Tillmann Franzen
Kampfdrohnen halten die Schrecken des Todes auf Abstand. Humaner machen sie den Krieg nicht
Foto: Tillmann Franzen
23.07.2013

Manche Begriffe machen eine sonderbare Karriere: Wenn vor zwanzig Jahren das Wort „Drohne“ fiel, dachten wir zuerst an eine männliche Honigbiene, Hummel, Wespe oder Hornisse. Diese Drohne ist ein bemitleidenswertes Wesen, denn wenn sie ihren Hauptzweck erfüllt hat, nämlich die Bienenkönigin im Flug zu begatten, dann fällt sie sterbend herab.

Wenn wir heute von Drohnen sprechen, denken wir kaum an das besondere und bizarre Schicksal männlicher Bienen, sondern zuerst an unbemannte Fluggeräte, die in diesem Jahr in Deutschland für viel Wirbel sorgen. Ihren Namen verdanken diese Flugkörper der enormen Spähkraft, die ihnen die modernste Kameratechnik verleiht. Auch die Drohnen in der Natur haben viel bessere Augen als andere Bienen, damit sie im Frühsommer die Köni­ginnen erspähen und sich rasch zu ihr gesellen können.

In die Diskussion sind bei uns allerdings besonders die Kampfdrohnen geraten, fliegende „Roboter“, die große Entfernungen überwinden und dann nahe des Ziels ihre Raketen abfeuern können. Fern aller Diskussionen um Kosten und um das Problem „Was wusste der Minister seit wann?“ beschäftigt mich die Frage: Braucht Deutschland überhaupt Kampfdrohnen? Auch wenn diese Entscheidung politisch noch lange nicht gefallen ist – die Begehrlichkeiten sind da.

Von Soldaten der Bundeswehr höre ich: „Ja, wir brauchen sie. Drohnen bringen präzise Wirkung im Kampf bei gleichzeitigem Schutz der Kameradinnen und Kamera­den.“ Dieses Argument leuchtet mir zwar ein, andererseits gilt aber: Der Schutz der eigenen Verbände, die durch Kampfdrohnen gleichsam im militärischen Einsatz vertreten werden, ist nur die eine Seite der Medaille ethischer Bewertung. Eine amerikanische Studie („Living Under Drones“, 2012) belegt, dass Drohnenein­sätze der US-Streitkräfte in der Bevölkerung der Einsatzländer ein Klima der Angst und der Traumatisierungen geschaffen haben. Das dient wohl kaum dem Frieden. Ich bin skeptisch, dass es wirklich gelingen kann, für etwaige Drohneneinsätze der Bundeswehr Richtlinien zu schaffen, die diese verhängnisvolle Wirkung vermeiden könnten.

Auch befürchten Fachleute, dass die perfekte Technik der Kampfdrohnen die Hemmschwelle für tödliche Militärschläge senkt. Die Entwicklung und Perfektionierung dieser Kriegsmaschinen eröffnet eine weitgehende „Automatisierung“ der Kriegsführung.
Was macht der „Cyberwar“ mit den Menschen, die diese Geräte bedienen? Das Leiden der Opfer entzieht sich ihrer Wahrnehmung, die Verantwortung für das Töten wird nicht mehr direkt erfahren. Ich habe die große Sorge, dass technischer Fortschritt bei Kriegswaffen zur Verdrängung oder gar zum Verlust des Mitleidens führt und letztlich die Friedfertigkeit der Menschen unterminiert. Zurückhaltung und kritische Abwägung sind angebracht, wenn es um die Einführung neuer Waffensysteme geht.

Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein. Grundlegend für ethische Bewertungen ist für uns als Evangelische Kirche unser Leitbild des „gerechten Friedens“, die Lösung von Konflikten möglichst auf gewaltfreiem Weg.

Braucht Deutschland also Kampfdrohnen? Frieden wird nach unserer Überzeugung vor allem durch eine entsprechende Rechts- und Gesellschaftsordnung geschaffen, Frieden orientiert sich an der Option der Gewaltfreiheit und ist ausgerichtet auf menschliche Sicherheit und soziale Entwicklungsarbeit. Hier werden Innovationen dringend gebraucht!

