"Die Barbie Karriere-Puppen sind perfekt, um Kinder spielerisch an die reale Arbeitswelt heranzuführen", heißt es im deutschen Onlineshop der Firma Mattel. Das scheint grob gelogen, wenn man sich das Angebot anschaut: Es wimmelt da von Blondinen mit großen Köpfen und dünnen Beinen, die Plastikpizza backen, rhythmische Sportgymnastik betreiben oder in pastellfarbenen Blümchen-Shirts Kranke pflegen. Und Fußball-Barbie ist ein Typ.
Klar: "fucking zombie consumer shit", wie Jim Jarmusch sagen würde, und voller Geschlechterklischees. Aber jetzt kommt der "Barbie"-Film der Schauspielerin und Regisseurin Greta Gerwig ins Kino, die respektable Filme mit und über Frauen gemacht hat. Von der erwartet man eigentlich, dass sie weiterdenkt als von der rosa Barbie-Tapete bis zur Wand. Und da habe ich mich daran erinnert, wie das bei mir war – spielen mit Barbie. Hat Spaß gemacht.
Denn Barbie, jawohl, war eine Revolution. Bevor sie auf den Plan trat, in den Sechzigern, gab es "für Mädchen" nur Baby- und Kleinkindpuppen. Die Fünfjährige schon auf ihre künftige Rolle festnagelten. Mit dem Puppenkinderwagen durchs Dorf schieben, Windeln wechseln, Fläschchen geben. Tanten, die so tun, als ob’s echt wäre – wie alt ist denn die Kleine? Brrr. Denkt man so früh an Mutterschaft? Man muss ja erst mal die Welt entdecken.
Sabine Horst
Und dann endlich: eine erwachsene Puppe. Eine weibliche Actionfigur. Eine Freundin bekam die erste Barbie in dunkelhaarig, ein bisschen damenhaft, samt Koffer, Schuhen, Hüten und zartem Teegeschirr. Bald kamen jüngere Figuren dazu, irgendwann hatten wir uns mit abgestimmten Weihnachtswunschzetteln eine ganze Frauen-und-Mädchen-Combo zusammengestellt. Die eröffnete uns neue Perspektiven via Rollenspiel. Reisen, arbeiten, Party machen. Kriminalfälle aufklären, Schätze entdecken.
Aber auch: Familienkrisen, Liebeskummer, Schulkonflikte re-inszenieren, sagen wir mal: das Drama des eigenen Lebens umschreiben. Und nicht alle Storys, die wir erfanden, waren "jugendfrei". Die Klamotten waren natürlich begehrenswert, aber unsere Barbies trugen auch Tuniken aus Stoffresten und aufgemalten Schmuck. Ken haben wir als Billigkopie im Schreibwarenladen erworben, weil wir einen brauchten, dem man sagen konnte: "Hol schon mal den Wagen."
Mattel hat auf das Versprechen weiblicher Selbstentfaltung seine ganze Marketingstrategie gegründet. Und natürlich gemerkt, dass es auch andere Zielgruppen als weiße Mittelstandskinder gibt. In den Siebzigern und Achtzigern wurden Schwarze und Latinas eingeführt, heute gibt es auch Plus-Size-Puppen und geschlechtsneutrale, im letzten Jahr wurde eine vorgestellt, die von einer Transperson inspiriert ist. Ich stelle mir vor, das könnte schon ermutigend wirken, wenn so eine im Kinderzimmer ausgepackt wird.
Im Übrigen machen Konsumenten mit dem, was die Industrie ihnen vorgefertigt vor die Füße wirft, nicht immer das, was in der Anleitung vorgesehen ist – Playmo- und Legofiguren zum Beispiel führen in Youtube-Fanvideos ein ausgesprochen wildes Zweitleben. Hätte ich heute ein Kind, das sich eine Barbie in den Kopf gesetzt hat, würde ich mich nicht verweigern. Ich würde sagen: "Mach damit, was du willst."