Der heute zu Ende gegangene Katholikentag 2014 in Regensburg stand unter dem vielversprechenden Motto: "Mit Christus Brücken bauen". Ist das gelungen? Eine Nachbetrachtung von chrismon-Redakteur Eduard Kopp.
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
21.05.2014

chrismon Redakteur Eduard Kopp

Regensburgs berühmte „Steinerne Brücke“ gab das Symbol ab, und wohl kein anderes Symbol und Sprachbild wurde in so kurzer Zeit so massiv traktiert wie dieses. Das Motto des 99. Katholikentags „Mit Christus Brücken bauen“ stiftet zu allerlei Überlegungen an. Aber es provoziert auch das Scheitern an den eigenen hohen Ambitionen.

Genug Brücken gebaut, lieber Katholikentag? Das demografische Profil des Treffens gab zu denken. Was den Proporz der Geschlechter angeht, kann man mit dem besten Willen nicht von ausgeglichenen Verhältnissen sprechen. Knapp 42 Prozent der Dauerteilnehmer waren männlich, mehr als 58 Prozent weiblich. Es ist mehr als dringend nötig, dass die katholische Kirche eine Brücke zu den Männern baut.

Demografische Schieflage

Auffallend auch die Altersverteilung: Die am schwächsten vertretenen Altersgruppen sind die 18- bis 29- Jährigen (mit nur 12,9 Prozent), die 30- bis 39-Jährigen mit sogar nur 6,5 Prozent. Die stärkste Altersgruppe bilden die 50- bis 59-Jährigen mit 23,5 Prozent der Dauerteilnehmer. Die kirchliche Brücke zu den jungen Erwachsenen droht abzubrechen.

Inhaltlich gab es einige denkwürdige Veranstaltungen, die im Vergleich zur 800 Jahre alten Steinernen Brücke Regensburgs ausgesprochen brüchig erschienen. Als ein Gesprächsangebot von kirchenpolitischer Bedeutung war das Podium mit der Schwangerenberatung „Donum Vitae“ angekündigt worden. „Donum Vitae“ war nach dem Ausstieg der Amtskirche 2001 aus der Schwangerenberatung von mutigen Laien als private katholische Initiative gegründet worden. Was den Vatikan und einige konservative Katholiken ärgert: Sie stellt auch Beratungsscheine aus, mit denen ein straffreier Abbruch möglich ist. Auf Pressionen des Vatikans hin hatten die deutschen Bischöfe den Rückzug aus der „ergebnisoffenen“ Beratung angetreten. Sie ließen – anders als „Donum Vitae“ – die Frauen im Stich. Die Zahlen zeigen es: Führte die katholische Kirche im Jahr 2000 noch 18 Prozent aller Beratungen durch, waren es 2013 weniger als zwei Prozent.

Eine Neuaufnahme der Abtreibungsdebatte?

Doch statt den Brückenschlag zwischen den Bischöfen und „Donum Vitae“ zur ruhigen Reflexion zu nutzen und zum Beispiel neue Formen der Kooperation auszudenken, missbrauchten einige Rednerinnen, darunter Sophia Kuby von „European Dignity Watch“, die Veranstaltung dazu, jede Abtreibung grundsätzlich zur Disposition zu stellen. Es gehört schon ein fragwürdiges Rechtsverständnis dazu, den eigenen Moralismus zum Maßstab für andere zu machen. Brückenschlag? Misslungen.  

Die neue Linie von Papst Franziskus, zwischen armen und reichen Ländern mehr Ausgleich zu bewerkstelligen, schlug auf dem Regensburger Katholikentag spürbar durch. Im Zentrum „Globale Verantwortung“ war viel die Rede vom politischen Ziel der Nachhaltigkeit. Aber je intensiver und ehrlicher sich die Katholiken mit ihrem eigenen Umwelt- und Sozialverhalten befassten, umso kritischer fassten sie auch die kirchlichen Institutionen ins Auge. Da trauten sich schon einmal Mitarbeiter eines katholischen Verbandes, deutlich vernehmbar das Luxusleben katholischer Bischöfe zu kritisieren – und sie meinten nicht nur den inzwischen abgesetzten Limburger Bischof Tebartz-Van Elst.