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An Herrn Dietrich Steckel

i. S. Gegen das Lob der Kriegstechnik

Zum Artikel von Herrn Nikolaus Schneider in Chrismon August 2013

"Es ist Krieg, und keiner geht hin
Kampfdrohnen halten die Schrecken des Todes auf Abstand.
Humaner machen sie den Krieg nicht"

Es ist für mich beschämend, Ihren Leserbrief vorzufinden, als Antwort auf einen seelsorgerischen Ausblick darauf, wie Menschen einen Krieg verhindern können.
So wie Sie, Herr Steckel, es richtig erkannt haben:
Wir Menschen haben von Gott diesen Freien Willen bekommen, um uns zu entscheiden.
Die Entscheidung zum Bösen ist eben nicht die einzige Möglichkeit.
Darum war es für Sie, Herr Steckel auch möglich, Herrn Schneider in seiner Absicht so falsch zu verstehen.
Ob Sie für sich die Möglichkeit erdenken können, sich bei Herrn Schneider für Ihren Vorwurf einer "Geistlosen Realitätsfremdheit" zu entschuldigen?
Verstehen Sie nicht, wie Sie als Kriegserfahrener blind in die Falle der technischen Verbesserung von Waffen laufen und damit nichts erreichen, sondern nur einer Verböserung der Kriegsführung hörig werden.
So wie sie den kurzen Abstecher in die Kriegstechnik vom Schwert zum Maschinengewehr selbst getan haben.
Können Sie sich die Frage beantworten, inwieweit das Maschinengewehr die Führung eines Krieges "menschlicher" gemacht hat?
Herr Schneider ist in diesem Ausblick auf den Einsatz von Kampfdrohnen keineswegs realitätsfern.
Je mehr ich mich mit Ihren Worten befasse, Herr Steckel, desto mehr gewinne ich den Eindruck, sie haben die im Grundgesetz gewährte Meinungsfreiheit mit etwas anderem verwechselt:
Mit dem Nachdenken über die Worte Ihres Gegenübers.

Zitat:
"Frieden wird nach unserer Überzeugung vor allem
durch eine entsprechende Rechts- und Gesellschaftsordnung geschaffen,
Frieden orientiert sich an der Option der Gewaltfreiheit
und ist ausgerichtet auf menschliche Sicherheit und soziale Entwicklungsarbeit.
Hier werden Innovationen dringend gebraucht!"

Und keineswegs in der "Verbesserung" der Kriegstechnik.
Letztlich ist dieser Anspruch auch an die Politik gerichtet, jedoch keineswegs sich damit etwas nicht Zustehendes anzumaßen, sondern als verpflichteter Seelenhirte. Darum hat Herr Schneider durchaus dieses Anrecht, seine Mahnung gegen die ausschließliche Friedensschaffung durch das Kriegshandwerk zu erheben.
Wobei Sie ebenso wissen müßten, daß die Voraussetzungen für dieses Wüten der Waffen in ganz Europa eben durch eine schwindelerregende Entwicklung in der Waffentechnik erst möglich gemacht worden ist. Es ist ebenso kein Geheimnis, daß die Waffen des Zweiten Weltkrieges von Hitler und Franko in Spanien zur Feuerprobe geführt worden sind.
Sie sollten gerade als Kriegserfahrener nicht beim Ende der Schreckensherrschaft eines Tausendjährigen Reiches in der Mitte von Europa stehen bleiben.
Dem gingen sechs Jahre der Vorbereitung dieses Krieges voraus, der ein ganzes Volk und seinen Staat in weiteren sechs Jahren in den Untergang trieb.
Sie sollten den weiteren Weg in die Sackgasse der Problemlösung durch Krieg von Vietnam über Afghanistan in den Irak gehen.
Wobei es durchaus als eine tiefe Beschämung dem Deutschen Volk erscheinen muß,
sich nicht selbst befreit zu haben.
Dabei wäre es u. U. möglich, ein Stück Verantwortung dafür könnte auch von Ihnen, Herr Steckel, eingefordert sein.

