privat
"Für einige ist es der Höhepunkt der Woche"
Es gibt an die 530 Mehrgenerationenhäuser in Deutschland. Und nein, hier wird nicht gewohnt, aber es wird zusammen getanzt, gekocht und gelacht - so auch in Fürstenwalde in Brandenburg
Tim Wegner
21.06.2023

"Mehrgenerationenhaus" - als ich dieses Wort in einer Mail an mich das erste Mal las, dachte ich spontan an Menschen verschiedener Generationen, die zusammen in einem Haus wohnen. Gibt es auch, doch in dieser Info-Mail ging es um etwas anderes.  "Mehrgenerationenhaus" ist der schon vor Jahrzehnten eingeführte Titel eines Aktions- bzw. Bundesprogramms zur Förderung des gesellschaftlichen Miteinanders.

Gutes Zusammenleben, das interessiert mich in der Wohnlage. Ich lernte: Über 530 Einrichtungen gibt es bundesweit. Mal sind es ganze Häuser, mal nur ein paar Räume. Doch immer geht es darum, dass über die Grenzen der Generationen hinweg Menschen zusammenkommen und gemeinsam etwas machen. Es geht um gute Nachbarschaft, soziales Miteinander und die Stärkung des sozialen Zusammenhalts.

Und damit das möglichst wenig oder am besten gar nichts kostet, braucht es wiederum andere Menschen, die im Ehrenamt in diesem "Mehr-Generationen-Haus" arbeiten. Ehrenamt: unser aktuelles Wochenthema.

Juliane Lehmann aus Brandenburg ist eine dieser Engagierten. Im "echten" Leben, also in ihrem Beruf, ist die junge Frau Lehrerin an einer Förderschule in Fürstenwalde/Spree. Dazu unterrichtet sie Tanzen im Mehrgenerationenhaus ihrer Heimatstadt.

In einem Telefonat erzählte sie mir, warum sie das macht. Für viele Kinder, aber eben auch ältere Menschen, sei diese Tanzstunde der "Höhepunkt ihrer Woche." Die Angebote im Haus seien bewusst niedrigschwellig gestaltet; Juliane geht es vor allem darum, Menschen zu erreichen, die sich sonst wenig in die Gemeinschaft trauen. Einsame Menschen; Kinder aus Familien mit zu wenig Geld für Hobbies und Sportvereine oder Menschen, die neu in der Stadt sind und niemanden kennen.

Diesen Ansatz bestätigt auch Carsten Rowald, Leiter der Einrichtung. Gerne schickt er ein Bild von sich und seinen Freiwilligen. Er ist stolz auf sein Team, stolz auf die Arbeit, die sie zusammen leisten.

Carsten Rowald und sein Team - links im Bild vor dem See Juliane Lehmann

Aber gibt es denn nicht genügend Kurse in Volkshoch- oder Tanzschulen mit einer ähnlichen Ausrichtung? Gibt es, natürlich, sagt Carsten Rowald. Aber, und das sei eben ein entscheidender Unterschied, dort müsse man sich anmelden; vielleicht sogar gleich mehrere Stunden hintereinander buchen.

Im Mehrgenerationenhaus (das allerdings in Fürstenwalde tatsächlich nur einige Räume in einem Haus belegt und unter großem Platzmangel leidet) könnten die Menschen einfach "nur mal so" zum Schnuppern vorbeikommen. Es gibt Baby- und Seniorenkurse; Schachgruppen, Beratungstermine oder Hilfsangebote im Alltag. Wem es nicht gefällt, kommt nicht wieder. Und nur wer kommt und teilnimmt, zahlt 1 oder auch mal 2 Euro Gebühren in einigen Fällen, vieles ist ganz umsonst.

Pro Woche nehmen zwischen 200 und 300 Menschen die Angebote wahr; zum "Line Dance" beispielweise kommen dann auch schon mal 50 Interessenten.

All diese Angebote funktionieren nur, weil es immer wieder Menschen wie Juliane Lehmann in Fürstenwalde gibt, die sich fast ganz ohne Honorar (Juliane bekommt fünf Euro Aufwandsentschädigung pro Stunde) engagieren. Sie liebt diese Arbeit, denn: "Ich hab als Lehrerin mit den Kindern genauso viel Spaß am Tanzen wie sie."

PS: Gerne erzähle ich hier, wie es mit den Projekten weitergeht, die Thema in der Wohnlage waren: Die Allmende in Freiburg hat Richtfest gefeiert! Großartig - Glückwunsch!

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Kolumne

Dorothea Heintze

Wohnen wollen wir alle. Bitte bezahlbar. Mit Familie, allein oder in größerer Gemeinschaft. Doch wo gibt es gute Beispiele, herausragende Architekturen, eine zukunftsorientierte Planung? Was muss sich baupolitisch ändern? Wohnlage-Autorin Dorothea Heintze lebt in einer Baugemeinschaft in Hamburg und weiß: Das eigene Wohnglück zu finden, ist gar nicht so einfach. Alle zwei Wochen.