Ein paar Monate ist es her, da kam in Murrhardt, einem Städtchen in Baden-Württemberg, ein junges Paar an die Haustüre von Familie Stein. Wortlos zeigten die beiden einen Zettel vor, auf dem in wackeligen Druckbuchstaben geschrieben war: Wir sind beide stumm geboren. Wir bitten um etwas Geld für Essen und Unterkunft. Herr Stein, dem Helfen nicht abgeneigt, bot den beiden an, sie zum Essen einzuladen oder ihnen ein Esspaket fertig zu machen. Das war allerdings nicht im Sinne der beiden. Der junge Mann schrie ihn an, er wolle Geld und nichts anderes, und spuckte Herrn Stein vor die Füße. Dann trollte er sich. Ein paar Schritte war er bereits weitergegangen, als er sich noch einmal umdrehte und Herrn Stein mit gewaltigen Worten verfluchte. Und dem ging das lange nach.
Im selben Ort findet sich eine Frau in der Sprechstunde einer Allgemeinärztin ein. Sie ist psychisch stark unter Druck. Der Grund: Sie ist vor kurzem aus einer charismatisch-pfingstlerischen Freikirche ausgetreten und wurde deshalb von einem Mitglied dieser Kirche verflucht.
Beim Gott der Juden und Christen ist von Liebe die Rede
Zwei Beispiele, die zeigen: Flüche funktionieren, wenn auch nicht in der Weise, in der sich das die Urheber wünschen. Wer einen anderen Menschen verflucht, wünscht ihm Unheil, Krankheit, vielleicht sogar den Tod an den Hals. Er will ihm Schaden zufügen, ihn womöglich vernichten. Das Verfluchen eines Menschen gehört ins Reich der Magie, des Schadenszaubers. Den sogenannten Hexen schrieb man die Fähigkeit zu, mit einer einfachen Geste und einem Fluch Mensch und Tier zu vernichten. Funktioniert hat dies nie, die Ursachen von Pest und Ernteverlust waren stets andere.
Sicherlich hat ein Fluch Folgen – allerdings „nur“ in der Psyche des Verfluchten. Aber selbst da würde er nicht fruchten, wenn man sich ein paar Einsichten aus Bibel und Geschichte vor Augen führte. Einem Menschen durch einen Fluch Schaden zuzufügen, ist nämlich theologisch ausgeschlossen, es steht in diametralem Widerspruch zu allem, was wir über Gott und seine Schöpfung wissen.
Geht man vom Gegenteil des Fluchs aus, dem Segen, wird deutlich: Der Segnende handelt nicht aus eigener Macht und Befugnis, sondern er wendet die Gnade Gottes einem Menschen zu. Der eigentlich Handelnde ist Gott. Es gibt nach den biblischen Traditionen keine legitime Macht, die nicht von Gott käme. Das führt so weit, dass selbst Jesus zu Pilatus bei seiner eigenen Gerichtsverhandlung sagt: „Du hättest keine Macht über mich, wenn sie dir nicht von Gott gegeben wäre.“
Der Fluch - ein Zeichen von Selbstüberschätzung oder eine Art Gotteslästerung
In Bezug auf den Fluch bedeutet das: Da jemand, der flucht, keine Vollmacht hat, das Leben eines Menschen zu beschädigen oder zu zerstören, bleibt der Fluch religiös bedeutungs- und wirkungslos. Damit es logisch irgendwie nachvollziehbar wäre, müsste es zudem einen Gott geben, der die Vernichtung der Menschen zu seinem Ziel erklärt hat. Der Gott der Juden und Christen ist dies nicht, im Gegenteil. Bei ihm ist allenthalben von der Liebe zu den Menschen, von Gnade und Barmherzigkeit die Rede. Eine religiöse Macht, die Menschen absichtlich ins Verderben führte und sich dabei von einem Einzelnen instrumentalisieren ließe, gibt es nicht. Gleichwohl kommen auch in der Bibel einige wenige Texte vor, in denen Menschen verflucht werden.
Kurz nachdem Noahs Großfamilie die Sintflut überlebt hatte und eigentlich eine goldene Zukunft in Aussicht stand, sprach Noah, der Architekt der Arche, einen weitreichenden Fluch gegen seinen Enkel Kanaan aus (1. Buch Mose 9,25). Was sich dieser hatte zuschulden kommen lassen, darüber streiten sich die Gelehrten (es hat jedoch nichts damit zu tun, dass sein Vater Ham den Großvater Noah betrunken und nackt gesehen hatte). Dieser Fluch sollte wohl eher Über- und Unterordnung von drei Stammeslinien festzurren.
Wenn uns heute Flüche begegnen, dann vielleicht als Folge eines Wutanfalls oder von Enttäuschungen. Sie mögen Zeichen von Selbstüberschätzung oder eine Art Gotteslästerung sein: indem die Urheber unterstellen, Gott meine es schlecht mit den Menschen, sein Groll lasse sich in beliebige Bahnen lenken. Das ist reines Wunschdenken, pure Fantasie.
Argumente erachte ich derzeit teils als unlogisch
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Fluchen ist überflüssig
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jesus hat auch verflucht
hat jesus nicht einen baum verflucht, der dann verdorrt ist, weil er keine früchte getragen hat?
mfg
Christian
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