Mit aufrichtiger Besorgnis geschrieben !
Ihr
Heinz Kobald

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Es ist Krieg, und keiner geht hin

Einen derart geistlosen Satz als Titel einer Abhandlung über den Nutzen des Kampfeinsatzes von Drohnen zu verwenden, zeigt schon in der Überschrift wie realitätsfremd der Autor ist.
In einer Welt, die letztlich militärisches Eingreifen bei Konflikten für unabdingbar halten muss, polemisiert Herr Schneider gegen ein tech-nisch modernes Kampfinstrument. Wie nur? War denn das Schießpulver  nicht auch ein modernes Kampfmittel gegenüber dem Schwertkampf? Das Maschinengewehr gegenüber der Flinte? Und so kann man die Wehrgeschichte weiter aufzählen.
Da werden bei der betroffenen Bevölkerung „Ängste und Traumati-sierungen“ bedauert. Ja sagen Sie einmal, lieber Herr Schneider, bei welchem Krieg denn nicht?!
Solch eine Naivität kann auch nur ein Mensch, der 66 Jahre, also sein gesamtes Leben, in Frieden und Freiheit gelebt hat von sich geben.
„Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein.“ Toll, und wer hat den Sa-tan in die Welt geschickt?! Das ist es doch, dass wir Menschen nach Gottes Willen frei handeln können und somit gut oder auch böse. Dage-gen ist militärische Abwehr letztlich notwendig, wenn das „Leitbild des „gerechten Friedens“, die Lösung von Konflikten möglichst auf gewalt-freien Weg“, wie Sie so sanft schreiben, nicht erreichbar sind.

Ich selbst entstamme einer Generation, welche den letzten Krieg voll miterlebt hat, und der froh und dankbar ist, dass dieser letztlich durch militärisches eingreifen beendet werden konnte. Auch zu dieser Zeit war „Krieg nicht Gottes Wille“, und „Ängste und Traumatisierungen“ aus die-ser Zeit kenne ich genug.

Meine Bitte an Sie ist: Missbrauchen Sie Ihr Amt nicht politisch, sondern betätigen Sie sich seelsorgerisch, so, wie auch Ihr Beruf bezeichnet wird.


Gez. Dietrich Steckel

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Sehr geehrter Herr Schneider,

Sie kennen das doch von Kirchentagen: Zuerst wird über den weitestgehenden Antrag abgestimmt, danach über andere, wenn noch welche übrig sind.

In Ihrem Artikel machen Sie es anders herum: Sie diskutieren die Drohnen, und erst gegen Schluss kommen Sie zu der Frage, ob Krieg sein soll oder nicht. Meiner Meinung nach ein  schwerer rhetorischer Fehler, unter dem der ganze Aufsatz leidet.

„Drohneneinsätze …(erzeugen) in der Bevölkerung … ein Klima der Angst und der Traumatisierungen. Das dient wohl kaum dem Frieden.“ Ja, so ist es leider. Aber bei anderen Formen des Luftkriegs ist es nicht anders.

Ich war 14, als der Zweite Weltkrieg zu Ende war, und erinnere mich noch mit elementarer Deutlichkeit an die Angst, die die Flächenbombardements der Alliierten hervorriefen. Und die Besatzungen der Bomber, das weiß man aus der später entstandenen Literatur, wussten nicht, wen oder was sie da bombardierten. Das Leiden der Opfer haben sie nicht wahrgenommen, die Verantwortung für das Töten haben sie nicht direkt erfahren.

So war es auch später in Korea und Vietnam, so ist es heute bei Raketenangriffen im Nahen Osten. Ich möchte mit aller Vorsicht die Vermutung äußern, dass damals wie heute die Zahl der Opfer geringer gewesen wäre, wenn es schon Drohnen und genaue Zielansprache gegeben hätte. Wenn diese Vermutung zutrifft, wären wir froh darüber gewesen. Natürlich nur, soweit wir nicht als Kollateralschaden ums Leben gekommen wären.

Sie haben schon recht, Gott will den Krieg nicht. Aber das ist ein gänzlich anderes Thema.

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Uwe Lampe 29.01.2014

Gastkommentar von Uwe Lampe, Oberstleutnant d.R.

Will man die anzunehmende Unerfahrenheit des neuen Kopfes des Verteidigungsministeriums ausnutzen, um ein schon oft diskutiertes Thema jetzt in eine andere Richtung lenken zu können? Wenn sich jetzt Bundeswehrverband, Wehrbeauftragte und Spitzenmilitärs für die Anschaffung von Kampfdrohnen aussprechen, kann man diesen Eindruck gewinnen.

Der Begründung der Wortführer, dass damit der Schutz der eigenen Soldaten erhöht wird, mangelt es an Plausibilität. Die wörtliche Behauptung des Wehrbeauftragten: "Es geht darum, bei einer Gefahr für die eigenen Soldaten oder Verbündete nicht nur zusehen zu müssen, sondern auch eingreifen zu können" geht nämlich an der Realität von militärischen Abläufen vorbei.