Reichtum und sexuelle Gewalt: heftige Streitthemen

So etwas kommt nicht immer gut an. Ein älterer Mann wurde auf den Stufen des Domes gleich von drei Polizisten bedrängt, weil er ein Banner hochhielt: „Jesus Christus trug Holz! Päpste und Kardinäle tragen Gold.“ Und auf einem Straßenstand musste auf einem kleinen Plakat das F-Wort abgeklebt werden, das den milden Umgang von Papst Johannes Paul II. mit dem mexikanischen Priester und Ordensgründer Marcial Marciel Degollado kritisierte. Der Priester hatte nachweislich über drei Jahrzehnte hinweg Seminaristen sexuell missbraucht. Erst Papst Benedikt ließ Degollado fallen.

Es kann, so Kardinal Reinhard Marx beim Abschussgottesdienst des Katholikentags, „keine Verkündigung des Evangeliums geben ohne die Brücke zu den Armen“.  Und mit den Armen sind die Opfer des Wirtschaftssystems ebenso gemeint wie die Opfer sexueller Gewalt und viele andere Benachteiligte. Dem Kapitalismus hatte Marx schon Tage zuvor bei einer SPD-Veranstaltung ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Michel Camdessus, früherer Direktor des Internationalen Währungsfonds und heute 81 Jahre alt, wurde konkreter und kritisierte die „Plünderung der ärmsten Länder Afrikas durch internationale Konzerne“.

Nur vereinzelt Gedränge

Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel, Publikumsmagnet und strapaziertes Fotoobjekt, mit ihrer lange vermissten Erklärung in die Schlagzeilen geriet, Jean-Claude Juncker solle EU-Präsidenten werden, war keine Leistung des Katholikentags und trug auch nicht zu dessen Profilierung bei. Aber es ließ die Teilnehmer des Katholikentags ein wenig Weltpolitik spüren. Auch dies ein bescheidener Brückenschlag.  

Der Regensburger Katholikentag hat auch in einer anderen Hinsicht gepunktet: mit seiner Überschaubarkeit. Selten standen die Teilnehmer einander auf den Füßen. Auch wenn manche Räumlichkeiten völlig falsch gewählt waren (zur Veranstaltung über das Reformationsjubiläum mit der evangelischen Theologin Margot Käßmann und dem katholischen Ökumenebischof Gerhard Feige waren rund 150 Zuhörer zugelassen, 1000 mehr wären gern dabei gewesen), kam nur vereinzelt Gedränge auf. Das Publikum verlief sich auch in der Stadt. Im ausladenden Leichtathletik-Stadion auf dem Unigelände lauschten nur 1500 Jugendliche dem Konzert „Regensburg rockt die Welt“. Die Brücke zur Welt: Sie interessierte nur die Jugendlichen, die in der unmittelbaren Nähe des Stadions ihr Nachtquartier hatten. Erst der Abschlussgottesdienst vermochte das Stadion zu füllen.

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„Die Leute glauben an einen göttlichen Schöpfer, versuchen ihr Leben in Gehorsam gegenüber seinen vermeintlichen Wünschen und in Erwartung einer vermeintlichen ewigen Belohnung, zu leben und werden Opfer des größten Betrugs aller Zeiten.“ (in „So You Believe in God!“)

Barbara Smoker

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Katholikentage sind Höhepunkte für eine kirchliche Außenschau; sie haben innerhalb der kath. Kirche nur ein Ziel: sie dienen einer Camouflage der Nichtbereitschaft zur Einleitung längst überfälliger Reformen. Wenn die kath. Kirche endlich eine offene und schonungslose Sicht der Innenverhältnisse zuließe (vgl. das Theologenmemorandum aus dem Jahre 2011), würde der ausschließliche Fassadencharakter eines kath. Eventereignisses schnell enthüllt.

Doch genau diese schonungslose Offenheit will die (noch) Großinstitution mit den immer weniger werdenden Gläubigen um jeden Preis verhindern. Unter dem neuen Vorsitzender der DBK wird sich hier nichts ändern, da er in seinem tiefsten Inneren ein konservativer Traditionalist ist, der sich zwar telegen und kommunikativ gut verkaufen kann, jedoch hinter dieser Fassade verbirgt sich auch bei ihm die Nichtbereitschaft grundlegender Reformen.

Die Rückwärtsgewandtheit während des Katholikentages fiel am deutlichsten auf beim Streit um die katholische Schwangerschaftskonfliktberatung aus. Vertreter der von katholischen Laien getragenen Beratungsstelle donum vitae, die von den Bischöfen massiv ausgegrenzt werden, diskutierten erstmals überhaupt auf einem Podium mit katholischen Lebensschützern, die das staatliche Beratungssystem verteufeln. Doch auch hier wurden Schlachten der Vergangenheit geschlagen. Ob es nicht längst überfällig ist, dass die Bischöfe ihre – skandalöse - Haltung zu donum vitae revidieren, stand nicht zur Debatte.

