Harriet Tubman, Illustration
Laura Breiling
Sklaverei
"Let my people go!"
Harriet Tubman wurde als Sklavin geboren, ist geflohen - und hat dann unter Lebens­gefahr viele andere in die Freiheit geführt
06.10.2024
3Min

Im März 1822 – die Sklaverei ist selbstverständlich im Süden der Vereinigten Staaten von Amerika – kommt im Dorchester County in Maryland ein Mädchen zur Welt. Ihre Mutter Harriet und ihr Vater Ben gehören unterschiedlichen Sklavenbesitzern. Araminta heißt ihre Tochter. Schon früh wird die Familie auseinandergerissen und die Mutter mit den Kindern auf eine entfernte Plantage geschickt. Mit sechs Jahren leihen die Besitzer Minty, wie sie von ihrer eigenen Familie liebevoll genannt wird, erstmals gegen eine Gebühr an andere Familien aus. Sie muss sich um Kinder kümmern, im Haushalt und auf den Feldern helfen. Minty wird geschlagen, gepeitscht, für die kleinsten angeblichen Fehler. Davon berichtet sie später.

Mit 13 Jahren steht sie in einem Laden, als ein Sklave versucht zu ­fliehen. Dessen Besitzer wirft ihm ein Gewicht hinterher, das dann aber Minty am Kopf trifft. Sie er­leidet ­einen ­Schädelbruch, wenige Tage später muss sie wieder aufs Feld. Sie bricht zusammen, wird zu ihrem Besitzer zurückgebracht, ihre Mutter pflegt sie über Monate. Minty wird ihr Leben lang Schmerzen haben, ­regelmäßig minutenlang das Bewusstsein verlieren.

Als sie wieder kräftig genug ist, handelt sie mit ihrem Besitzer aus, dass sie sich selbst Arbeit suchen darf und ihm dafür eine Jahresgebühr zahlt. Sie nimmt ihr Leben selbst in die Hand. Sie arbeitet bei einer Familie, die Waldwirtschaft und Schiffsbau betreibt und auch freie Schwarze beschäftigt. Minty lebt in der Nähe ihres Vaters, der mittlerweile in die Freiheit entlassen wurde, und lernt ­ihren späteren Ehemann John Tubman kennen. In dieser Zeit nimmt sie den Namen ihrer Mutter an, Harriet.

Mehrere ihrer Geschwister ­werden von den Besitzern verkauft. Einen Bruder kann die Mutter retten, indem sie ihn über Wochen im Wald versteckt hält. Harriets Besitzer haben Schulden. Sklaven auf die Baumwoll­plantagen weiter südlich zu ­verkaufen, ist ein gutes Geschäft, doch versklavte Menschen haben kaum eine Chance, dort länger als ein paar Jahre zu überleben. Harriet beobachtet, dass Leute in die Freiheit fliehen und wie sie sich organisieren.
Am 17. September 1849, mit 27 Jahren, flieht sie selbst, gemeinsam mit ­ihren jüngeren Brüdern Ben und Henry. Die Besitzerfamilie setzt ­eine Anzeige in die Zeitung, um die ­Geflohenen wiederzufinden. Die Angst der Brüder treibt sie zurück.

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Wenige Wochen später macht sich Tubman wieder auf den Weg, diesmal alleine, zu einer Quäkerfrau, die ihr einmal Hilfe angeboten hatte. Abends bringt deren Mann sie mit dem ­Wagen zu einer Bahnstation – sie ist bei der "Underground Railroad" gelandet, einem Netzwerk von Menschen, die Sklaven bei der Flucht helfen.

Harriet Tubman wandert nachts, sucht nach dem Polarstern, sie will nach Norden, dort ist die Sklaverei abgeschafft. Nach mehr als 160 Kilo­metern erreicht sie die Stadt Philadelphia. "Es war Freiheit oder der Tod", sagt sie über ihre Entscheidung. Festgehalten ist das in einem Buch, das die Autorin Sarah Bradford 1886 geschrieben hat. Im Untertitel nennt sie Harriet Tubman "Moses ihres Volkes".

Tubmans Freude über die Freiheit ist getrübt. Ihre Familie wird weiter ausgebeutet, also arbeitet sie und spart – um ihre Familie in die Freiheit holen zu können, auch unter Einsatz ihres eigenen Lebens. Angst hat sie nicht. Sie fühlt sich von Gott beschützt.

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Sie läuft tagelang, reitet, fährt, segelt auf Booten mit und nimmt Züge. Immer wieder. Um unterwegs auf Gefahren hinzuweisen, singt sie mal schneller, mal langsamer, unter an­derem den Spiritual "Go Down Moses". Auf 13 Rettungsmissionen führt Tubman etwa 70 Menschen in die Freiheit, darunter ihre Geschwis­ter, ihre Eltern, Neffen und Nichten. Sie gilt als die bekannteste afroamerikanische Fluchthelferin. Harriet Tubman starb 1913 mit 91 Jahren.

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