Der derzeitige Kommandeur der deutschen Afghanistantruppe sekundiert auf die Frage nach der Anschaffung von Kampfdrohnen: "Ich halte das unverändert für ein Mittel das bestmöglich den Schutz unserer Soldaten gewährleistet."

Hier werden Behauptungen aufgestellt die der militärischen Logik widersprechen! Damit auch der militärisch wenig informierte Bürger einen Einblick in die militärischen Abläufe bekommt, analysiere ich folgend ein mögliches Szenario.

Politiker und Militärs haben gerade in der jüngeren Vergangenheit immer wieder betont, dass bei unserem Abzug aus Afghanistan die Truppe (also unsere Soldaten) zusätzlich durch Kampfdrohnen geschützt werden müssen - bzw. dass dieses Waffensystem noch unbedingt erforderlich sei, da die bisher eingesetzten Mittel nicht ausreichten, um die militärisch eingesetzten Konvois adäquat zu schützen.

Natürlich bedürfen Konvois mit Fahrzeugen aller Art, die auf dem Landweg unterwegs sind eines besonderen Schutzes.

Doch selbst wenn wir unsere gepanzerte Kampftruppe nicht flankierend einsetzen, besteht noch genügend Schutzmöglichkeit.

Falls der Schützenpanzer Marder nicht zur Verfügung steht, um den Schutz im Geleitzug mit zu übernehmen, sind unsere militärischen Möglichkeiten, unsere Konvois zu schützen, noch immer akzeptabel.

Denn in diesem Fall (aber auch sonst) bieten unsere gepanzerten oder teilgepanzerten Fahrzeuge Schutz vor infanteristischen Feind. Panzerfaust, Maschinengewehr, Scharfschützengewehr und viele weitere Waffentypen können sehr wirksam zum Schutz des Konvois eingesetzt werden, wenn die Soldaten ihr Handwerk verstehen. Im Vorhinein ist die Strecke ohnehin auf Sprengfallen o.ä. abgesucht worden. Gegenüber Feind aus dem Hinterhalt sind unsere diversen Aufklärungssysteme durchaus wirksam.

Es stellt sich also die Frage, wozu überhaupt Drohnen notwendig sein sollten.

Wie aus der Kriegsgeschichte bekannt ist, muss auch der einzelne Soldat immer wieder bereit sein, ein Risiko auf sich zu nehmen, indem er z.B. als Flankenschutz in einem kampfkräftigen Trupp eingebunden den Abzug mit sichern kann. Hier kommt auch unseren Spezialkräften besondere Beachtung zu - sind sie es doch, die durch ihre Fähigkeit zum verdeckten Kampf ganz wesentlich zum Schutz beitragen können.

Diese Vorgehensweise ist bei einem sogenannten Landmarsch üblich und angemessen. Hat dann der taktische Führer noch das Bedürfnis nach zusätzlicher Sicherheitsgewährung, wird die Luftüberlegenheit, per Abruf von Kampfjets, gewährleistet. Die Luftwaffe, auch als Absicherung des Landmarsches, ist selbstverständlich in Afghanistan einsetzbar. Bei jedem hochkarätigen Truppenbesuch in Afghanistan, z. B. in Kabul, sind Abfangjäger im Luftraum aufgezogen und sichern somit das Vorhaben. Hierbei ist die elektronische Überwachung durch die vorhandene Radartechnik gewährleistet. Bei Feindbeschuss ist unverzüglicher Waffeneinsatz möglich, z.B. durch Raketeneinsatz von Flugzeugen aus.

Wir sollten nicht vergessen, dass wir in Afghanistan nicht gegen eine herkömmliche Armee kämpfen

In der jüngeren Vergangenheit wird im Zuge der Drohnendiskussion immer auf die besondere Schutzbedürftigkeit beim deutschen Abzug aus Afghanistan hingewiesen. Hier sollte man jedoch bedenken, wie viel Landmarschstrecke denn überhaupt, mit welchem Gerät zurückgelegt werden muss und ob diese Strecke einen Drohneneinsatz rechtfertigt.

Auch wird immer wieder die Sicherheit unserer Soldaten vor Ort ins Feld geführt. Dabei muss man sich aber vor Augen führen, dass sich die deutsche Truppe ganz überwiegend im geschützten Lager aufhält. Nur für regelmäßige Patrouillenfahrten sind Soldaten auswärts der Schutzmauern eingesetzt. Eine flächendeckende Präsenz deutscher Soldaten in Nordafghanistan (Deutscher Verantwortungsbereich), hat es nie gegeben und wird es auch zukünftig nicht geben.

