Erneuerbare Energien sind jetzt endlich weltweit auf dem Vormarsch. Global wird weit mehr Geld in die Erneuerbaren investiert als in die alte fossil-atomare Energiewirtschaft. Die Anti-Atomkraft-Bewegung ist in Deutschland am Ziel. Bürgerinitiativen und Umweltgruppen feiern diesen Sieg zurecht.
Es hat allerdings gedauert: Der Tschernobyl-Schock war nötig, dann der erste Ausstieg unter rot-grün, dann der Wiedereinstieg unter schwarz-gelb, dann der zweite Ausstieg nach Fukushima unter schwarz-gelb und nun der endgültige Ausstieg – zumindest in Deutschland.
Die Anti-AKW-Bewegung begann als kleine Minderheit und wurde erst nach Fukushima eine große Bürgerbewegung. Bis freilich ein Endlager für den strahlenden Atommüll gefunden ist, kann es bis zum Ende dieses Jahrhunderts dauern und das wird sehr, sehr teuer. Die Bilanz dieses teuren Irrwegs: Diese gefährliche Technologie hat vielleicht zwei Generationen ökonomische Vorteile gebracht, aber 33.000 Generationen müssen dafür bezahlen. Denn der nukleare Abfall strahlt circa eine Million Jahre. Das zeigt deutlich wie verantwortungslos und nicht nachhaltig wir heute wirtschaften.
Die Rechnung aus dem Atomzeitalter
Diese Rechnung ist die entscheidende Lehre aus dem Atomzeitalter. Einer der vielen Tricks, mit denen die Atom-Lobby die Öffentlichkeit getäuscht hat, hatte den Namen „Restrisiko“. Nach dem Tschernobyl-Desaster hatte ich den Atomphysiker Professor Wladimir Tschernousenko in der ARD interviewt. Diesen glühenden Anhänger der Atomkraft hatte Michail Gorbatschow zum Chef der Aufräumarbeiten in Tschernobyl berufen: Ihn habe ich gefragt, was „atomares Restrisiko“ bedeutet. Seine unvergessene Antwort: „Atomares Restrisiko ist jenes Risiko, das uns jeden Tag den Rest geben kann. Deshalb heißt es Restrisiko“.
Professor Tschernousenko wurde durch den Unfall selbst verstrahlt und starb an Krebs. In seinen letzten Lebensjahren wurde er zum Gegner der Atomenergie und hielt auf der ganzen Welt Vorträge gegen Atomkraft. Vor allem durch ihn wurde auch ich vom ursprünglichen Befürworter zum AKW-Gegner.
Deutschland steigt aus der Atomkraft aus, aber Frankreich setzt weiter auf AKWs und Polen will sogar neue AKWs bauen, obwohl Atomstrom schon heute mehr als doppelt so teuer ist als Strom aus erneuerbaren Energien. Von den Folgekosten ganz zu schweigen. Die alten AKWs werden immer störanfälliger und für sie steht immer weniger Kühlwasser zur Verfügung. In Frankreich laufen die Hälfte aller 56 AKW seit über 30 Jahren und ein Drittel sogar mehr als 40 Jahre. Muss in Frankreich erst ein großer Unfall passieren bis unsere Nachbarn aufwachen?
In Deutschland wird 2023 bereits die Hälfte allen Stroms erneuerbar gewonnen, in Frankreich etwa 30 Prozent. Unser nächstes Ziel: Ausstieg aus der Kohle spätestens 2030. Globale politische Hoffnungszeichen sind in den letzten Jahren die Abwahlen von Klimawandel-Leugnern wie Trump in den USA, Scott Morrison in Australien und zuletzt Jair Bolsonaro in Brasilien. Auch die letzte deutsche Bundestagswahl wäre ohne die Klimakrise und ihre unübersehbaren Auswirkungen wie im Ahrtal wohl anders ausgegangen.
Geschichte der Kernenergie
Als US-Präsident Eisenhower vor 70 Jahren die „friedliche Nutzung“ der Atomenergie ausrief, gab es eine weltweite Euphorie. Nach Tschernobyl, Fukushima, vielen Beinahe-Unfällen, der Zerstörung der Lebensgrundlagen indigener Völker durch Uran-Abbau sowie den unbezahlbaren Kosten für die Atommüll-Entsorgung hat sich die Euphorie in Luft aufgelöst.
Die Zukunft gehört den umweltfreundlichen, bezahlbaren und ewig vorhandenen erneuerbaren Energien.