Interkulturelles Puppentheater
Puppen und Polizeischutz
Shlomit Tripp hat jüdische und türkische Wurzeln. Sie reist mit ihrem Theater durch Deutschland, um Menschen zusammen­zubringen – gerade in schwierigen Zeiten
Königin Esther hat ihre jüdische Herkunft zunächst verschleiert und dann offenbart. Esther wird mit verschiedenen Puppen dargestellt. Am Ende sogar von Shlomit Tripp selbst
Fabian Zapatka
Robert Lehmann
Privat
02.12.2024
8Min

Shlomit Tripp muss das nicht machen. Die ­gro­ßen silberfarbenen Kisten packen. Die Kis­ten auf ein Rollbrett stellen, damit sie sich überhaupt bewegen lassen. Sie muss nicht, aber sie macht es. Mit den Kisten, einem Rucksack und noch einer schweren ­Umhängetasche reist die schmächtige 54-jährige Frau durchs ganze Land, um ein fürs andere Mal die Welt zu reparieren. "Wenigstens ein winziges Stückchen."

Die Orte, an denen sie repariert, sind Familienzentren, Flüchtlingsheime, Kirchen, Synagogen, Moscheen und Schulen. Ihre Werkzeuge sind ihre Puppenbühne – eine selbst entwickelte Konstruktion aus besonders leichtem Material, die sie in stundenlanger Geduldsarbeit erst auf- und nach der Vorstellung wieder abbaut. Keiner darf ihr dabei helfen, jeden Handgriff hat sie schon hundertfach ausgeführt, und jede Schraube, jedes Rohr, jede Klammer, jedes Licht hat einen festen Platz in den Kisten.

Dann sind da natürlich noch ihre Puppen, der neu­gierige Shlomo, die freche und schlaue Ayshe, der freundliche Rabbi Blumenberg und wie sie alle heißen. Auch sie sind Spezialkonstruktionen, auch sie werden von Shlomit Tripp selbst entwickelt und gebaut. "Ob bei Kindern oder Erwachsenen, die Puppen öffnen Herzen, auf eine unschuldige, aber auch unmittelbare Art", sagt sie. Nach den Vorstellungen fragen Kinder, ob sie die Puppen anfassen und sich mit ihnen fotografieren lassen dürfen. Dürfen sie, denn die Puppen sind die eigentlichen Stars des ­"Bubales", wie ihr Puppentheater heißt. Eine Wortkreation aus Buba, Hebräisch für "Puppe", und Bubale, das jiddische Wort für "kleiner Liebling". "Die Puppen sind halt meine kleinen Lieblinge", sagt sie und lacht.

Wenn Shlomit Tripp erzählt, sprudeln die Worte nur so aus ihr heraus. Man spürt ihre Energie und ihre Freude an dem, was sie tut – auch wenn ihre Arbeit seit dem Terror­angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 und dem aktuellen Krieg in Gaza deutlich schwieriger geworden ist. "Gerade jetzt ist es doch wichtig, dass in meinen Vorstellungen die muslimische neben der jüdischen Familie sitzt." Sie lacht bei dem Gedanken an die vollverschleierte muslimische Frau und ihren bärtigen Mann, die direkt neben dem ultra­orthodoxen bärtigen jüdischen Mann und seiner Familie gesessen haben. "Bart an Bart quasi", lacht Shlomit Tripp. Wie beide Familien über dieselben Witze gelacht haben. Wie sie sich dabei erstaunt angeschaut haben. In diesen Momenten, weiß Shlomit, dass ihr Welt-Reparaturservice wichtig ist.

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