Dass gerade auch in der Schwangerschaftskonfliktberatungsdiskussion dieselbe unfruchtbar blieb, lag nicht zuletzt auch am gastgebenden Bischof Rudolf Voderholzer. Dessen wenig hilfreiche Qualifizierung von Abtreibungen als Massaker im Mutterleib gleich zu Beginn des Katholikentags, musste jede Brücke zwischen den unterschiedlichen Positionen ins Wanken bringen. Dabei wollte der Katholikentag – gemäß seinem diesjährigen Motto - gerade Brücken bauen. Doch Voderholzer verfolgte – nicht nur beim Thema Schwangerschaftsabbruch - offenbar ein anderes Ziel: dem Katholikentag in seinem Bistum seinen konservativen Stempel aufzudrücken.

Dass ihm das gelingen konnte, dass in Regensburg die Benedikt-Kirche die Franziskus-Kirche immer wieder überlagerte, lag freilich auch daran, dass im deutschen Episkopat wie bei den Laienkatholiken neue prägende Gestalten fehlen, die dem Stil von Franziskus hierzulande ein Gesicht verleihen.

Was müsste sich an grundlegenden Reformen durchsetzen, damit die kath. Kirche wirklich im 3. Jahrtausend ankäme? Die folgenden Spiegelpunkte können die längst überfälligen Notwendigkeiten nur andeuten:

• Stärkung dezentraler Strukturen und Förderung der Subsidiaritäts-Idee

• Dem Communio-Gedanken muss neues Leben eingeflößt werden

• Der Augias-Stall „Kurie“ muss grundlegend gesäubert und reformiert werden

• Es muss selbstverständlich werden, dass die wichtigsten Leitungspersonen der Kurie zu einer wöchentlichen „Kabinettssitzung“ zusammenkommen und dass der Papst sich in diesem Gremium seine „Richtlinienkompetenz“ von niemandem aus der Hand nehmen lässt

• Laien und Kleriker müssen endlich auf Augenhöhe miteinander reden und entscheiden (!!!)
können

• Der Zwangs(!)zölibat muss endlich abgeschafft werden

• Den Frauen darf nicht länger der Zugang zu den Weiheämtern verschlossen bleiben

• Das Abendmahl muss auch den wiederverheiratet Geschiedenen und den konfessionsverbindenden Ehepaaren ermöglicht werden

• Zur Beseitigung der Kirchentrennung mit den Kirchen der Reformation muss das vatikanische Papier „Dominus Jesus“ endgültig für ungültig erklärt werden

Paul Haverkamp, Lingen

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Ich werde mich darum bemühen, dass die Belegschaft von Chrismon zum Besseren wechselt.

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Katholiken...blablabla. hört sich wie die reinste Beschimpfung an. Ist es möglich, dass man da noch WACH werden kann ? !!! Ich halte das nicht mehr aus.

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Barbara Smoker hatte also erkannt, dass der naive Glaube ein Betrug ist, aber wir sind doch schon längst darüber hinaus, denke ich. Wenn ein Christ wegen seines Glaubens verfolgt oder verspottet wird, erfährt er Gewalt. Tolerieren Sie so etwas ? Wen störe ich, wenn ich die Hl Messe oder den Gottesdienst besuche ? Mir hilft es, mich von Ressentiments zu befreien, oder Kraft für den Alltag zu gewinnen. Wen störte die junge Frau im Sudan ? Was tat sie, dass sie zu Tode verurteilt wurde ? Denken Sie darüber nach ? .................Warum schreiben Sie eigentlich in einer evangelischen Zeitschrift ? Frei nach dem Motto, wo zwei sich streiten, lacht der Dritte ?! Übrigens: Streit kommt in den besten Familien vor und ist nicht ungewöhnlich.

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Wir brauchen ein anderes Gottesbild. Gott ist identisch mit der Natur. Aber nicht nur mit der uns bekannten Natur. Sondern auch mit der uns unbekannten Natur. Es gibt keinen persönlichen Gott. Daher ist auch das Beten sinnlos. Wir brauchen Geistheilung gemäß Bruno Gröning. Und Traumdeutung gemäß C. G. Jung.
Eine Abtreibung darf nur in seltenen Ausnahmefällen erlaubt sein. Zudem darf es keine Gleichstellung einer "Homo-Ehe" und kein Homo-Adoptionsrecht geben.