleicht tragen Sie zur Verbreitung dieser Idee mit ihrem Verlag bei.

Es geht nämlich ganz versteckt eben doch um strukturelle Ungerechtigkeiten in unserem System!!!

Das Thema bewegt mich seit vielen Jahren - ich bin jetzt fast 59 Jahre alt, habe 3 grosse Kinder, arbeite immer wieder in Teilzeit, viel ehrenamtlich.

Nenne mich Familymanagerin und Pharmazeutin, bin Unterstützerin der Deutschen Liga für das Kind, die schon Musterprozesse zu diesem Thema geführt hat. Immer wieder weigern sich die Politiker aus den verschiedensten Gründen, aktive Frauen auf diese Weise zu entlasten, nämlich im Grundansatz anzuerkennen, dass ein Haushalt mit Kindern im Grunde ein Betrieb ist, der langfristig neue Steuerzahler generiert.

Mit freundlichen Grüßen

Ute Nick, Ludwigshafen

Hier der Aufruf:

Sehr geehrte Damen und Herren,

zur Diskussion über eine sinnvollere Verwendung des Betreuungsgeldes möchte ich gerne folgenden Vorschlag einbringen:

Warum wird den Eltern nicht ermöglicht, Haushaltshilfen in unbegrenzter Höhe steuerlich geltend zu machen?

Es ist seit langem ausgesprochen ungerecht, dass Familien angestelltes Personal nicht wie ein Betrieb in vollem Umfang steuerlich geltend machen können!

Der  bisher gewährte Rahmen ist viel zu klein, denn echte Unterstützung kostet richtig GELD.

Außerdem würden durch solch eine steuerliche Berücksichtigung der Ausgaben wirklich viele Arbeitsplätze in Familien ermöglicht.

In einer Familie gibt es nämlich ARBEIT OHNE ENDE!!!!

Die Mütter hätten dadurch eine riesige Entlastung, wenn sie erwerbstätig sind und könnten sich leichter individuelle Betreuung leisten.

Es ist sowieso volkswirtschaftlich in Frage zu stellen, so viele Kleinkinderbetreuungsplätze einzurichten, anstelle ordentliche Ganztagsschulen zu bauen.

Individuelle Lösungen passen für viele Familien doch viel besser!

Arbeitsplätze zu ermöglichen ist  im Sinne ALLER, und auf diese Weise würde auch dem Prinzip gefolgt, dass der Staat nicht erst nimmt, und dann gnädig verteilt, sondern den Familien lässt, was sie zum Überleben brauchen!!

Mit freundlichen Grüßen
Ute Nick, Ludwigshafen

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Sehr geehrte  Damen und Herren,

offensichtlich ist es nach wie vor ein "Kampf" auch für intelligente und gut ausgebildete Frauen, Kinderbetreuung und -erziehung, Haushalt und Beruf  zu bewältigen.

Bei diesem Thema frage ich mich immer wieder, warum sich gut verdienende Eltern nicht für einige Zeit eine Hauswirtschafterin sozialversicherungspflichtig anstellen. Haus- und Erziehungsarbeit sind wichtig und anspruchsvoll. Eltern, vor allem den Müttern, wird so der Rücken freigehalten und Regeneration ermöglicht. Ein wichtiger Aspekt der Berufstätigkeit ist doch auch, Karriere und Altersversorgung nicht zu unterbrechen. Gleichzeitig wird ein Arbeitsplatz geschaffen und das Image der Haus- und Erziehungsarbeit aufgewertet.

Freundliche Grüße von

Barbara Baur

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Liebe Frau Kokott, liebe Frau Dervisopoulos, liebe Frau Ortgies! Liebe Frau Ott und lieber Herr Hausmann!

Ich bitte Sie hiermit dringend um Hilfe für alle jungen Mütter, die an einem Punkt im Leben stehen, den Sie bereits gemeistert haben: Gründen wir ein Mentoren-System! Wenn ich Artikel wie den oben stehenden lese, denke ich immer: bewundernswert, leider hilft mir das als werdende dreifache Mutter überhaupt nicht weiter. Ich fühle mich dadurch im Gegenteil noch verzweifelter, es nicht genauso toll hinzubekommen mit Kindern und Karriere.

Wenn man mit einer der hier interviewten Frauen sprechen könnte, man sich austauschen könnte, Rat bekommen könnte und Hoffnung, dann wären wir jüngere Frauen doch einen riesigen Schritt weiter - dann müsste nicht jede Mutter das Rad neu erfinden. Unsere eigenen Mütter taugen da leider nicht, sie gehören der Generation an, die dauernd nur sagt: weißt du, bei uns (in den 70er und 80er Jahren) war das Leben nicht so schwierig wie heute, alles war unkomplizierter, leichter.

