Notfallseelsorger Albi Roepke
Albi Roepke ist Notfallseelsorger und Pfarrer
Ingmar Björn Nolting
Schicksalsschläge
"Jede Sekunde Normalität ist ein Geschenk"
Wie reagiere ich, wenn jemand einen schweren Schicksalsschlag erlitten hat? Albi Roebke ist Pfarrer und Notfallseelsorger. Er weiß, was Betroffenen hilft und was sie gerade nicht brauchen
Tim Wegner
05.11.2025
7Min

chrismon: Sie sind als Notfallseelsorger dabei, wenn Menschen von schweren Schicksalsschlägen erfahren. Ich bin vor ein paar Jahren mit einer entfernten Freundin zu einer Hochzeit gefahren. An dem Morgen hat sie die Nachricht erhalten, dass ihr Vater wegen eines Herzinfarkts im Koma liegt. Wir waren Schulfreundinnen, standen uns aber nicht mehr besonders nahe. Wie reagiere ich in dem Moment?

Albi Roebke: In so einer Situation können wir zunächst unser Beileid ausdrücken, um zu zeigen, dass wir das Leid wahrnehmen. Anschließend können wir fragen, ob die Person darüber sprechen möchte oder ob wir sie ganz normal behandeln sollen. So kann die Betroffene für sich bestimmen, wie sie mit der Situation umgehen möchte.

Wir können auch fragen, wie der Tag weiter verlaufen soll. Möchte sie nach Hause fahren oder zur Hochzeit gehen? Das sollte sie selbst entscheiden dürfen. Sie darf auf der Hochzeit auch völlig abtanzen, ohne dass dies hinterfragt werden sollte. Nach so einem Ereignis ist nichts mehr normal, jede Sekunde Normalität ist ein Geschenk.

Ich wusste zunächst gar nicht, was ich sagen sollte.

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Hier finden Sie professionelle Hilfe:

Es kann ratsam sein, sich professionelle Hilfe zu suchen, wenn erste Reaktionen nach einem belastenden Ereignis länger als vier Wochen andauern. Dazu zählen starke Nervosität, Schreckhaftigkeit, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Gefühle der Sinnlosigkeit, Erinnerungslücken und Konzentrationsprobleme und Flashbacks oder das verstärkte Bedürfnis nach Alkohol oder Beruhigungsmitteln. Hilfe von außen kann schwere Folgeerkrankungen verhindern. Bundesweit gibt es dafür eine Reihe von Institutionen wie Beratungsstellen, Psychotherapie, traumazentrierte Fachberatung, Seelsorge und Ärzt*innen.

Telefonseelsorge: 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222, online.telefonseelsorge.de

Beratungsstellen der Diakonie: hilfe.diakonie.de

Beratungsstellen der Caritas: caritas.de/hilfeundberatung

In dringenden Fällen geben Sie "Traumaambulanz" und Ihren Wohnort in die Suchmaschine ein.

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Notfallseelsorge

Notfallseelsorge ist ein Angebot der Kirchen, Menschen seelsorglich beizustehen, die sich in einer akuten Notsituation befinden. Dazu zählen Angehörige nach dem plötzlichen Tod eines Menschen, Verletzte, Überlebende und Zeugen. Bei größeren Krisenlagen wie dem Hochwasser im Ahrtal 2021 oder dem Terroranschlag in Magdeburg 2024 sind oft zahlreiche Notfallseelsorgende im Einsatz. Sie werden ausschließlich über Rettungsdienst, Feuerwehr und Polizei alarmiert.

Insgesamt gibt es rund 7.500 ehren- und hauptamtliche Mitarbeitende in der Notfallseelsorge und in Kriseninterventionsteams in ganz Deutschland. Es handelt sich vor allem um hauptberufl­iche Mitarbeitende der Kirchen mit einer seelsorglichen Berufsausbildung und Menschen, die durch einen therapeutischen oder beraterischen Beruf die notwendigen fachlichen Voraussetzungen mitbringen. Ehrenamtliche absolvieren eine Ausbildung mit 100 Stunden (à 45 Minuten) als Basis, es folgen Fort- und Weiterbildungen. Die Notfallseelsorgenden selbst verarbeiten Erlebtes durch kollegialen Austausch und Supervision. Mehr Informationen gibt es unter notfallseelsorge.de.

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