Susanne Breit-KeßlerTafelspitz
Susanne Breit-Keßler
Kaiserlicher Tafelspitz
Ein Lockdown kann auch öffnen – für neue Ideen


03.03.2021

Der Gatte feiert einen runden Geburtstag. Das ist in diesen Zeiten nicht einfach zu handhaben. Freunde kann man nicht einladen, besuchen ebensowenig. Restaurants haben zu. Und wenn noch dazu die eigentlich geplante Seereise ausfällt, ist die Freude nicht eben überbordend. Überbordend, ha! - immerhin bleiben noch Wortwitz und Ironie. Also was tun? Innere Blockaden überwinden, kreativ werden und Spielräume nutzen, ganz im Sinne des diesjährigen Fastenmottos. Ich habe eine Essenstombola veranstaltet.

Ein kleines Körbchen voller Lose für eine ganze lange Geburtstagswoche. Auf jedem dieser Lose steht eine Leibspeise des Liebsten. Fleischpflanzl zum Beispiel, Spaghetti Arrabbiata, Böfflamott oder Tafelspitz. Der Gatte öffnet alle Lose und darf jeden Tag sagen, was er am Abend essen mag. Ich finde das eine ziemlich großartige Idee - und er auch. Begeistert legt er die Lose nebeneinander und entscheidet sich als erstes für den Tafelspitz. Natürlich habe ich alles eingekauft und, wo nötig, erst einmal eingefroren.

Wiener Kost für einen Gentleman

Den Tafelspitz, ein typisches Wiener Gericht aus Rindfleisch, oft gegessen an der kaiserlichen Tafel, brate ich kräftig rundherum an. Dann kommt Wasser dazu, bis das Fleisch bedeckt ist. Sellerie, geröstete Zwiebel, Karotten und Petersilienwurzel reichern die Brühe an. Etwa drei Stunden köcheln lassen, eine halbe Stunde vor Ende noch eine Gewürzmischung aus schwarzem Pfeffer, Wacholderbeeren, Lorbeerblatt, Chili und etwas Knoblauch dazugeben. Am Besten in einem Gewürzsieb, dann muss man hinterher nicht alles aus der Brühe fischen.

Dazu mache ich Bouillonkartoffeln. In Stücken, ebenfalls vermischt mit Wurzelgemüse, dünste ich sie in Brühe gar. Dann wird der Tafelspitz serviert - in Scheiben geschnitten, auf einem Bett von Kartoffeln, mit Schnittlauch bestreut, etwas roh geriebener Meerrettich dazu. Den Meerrettich kann man mit Zitrone vermengen, damit er nicht dunkel wird oder mit Sahne. Kaiser Franz Joseph I. soll ein gastronomischer Langweiler gewesen sein, der Essen nicht recht zu schätzen wusste. Der König meines Herzens ist da anders. Er genießt und schweigt. Lächelt fein. Ein Gentleman eben. 

Vom Blog zum Buch:
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Kolumne

Susanne Breit-Keßler

Essen und Trinken hält Leib und ­Seele zusammen. Und darüber Neues zu lesen, macht den Geist fit. Viele Folgen lang hat Susanne Breit-Keßler Ihnen Woche für Woche ihre Gedanken dazu aufgeschrieben und guten Appetit gewünscht. Im Sommer 2024 endete die Kolumne. Die Texte sind weiter im Archiv abrufbar.