Sie aber, liebe Frau Kokott, liebe Frau Dervisopoulos, liebe Frau Ortgies, könnten uns Mentorinnen sein, Vorbilder, Hoffnung - gerade in den Momenten, wenn man zum Beispiel schwanger zu Hause sitzt, statt an der Dissertation schreibend in der Unibibliothek, und in der Verzweiflung versinkt, die Karriere nun endgültig begraben zu können. Uns fehlt es schlicht an machtvollen Vorbildern, also an solchen weiblichen Persönlichkeiten wie Ihnen, an denen wir uns orientieren könnten. Nicht jede hat das Glück, eine Chefin, ältere Freundin oder Kollegin zu haben, die als Vorbild taugt. Chefs und Kollegen sind viel zu oft eben Männer oder kinderlose Frauen, die unsereins als Exotikum oder als völlig wahnsinnig einstufen.

Deshalb meine Idee: könnte man Kontakt zu Ihnen aufnehmen und gemeinsam ein Blog/ einen Verein/ eine wie auch immer geartete Plattform gründen, in der z.B. eine von Ihnen bewundernswerten, erfahrenen Frauen, die es "geschafft haben" oder immer noch "schaffen", einer eher noch im Stadium der Anfangsverzweiflung und Überforderung stehenden jungen Mutter wie mir oder vielen meiner Freundinnen einfach im Sinne einer Mentorin beratend "unter die Arme greifen" und Vorbild sein können?

Über ein Reaktion Ihrerseits würde ich mich sehr freuen,
Christiane Arnhold

Ich glaube nicht, dass Ihr Kommentar wirklich ernst gemeint ist, aber Verzweiflung und Neid sind unüberhörbar. Ich kenne viele, die beides geschafft haben, nämlich Kinder zu zeugen und zu erziehen, und trotzdem an ihrer Dissertation zu schreiben. Traurig ist vor allem, dass so gar keine Freude über die Schwangerschaft zu erkennen ist. Daran sollten Sie arbeiten, an der Freude über Ihr Kind, nämlich. Ist es nicht willkommen, wird es das spüren. Sie erwähnen das "Exotikum ", als welches Sie glauben, gesehen zu werden. Das erstaunt mich, ich kann nicht glauben, dass ein solches Denken Realität an deutschen Unis ist.
Weiter sprechen Sie von machtvollen weiblichen Vorbildern, die Ihnen fehlen, das erstaunt mich noch mehr. Falls Sie deshalb so verzweifelt sind, weil Sie eine große Karriere angestrengt haben, und nun mit Kind, alles zu verlieren glauben,
dann könnten Sie Recht behalten.
Kinder sind Wesen aus Fleisch und Blut, ein Teil unserer selbst, die ein Leben bereichern können, aber eben auch nicht, vor allem, wenn sie nicht willkommen sind. Was mich stört, ist die Borniertheit, die ich Ihren Worten entnehme.
Lernen Sie Ihr Kind zu lieben und geben ihm eine schöne Zukunft, und hören nicht auf Botschaften von Menschen und Medien, die ein Interesse daran haben, andere zu verunsichern, zu verstören, aus welchen Gründen auch immer. Verfolgen Sie Ihre Ziele, ohne in Panik zu geraten und lassen Sie auf keinen Fall, Ihr Kind die zweite Geige in Ihrem Leben spielen.
Motiviert es Sie so gar nicht, jetzt erst recht, durchzustarten ? Mit dem Wunder in sich kann doch alles schöner, sinnvoller werden !
Sicher gibt es doch auf der Uni Studentinnen, die in ähnlicher Situation stecken wie Sie, da kann man doch auch Kontakte knüpfen, einen Blog gründen, etc., sich gemeinsam unterstützen . Diese Idee ist alles andere als abwegig.
Ich hätte mir auch eine solche Unterstützung gewünscht, wie Sie sie hier herausfordern, aber ich wollte alles selbst erreichen, ohne zu ahnen, was damit auf mich zukam. Ich bekam keine Unterstützung, ich machte "Erfahrungen".
Solche Erfahrungen wünsche ich heute niemand, deshalb finde ich es gut, dass Sie das Wort "Verzweiflung" aussprechen, gleichzeitig aber auch den Weg aus einer solchen Situation selbst schon angeben.
Und vielleicht greifen die von Ihnen erwähnten Damen Ihre Idee auf, ich jedenfalls wünsche ihnen viel Erfolg im Studium, bei gleichzeitiger Liebe zu Ihrem Kind.
P.S. Soeben habe ich den Kommentar ganz durchgelesen, und ich muss mich korrigieren. Ich halte ihn doch für recht erbärmlich und auch würdelos. Das dritte Kind, und nichts dazu gelernt !
Vielleicht ist endlich eine Entscheidung fällig, wobei auch immer. Vorbilder sind Bilder, die wir vor die Realität stellen, funktioniert wohl hauptsächlich in der Kindheit. Spätestens beim dritten Kind muss man/ frau selbst zum Vorbild werden.