Die Forderung nach mehr Sicherheit verliert somit an Schlagkraft, da auch Drohnen den Aufenthalt in einem - wohlgemerkt gut geschützten Lager - in einem Krisengebiet nicht weniger gefährlich machen werden können. Wenn weiterhin deutsche Soldaten, in Afghanistan vor Ort die Ausbildung von Spezialkräften und der Polizei durchführen sollen (sofern wir dazu überhaupt gebeten werden) müssen die Soldaten sich selbst schützen, auch wenn sie in militärischen Liegenschaften der Afghanischen Armee einquartiert sein werden.

Denn wir sollten nicht vergessen, dass wir in Afghanistan nicht gegen eine herkömmliche Armee kämpfen.

Wir haben nicht Waffensysteme wie Flugzeuge, Panzer oder Kampfwagen mit ihrem bestens geschulten Personal als Gegner, sondern ambitionierte Kämpfer, die verinnerlicht haben, wofür sie kämpfen - für die Macht im eigenen Land. Um das zu erreichen führen die Taliban in der Regel gut organisierte militärische Operationen aus und schlagen kaum vorhersehbar aus dem Hinterhalt zu. Dabei haben sie den Vorteil, genau zu wissen, wofür sie kämpfen - auch, weil sie das auf eigenem Territorium tun.

Die Taliban kämpfen mit Gewehren, Panzerfäusten und selbst gebastelten Raketen. Natürlich setzen sie auch Sprengsätze und verdeckte Ladungen ein. Zu besonderer und zumeist zielgerichteter Grausamkeit gelangen jedoch die menschenverachtenden Selbstmordanschläge, weil es dagegen in der Regel keinen wirksamen Schutz gibt.

Diese neue Art der Gewalt ist keine verwurzelte afghanische Spezialität, sondern mehr Ausdruck der militärischen Ohnmacht. Die Tatsache, dass Afghanen ihre eigene Bevölkerung, meist sogar Kinder, als Märtyrer sterben lassen, um die Fremden - die den Menschen bisher keine deutliche Besserung der eigenen Lebenslage gebracht haben - aus ihrem Land zu vertreiben, sollte uns nicht unberührt lassen.

Und gerade hier setzt die Kritik gegenüber Kampfdrohnen ein.

Die Wahrscheinlichkeit, durch Kampfdrohneneinsätze auch unschuldige Zivilisten zu treffen, ist ungleich höher, als durch gezielte Luftschläge von Kampfjets aus

Die Drohneneinsätze der Amerikaner - immer ausgelöst durch den Amerikanischen Präsidenten - haben z.B. in Pakistan nicht nur Terroristen getötet, sondern auch in vermehrter Zahl unschuldige Zivilisten getroffen. Die Wahrscheinlichkeit, durch Kampfdrohneneinsätze auch unschuldige Zivilisten zu treffen, ist ungleich höher, als durch gezielte Luftschläge von Kampfjets aus. Hier kann der Pilot noch in letzter Sekunde eine Gegenmaßnahme durchführen.

Wir alle kennen die Kunduz-Affäre, wo ein deutscher Oberst entgegen militärischer Handlungsanweisung mehrmals einen Befehl bekräftigte, zum Schutz der eigenen Soldaten auch den Tod von fast 100 Zivilisten hinzunehmen. Der Oberst befürchtete einen Angriff von Talibankämpfern, weil es eine größere Menschenansammlung in einem mehrere Kilometer entfernten Dorf gab.

Dort waren Tanklastzüge im Fluss steckengeblieben. Hochrangige Spitzenmilitärs distanzierten sich später ausdrücklich von diesem Befehl. Es bleibt wohl ein Geheimnis warum unser letzter Verteidigungsminister diesen Soldaten zum General befördern musste.

Zurück zum Kampfdrohneneinsatz: Hier ist es von besonderer Bedeutung, daran zu erinnern, dass Staaten wie Afghanistan nicht über Hochleistungswaffensysteme wie Kampfdrohnen verfügen und somit andere Wege finden müssen, auf die Attacken zu antworten. Dass diese anderen Wege insbesondere Selbstmordanschläge sein werden, erklärt sich durch die oben ausführlich beschriebene Wirksamkeit dieser. Und noch einmal zur Erinnerung: Vor Selbstmordanschlägen gibt es kaum einen wirksamen Schutz. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir durch den Einsatz von Kampfdrohnen die Gewaltspirale also nur verstärken, ist immens hoch.

