Leseförderung mal anders
Mit Bücherschrank und Picknickdecke, Vorlesen für Kinder
Elke Tonscheidt
Aktion in Köln
Leseförderung mal anders
Kindern wird zuhause immer seltener vorgelesen - dabei bietet Vorlesen viele Vorteile. In Köln wurde mit "Lesewelten am Bücherschrank" ein einmaliges Projekt ins Leben gerufen, um Kindern Freude am Lesen zu vermitteln
Lena Uphoff
27.09.2024
4Min

Immer montags, mittwochs, donnerstags und freitags breiten ehrenamtliche Kölnerinnen und Kölner vor Bücherschränken eine Picknickdecke aus und lesen Kindern vor. Besonders gut kam bisher das "Grand Hotel der Gefühle" von Lidia Branković an, bei dem die Kinder Freude, Wut oder Traurigkeit mit Grimassen nachstellen konnten. Aber auch "Die Böckchen-Bande im Schwimmbad" von Bjørn F. Rørvik fanden die Zuhörer toll - ein Buch über Mut, Zusammenhalt und Ideenreichtum, das gut in die Sommermonate passt.

"Haben Sie einen Hund, ein Kind, oder einen Bücherschrank, dann kommen sie ins Gespräch"

Architekt Hans-Jürgen Greve

Die Aktion läuft noch bis Ende September und ist eine Idee von der Stiftung Neuer Raum und der Vorleseinitiative Lesewelten – deutschlandweit einmalig. Denn Vorlesen tut Kindern gut, macht sie erfinderisch, steigert das Mitgefühl und hilft dabei, einen Gerechtigkeitssinn zu entwickeln. Es fördert auch die Konzentration und erleichtert Kindern, selbst lesen zu lernen. Aber nur noch zwei Drittel der Kinder bekommen zu Hause vorgelesen, hat eine Studie der Stiftung Lesen ergeben.

In Köln gibt es insgesamt 64 öffentliche Bücherschränke - an vier von ihnen wird in diesem Sommer vorgelesen. Das Besondere: Die Bücherschränke werden als "Stadtmöbel" designt, sind wetterfest und durch bruchsicheres Glas auch vor Vandalismus geschützt. Eigentümerin dieser Schränke ist die Bürgerstiftung Köln, Idee und Design stammen von dem Architekten Hans-Jürgen Greve: "Die Menschen haben so viel Spaß dabei, sich zu treffen und Bücher auszutauschen. Für mich sind Bücherschränke soziale Möbel. Mein Lieblingssatz ist: Haben Sie einen Hund, ein Kind, oder einen Bücherschrank, dann kommen sie ins Gespräch."

Für Greve war von Anfang an klar, dass mit den Bücherschränken auch Kulturarbeit zusammenhängen würde. Aus diesem Grund rief er die Stiftung Neuer Raum ins Leben, die sich dafür einsetzt, Kultur auf öffentliche Plätze und Straßen zu bringen – vor allem rund um die Bücherschränke.

Wie viele Kinder sich auf die Picknickdecke setzen, um den Geschichten der Vorleserinnen und Vorlesern zu lauschen, ist unterschiedlich. Zwischen fünf und fünfzehn Kinder besuchen die Vorlesestunden an den Bücherschränken, je nach Wetter, Laune und Zeit der Eltern. Was sich aber bei allen kleinen Zuhörerinnen und Zuhörern zeigt: Die Reaktionen sind durchweg positiv. "Die Kinder stellen viele neugierige Fragen und möchten oft sogar zwei oder drei Bücher hören", sagt Franziska Kopp, Bildungsreferentin der Vorleseinitiative Lesewelten.

Das liegt auch daran, dass die Kinder während der Vorlesestunden nicht nur zuhören, sondern selbst aktiv werden und in die Geschichten einbezogen werden. Die ehrenamtlichen Vorleserinnen und Vorleser werden von Lesewelten geschult und in einem vierstündigen Einführungsseminar von Literaturpädagoginnen und -pädagogen mit der Methode des dialogischen Vorlesens vertraut gemacht. "Vorlesen ist etwas anderes, wenn man zu Hause mit seinem Paten- oder Enkelkind auf dem Sofa sitzt und gemeinsam ein Bilderbuch anschaut als wenn man vor sich mehrere Kinder sitzen hat, die man noch nicht kennt. Da braucht es mehr als nur das reine Vorlesen", sagt Kopp.

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Im dialogischen Vorlesen werden Fragen zu den Geschichten gestellt, einzelne Buchseiten gezeigt und mit den Kindern interagiert. In einem Kinderbuch, in dem Tiere vorkommen, könne die Vorleserin oder der Vorleser zum Beispiel gemeinsam mit den Kindern die Stimmen der Tiere nachahmen und in einem Bewegungsspiel ausprobieren, wie man sich wie eine Schlange oder ein Pinguin durch die Welt bewegt. "Das sorgt dafür, dass sich das Vorgelesene besser festigt und Spaß macht. So können es die Kinder mit in ihr Leben nehmen. Das ist viel nachhaltiger als rein 'frontales' Vorlesen", sagt Kopp.

Was den Kindern vorgelesen wird, entscheiden die Ehrenamtlichen. Vor den Vorlesestunden bereiten sie sich auf ihr ausgewähltes Buch vor und überlegen, an welchen Stellen sie zum Beispiel lauter oder leiser sprechen und in welche Rollen sie schlüpfen könnten.

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Da die Vorlesestunden so gut angenommen wurden, möchte Greve im nächsten Jahr die Anzahl der Standorte verdoppeln, so dass an insgesamt acht Bücherschränken vorgelesen wird. "Das Pilotprojekt hat uns aber auch gezeigt, dass der organisatorische Aufwand sehr hoch ist", sagt Kopp. Sie sind daher auf der Suche nach Fördermöglichkeiten, um die Vorleseaktion 2025 wieder möglich machen zu können.

Vielleicht nehmen sich im nächsten Jahr neben Köln auch andere Städte die Vorlesekation zum Vorbild und starten ein eigenes Projekt? Über 1000 von Greve gestaltete Bücherschränke stehen in ganz Europa und bieten Gelegenheit, eine Picknickdecke auszubreiten und Kinder zum Vorlesen einzuladen.