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Was hat uns zu einer glücklichen Familie aus zwei berufstätigen Akademikern und drei Kindern gemacht? Heimat und Großeltern! Wer sich als junges Paar heute für viele Kinder und Berufstätigkeit beider Eltern bei durchschnittlichem Einkommen entscheidet, der sollte die Nähe zu den eigenen Eltern oder Geschwistern in der Heimat suchen. Übertriebenes Autonomiestreben, übertriebener Individualismus, übertriebene Mobilität - all das richtet sich im Kern gegen die Familie und gegen die Biologie.
Hubert Paluch
Oldenburg

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Familienpolitische Modelle sollten so gestaltet sein, dass nicht einzelne Mütter oder Väter "Helden" sein müssen, um Elternsein und Beruf gut zu vereinbaren. Ihre Aussage, dass das Modell "Elternzeit" jährlich etwa 5 Milliarden koste, das (auch meiner Ansicht nach viel familienfreundlichere) Modell "80 Prozent Erwerbsarbeit für beide Elternteile, Aufstockung des Gehaltsverlusts" für 148 Millionen zu realiseren wäre, finde ich geradezu schockierend. Könnten Sie bzw. Lisa Ortgies mir die zu Grunde liegenden Berechnungen zukommen lassen?

Elisabeth Wagensommer, Salem

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Sehr geehrte Redaktion,

Beim Lesen des Gesprächs kamen mir die Beispiele aus dem Kinder-Alltag der Mütter merkwürdig bekannt vor. In meiner Arbeit als Psychoanalytikerin habe ich sie fast alle schon gehört, allerdings als Erinnerungen von erwachsenen Patientinnen an Begebenheiten, bei denen sie sich als Kind besonders allein fühlten. – Ich glaube nicht, dass Mütter nicht berufstätig sein dürfen, aber denke, dass es gut ist, wenn sie sich auch auf einen Dialog mit dem Kind einstellen, der vielleicht mit dem hingeschleuderten Satz einer Pubertierenden beginnt: „Du hast Dich immer nur für Deine Scheißkarriere interessiert. Warum hast Du uns/mich überhaupt bekommen?“ – Wenn auch nicht gerade sinnfällig, signalisiert er m.E. Vertrauen, dass die Mutter ihre Zumutungen erklären kann. Eltern, die nach einem passenden Ausdruck von H. Figdor (bezogen auf Scheidungskinder) zu „verantworteter Schuld“ fähig sind, d.h. sich selbst und die Kinder damit konfrontieren, welche eigenen Wünsche ihnen wichtig genug waren, um sie auch auf Kosten der Kinder zu erfüllen, ermöglichen ihnen einen wesentlichen Zuwachs an Klarheit im Denken und Fühlen. Vielleicht können die Kinder das als Erwachsene dankbar anerkennen.

Mit freundlichen Grüßen,

Cornelia v. Kleist, Dipl.-Psychologin, Berlin

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Hallo Redaktion,

es schreibt Ihnen ein Vater mit drei Kindern, der die einfachste Lösung darin sieht, daß die Mutter in den ersten Lebensjahren bei den Kindern bleibt.

Die Problematik ist mir wohl bekannt.

Es wird mir aber zu viel problematisiert. Kein Anspruch, liegt er noch so hoch, kann die Betreuung seiner Kinder ersetzen.

Diese Denke fehlt der heutigen Müttergeneration.

Die Gespräche zeigen mir ganz deutlich, es ist eine einzige Lebenshetze um das so lala hinzukriegen. Damit schaden sie dem Kinde mehr als angenommen. Und für die Mütter ist das auch kein Leben.

Wenn der Anspruch bei den Damen aber heißt, mir ist meine Kariere besonders wichtig, dann sollte sie auf den Kinderwunsch verzichten.

Beides lässt sich nur unvollkommen vereinbaren. Das ist das Leben. Manche Dinge lassen sich nicht vereinbaren.