Selbst der noch im Dienst befindliche US-amerikanische Kommandeur des Spezialkräftekommandos der Nato, Vize-Admiral Sean A. Pybus, sah sich in einem Interview mit der Reservistenverbandszeitung Loyal genötigt, auf die Frage, wann Spezialkräftesoldaten von Maschinen ersetzt werden, wie folgt zu antworten:

Effizienz und Präzision sind hilfreich, aber Glaubwürdigkeit und Vertrauen meist wichtiger. Wir Amerikaner haben das noch nicht voll verstanden. Kurzfristig mag es effektiv sein, die Führer terroristischer oder aufständischer Netzwerke mit einer Kampfdrohne zu eliminieren. Doch was haben wir langfristig damit erreicht? Die Netzwerke sind wieder gewachsen, wir aber kämpfen noch immer darum, in den betreffenden Ländern und weit darüber hinaus unsere Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. Es gibt intelligentere Lösungen, um Terrorführer auszuschalten, ohne gleich die Bevölkerung gegen sich aufzubringen.

Wenn selbst Vize-Admiral Pybus so etwas sagt, dann ist das nicht nur ein mutiges Zeichen, sondern dann sollte uns gerade diese Aussage die Augen für die Gefahren eines Kampfdrohneneinsatzes öffnen und zu einem sofortigen Abbruch der Kampfdrohnendiskussion beitragen! Denn soviel ist sicher: Ein Verantwortungsträger in Amt und Würden greift nicht ohne Grund zu einer so klar positionierten Aussage!

Den Befürwortern von Kampfdrohneneinsätzen, die argumentieren, dass nur die Einsatzregeln klar und deutlich formuliert werden müssen, sei gesagt, dass mindestens das Zeitargument dem widerspricht. Denn der Kampfdrohneneinsatz erfordert in aller Regel, ein schnelles Handeln auf eine konkrete Gefahr hin. Somit muss also die Entscheidung beim örtlichen Truppenführer liegen - und da sind alle Unwägbarkeiten denkbar, bis zur Fehlentscheidung mit vielen zivilen Opfern.

Abschließend möchte ich noch ein paar Gedankengänge grundsätzlicher Art beleuchten: Krieg war bisher als Völkerschlacht und nicht als Menschenjagd definiert. In zivilisierten Staaten, welche die Menschen-würde auch ihrer Gegner achten, werden Verbrecher nicht vor dem Prozess erschossen, sondern verhaftet. Wenn demnächst Demokratien, Diktatoren, Terroristen und Verbrecher Zugang zu Kampfdrohnen erhalten, ist kein Mensch auf dem Globus vor diesem Waffensystem sicher!

Wenn Gewalt mit Gewalt vergolten und dabei die Menschenwürde außer Acht gelassen wird, begeben wir uns in unserem sogenannten "Friedensauftrag" nur allzu schnell auf die gleiche Stufe. Kampfdrohnen zu kaufen ist ungleich einfacher, als wenn man Schiffe, Panzer, Geschütze oder auch Flugzeuge beschaffen muss. Dieses können in der Regel nur Staaten.

Deutschland sollte in einer solchen Frage mehr Besonnenheit zeigen, dann das Problem von Krieg oder Frieden wird uns weiter beschäftigen. Die Fixierung auf terroristische Bedrohungsszenarien ist einem Staat in der Mitte Europas jedenfalls langfristig abträglich.

Außerdem sollte man eine Tatsache nicht vergessen, die Altkanzler Helmut Schmidt, im Zeit-Magazin vom 9. Januar 2014 in Erinnerung rief: Dass die beim Drohneneinsatz unvermeidlichen "Kollateralschäden […] in Wahrheit die Tötung unbeteiligter Menschen" sind.

Aus all diesen genannten Gründen heraus wäre die Anschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr ein falsches Signal.

Zum Verfasser: Uwe Lampe war vier Jahre Kommandeur eines nicht aktiven Panzergrenadierbataillons, Berater an der Deutschen Botschaft in Kabul (auch zu Sicherheitsfragen) und stellvertretender Beauftragter für Sicherheitspolitik der Landesgruppe Niedersachsen des Verbandes der Reservisten der Deutschen Bundeswehr.