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Am 12. März 2011 saß Angela Merkel vor dem Fernseher und sah etwas, was sie als Physikerin bis dahin für unmöglich hielt: Ein AKW im japanischen Fukushima flog in die Luft.
Erst jetzt, 25 Jahre nach Tschernobyl, wurde der Atomfreundin klar, dass es höchste Zeit ist, aus der Atomenergie auszusteigen. Nur wenige Monate zuvor hatte ihre schwarz-gelbe Bundesregierung noch Laufzeitverlängerungen für deutsche AKWs beschlossen und den rot-grünen Atomausstieg beerdigt. Es sollte ein teurer Umweg werden.
Am 11. März 2011 um 14.46 Uhr Ortszeit hatte ein Erdbeben der Stärke 9 den Norden der japanischen Halbinsel Honshu erschüttert. Wenig später erreichte ein Tsunami die Küste, der katastrophale Auswirkungen auf die Menschen der Region hatte. Zum Teil bis heute. Über 19.000 starben, 160.000 wurden heimatlos, 120.000 Gebäude wurden zerstört und mehrere hunderttausend Gebäude erheblich beschädigt.
In den Blöcken 1,2 und 3 des AKW kam es durch Stromausfall zur Kernkühlung. Dies führte zur Überhitzung der Reaktorkerne und in Folge zur Kernschmelze. Riesige Mengen radioaktiver Stoffe wurden freigesetzt und richten Strahlenschäden bis heute an. Der damalige japanische Ministerpräsident wurde zum Atomkraftgegner und reist seither als Redner für die solare Energiewende um die Welt.
In Deutschland hat der GAU (größtmögliche Atomunfall) in Japan ein weit größeres politisches Beben ausgelöst, dessen Folgen bis heute nachwirken. Zwei Wochen nach Fukushima, am 27. März 2011, siegten die Grünen bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg und Deutschland beschloss den Atomausstieg. Die „Märzrevolution“ von 2011 (Süddeutsche Zeitung) machte aus einer Regierung der Atomfreunde eine Koalition der Aussteiger. Und Winfried Kretschmann hat auch in wenigen Tagen wieder die Chance zum drittenmal zum Ministerpräsidenten gewählt zu werden.
„Tage, die alles verändern, beginnen meist ohne Vorwarnung“, schreibt die Süddeutsche Zeitung zehn Jahre später. Wer hätte vor Fukushima gedacht, dass eine konservative Regierung der Atomenergie den Rest gibt? In den letzten zehn Jahren haben auch hierzulande viel Ökos Merkels Atomausstieg nie ganz getraut. Doch die Kanzlerin hielt Wort. Wortbruch passt einfach nicht zu ihrem Stil und zu dieser Person.
Und zehn Jahre nach dem Ausstieg einigt sich diese Merkel-Regierung mit den vier deutschen AKW-Betreibern endgültig auf eine Entschädigung. Ende 2022 geht das letzte deutsche AKW vom Netz. Das ist nun auch vertraglich gesichert – nach vielen Jahren des Rechtstreits. Eine teure, aber auch sichere Lösung: 4.8 Milliarden Euro bekommen RWE, E.on, Vattenfall und EnBW für den vorzeitigen, aber endgültigen Ausstieg.
Bei unseren Nachbarn in Frankreich blieb fast alles beim alten. 70 Prozent des Stroms kommt dort nach wie vor aus AKWs. Brauchen die Franzosen erst ein drittes Tschernobyl, um auszusteigen? Der eigentliche Grund: Wer Atombomben baut, braucht AKWs, weil dort der Stoff entsteht zum Bau von Atombomben. Ein verhängnisvoller Zusammenhang. Der deutsche Ausstieg war einfacher.
Die Katastrophe von Fukushima hat hierzulande alles verändert. Jetzt können sich die Energiekonzerne auf den nächsten Ausstieg konzentrieren. Vattenfall hat schon damit begonnen und sein Kohlekraftwerk Moorburg abgeschaltet. Gegen Entschädigung natürlich. Drunter machen sie es nicht. Auch die weiteren Ausstiege kosten. Aber kein Ausstieg kostet die Zukunft.
- „Photographing Fukushima for the future“ (englisch)| Bilder von provisorischen Unterkünften, in denen viele mit Unannehmlichkeiten und einem Berg von Schüttgut-Säcken voller radioaktiver Erde leben müssen – das alles sind Fotos, die der 73-jährige Herr Toru Anzai aufgenommen hat, nachdem ihn die TEPCO-Atomkatastrophe von Fukushima Daiichi im März 2011 dazu gezwungen hat, sein langjähriges Zuhause in Iitate, Fukushima, zu evakuieren.