Mit einer Ausnahme : Wer aus einem intakten Elternhaus kommt, vielleicht auch Geschwister hat, der kann beide Wünsche durchaus realisieren.

Unsere Kinder waren glücklich wenn sie mal für 14 Tage bei der Oma bleiben konnten. Auch mein Bruder hat das sehr gern gemacht. Wenn Oma, Opa oder meine Frau vor dem Schultor stand, die Kinder hatten damit keine Probleme. Umgekehrt haben wir das ebenso gern gern getan.

Natürlich sollte an erster Stelle die Planung stehen. Wie das auch in der Berufsplanung bei den meisten Ehepaaren der Fall ist.  Nur bei den Kindern glaubt man, das kann eben mal so zwischendurch passieren.

Wenn die Frau keine Pille verträgt, dann wird es besonders schwierig. Es geht nichts über ein erfülltes Liebesleben.

Dann ist das intakte Elternhaus besonders wichtig.

Ich war eine zeitlang im Elternbeirat in einer Realschule tätig. Ich habe genug Eltern kennengelernt, die keine Zeit für die Kinder hatten. Die fast Jugendlichen haben das durch die Bank alle beklagt.

Stellen Sie sich vor, wenn das Mädchen oder der Junge nach Hause kam und keiner war da. Oft vor aufgewärmtes Essen saß, Schularbeiten wurden vernachlässigt, lieber stromerte er draußen rum.

Können sich die Damen überhaupt vorstellen, was das für ein Kind bedeutet?

 

Mit freundlichen Grüßen

Gunter Knauer, Meerbusch

Hallo Herr Knauer,
was haben Sie in der Zeit getan, wenn Oma, Opa und Mama vor der Schule warteten?
Ich finde, uns Herren fehlt die Denke, es zu tun - uns selber um die Kinder zu kümmern.
Gruß
Andreas Lehmann, Berlin

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Liebe Frau Ott, lieber Herr Husmann,
ein beeindruckendes Gespräch mit drei beeindruckenden Persönlichkeiten. In Vorbereitung auf eine Tagung für Kita-Fachberatungen zum Thema "Institutionalisierte Kindheit" habe ich diesen Beitrag gerade nochmals durchgelesen und ein paar Zitate "rausgepflückt". Gerne hätte ich aber auch die Stimme der Väter gehört. Denn Familienleben und auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist heute längst nicht mehr nur ein Mütter-Thema. Wiewohl ich zugebe, dass viele Mütter da meistens noch viel stärker unter Druck stehen als Väter. Doch solange wir Familie nur als Frauenthema diskutieren, wird das herrschende Bild von der alleinzuständigen Mutter nur noch stärker fixiert. Das Vätergespräch ist angekündigt, aber noch nicht erschienen. Ich allerdings bin ziemlich gespannt darauf.
Viele Grüße,
Andreas Lorenz
Dozent für Religionspädagogik im Elementarbereich

Lieber Herr Lorenz,

ich bitte um Nachsicht für die späte Antwort! Das Gespräch mit den Vätern erscheint voraussichtlich im Februar. Wir kommen gerade vom Termin zurück.

Herzliche Grüße,

Nils Husmann

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Liebe Autoren, Interviewte und Kommentatoren/innen,

leider stieß ich erst dies Wochenende auf diesen Artikel.
Mir fällt auf, dass es wieder fast nur um die Mütter geht - wo bleiben die Väter?
- Wie kriegen wir junge Männer dazu, Lust auf Kinder und Familie zu haben?
- Ist das Kinder-Haben und Vater-sein zu wenig im Selbstverständnis der Männer verankert?
- Wieso ist das so?

Meine Männergeneration - die heute 40 - 55 Jährigen - wollte anscheinend tatsächlich kaum Kinder, weil u.a. die Vorbilder fehlten (dazu las ich bereits im März 1994 oder 1995 in der ZEIT einen Artikel, in dem 90% der interviewten Männer sagten, dass sie keine Kinder wollten, weil sie keie oder negative Erfahrungen mit den eigenen Vätern gemacht hatten). Ich fand´s schockierend.

Lieber Niels Husmann,
ich bin gespannt auf´s Vätergespräch (ich hatte 2014 Gelegenheit, mal meine Sicht darzustellen, hier ein Tipp: http://www.zeit.de/2014/27/erfahrungsbericht-vater-teilzeit oder googeln Sie "andreas lehmann vater".

Gruß Andreas Lehmann, Berlin-Lichterfelde