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Es ist schon ein paar Jahre her, da war ich in Dresden und besuchte dort das Festspielhaus in Hellerau mit seiner Gartenstadt. Gartenstadt – allein schon der Name bezauberte mich. Stadt und Garten, eine wunderbare Verbindung.
Was für großartige Ideen Menschen wie Karl Schmidt, Gründer von Hellerau, hatten. Es ging nicht nur um das Wohnen, sondern eben auch um das kreative Zusammenleben. Alles war neu und revolutionär. Wann immer ich seither auf das Thema „Gartenstadt“ stoße, schaue ich es mir gern näher an.
Dass es auch in meiner Heimatstadt Hamburg „Gartenstädte“ gibt, hatte ich im letzten Jahr bei einem unserer vielen Corona-Spaziergänge gelernt. Diese Woche nun besuchte ich Sabine Schmidt-Kruse in der Steenkampsiedlung im Westen der Stadt.
Gärten für Gemüse- und Kleintierzucht
Schon 1914 entstanden die ersten Pläne für die selbst nach heutigen Maßstäben große Siedlung. Über 650 Gebäude, Ein- und Mehrfamilienhäuser, wurden bis Mitte der 1920er Jahre auf der grünen Wiese, weit draußen vom Zentrum der Stadt, in Bahrenfeld geplant und gebaut.
Sie alle hatten einen Garten, für den Gemüseanbau oder die Kleintierzucht, und wurden verwaltet von der ebenfalls zu dieser Zeit gegründeten „Siedlungs-Aktiengesellschaft Altona“, kurz SAGA, heute immer noch Hamburgs kommunales Stadtbauunternehmen und mit über 130 000 Wohnungen die größte Vermieterin in der Hansestadt. Ihr erstes Büro hatte die Saga im zweiten Stock des "Lindenkrugs" im Herzen der Steenkampsiedlung.
Das Haus gibt es noch. Heute hat hier die „Heimstättenvereinigung Steenkamp e.V.“ ihren Sitz. Den zweiten Weltkrieg überstand die Siedlung fast unbeschadet und so erscheint ein Besuch ein bisschen wie eine Zeitreise zurück: Schmale Straßen ohne Fußwege, Haus an Haus in Pastellfarben, viel Grün, viele Blumen. Ein Dorf in der Stadt mit einem ganz eigenen Flair.
2020 feierte die Siedlung ihr 100jähriges Bestehen, mitten in der Corona-Zeit. Viele der jahrelang geplanten Festveranstaltungen mussten abgesagt werden. Die Pandemie, so berichtet es mir Sabine, hat vieles in der lebendigen Nachbarschaft zum Erliegen gebracht.
Keine Bingo-Abende im Vereinshaus, keine Flying-Diner-Termine unter den Nachbarinnen. Sabine bedauert das. Schließlich war genau dies, die lebendige Nachbarschaft, der Hauptgrund, weshalb die alleinerziehende Mutter zweier schulpflichtiger Kinder 2008 aus dem Zentrum der Stadt hierherzog: „Ich liebte das bunte Leben im meinem Viertel“, erinnert sie sich. In der Siedlung mit seinen Einzelhäusern dagegen war alles ruhiger; es gibt keine Läden im Viertel und wenn man mal jemand nachts laut Krach macht, dann beschweren sich die Nachbarn. Dafür konnten die Söhne von Haus zu Haus laufen und in den Gärten eigene Beete bepflanzen. Eines der schönsten gemeinsamen Erlebnisse in der Siedlung, so erinnert sich Sabine, war eine große Apfelbaum-Pflanzaktion: Hunderte von jungen Bäumen wurden damals verteilt und eingepflanzt.
Und heute? Die Siedlung verändert sich. Längst hat die SAGA viele Häuser verkauft. Privateigentum tritt an die Stelle von ursprünglich preiswerten Mietwohnungen. Viele Häuser erstrahlen in frischen Farben, schick saniert. Die Straßen stehen voller Autos, für die hier eigentlich kein Platz ist.
Auch Sabine Schmidt-Kruse hat ihr Haus gekauft, in einem anonymen Bieterverfahren. Zusammen mit anderen Menschen und dem Verein engagiert sie sich für Fragen der Verkehrsberuhigung oder gemeinsame Aktionen im Viertel. Wenn die Pandemie vorbei ist, wird vieles wieder losgehen.
Später zu Hause lese ich noch das eine oder andere zur Geschichte der Siedlung und höre ein interessantes Radio-Feature zur „Zukunft der Gartenstadt“. Haben Siedlungen wie die im Steenkamp eine Zukunft jenseits von hübschen Häuschen mit Gärten für eine wohlhabende Mittelschicht? Was wurde und wird aus den revolutionären Ideen der Gründerväter und -mütter von Gartenstädten, die neuen Wohnraum für neue Menschen, kurz eine andere Gesellschaft, schaffen wollten?
Gartenstädte können eine Versöhnung sein zwischen Stadt und Land. Es hängt von den Menschen ab, die dort leben und aktiv sind.