Kamala Harris
Göre, Powerfrau und Präsidentin der USA?
Sie könnte die erste Präsidentin der USA werden und verbreitet jetzt schon viel Hoffnung und Schwung - auch für Frauen hier in Europa. Ein Lob der Sisterhood
When we fight, we win: US-Vizepräsidentin Kamala Harris am 22. Juli 2024 in Washington, D.C.
Andrew Harnik/Getty Images
Tim Wegner
29.07.2024
3Min

Solidarität unter Frauen ist wichtig für mich. Wie wichtig, das habe ich erst als erwachsene Frau erfahren. Als Babyboomerin hatte ich in meiner Jugend immer gedacht: Ich krieg alles, was ich will, egal, ob ich nun eine Frau oder ein Mann bin.

Weit gefehlt. Denn die Gesellschaft war und ist noch lange nicht so weit. Das habe ich mittlerweile verstanden. Als Frauen, als Hälfte der Bevölkerung auf der Erde, sind wir immer noch viel schwächer als Männer. Wir besetzen weniger Führungspositionen, bekommen weniger Geld, werden in vielen Ländern unterdrückt und marginalisiert.

Meine Hoffnung, dass sich das bald ändert, schwindet täglich. Ich sehe Machos wie Donald Trump oder Wladimir Putin, frauenverachtende Taliban und Hamas-Terroristen; ich wundere mich, dass die AfD mit ihrem rückwärtsgewandten Frauenbild auch bei Frauen gut ankommt. Und ich staune über Geschlechtsgenossinnen, die sich offenbar Schürze und Herd herbeisehnen und sich auf Instagram als "Tradwife", auf Deutsch: traditionelle Ehefrau, vermarkten.

Und dann stürmt US-Vizepräsidentin Kamala Harris die öffentliche Bühne! Die Chancen stehen gut, dass sie demokratische Präsidentschaftskandidatin wird: Am 19.8. ist der offizielle Nominierungsparteitag der Demokraten in Chicago, doch wenn es nach dem Willen vieler Parteigrößen geht, dann legt sich die Partei schon vorher auf die 59-Jährige fest. Einen Großteil der Stimmen hat sie bereits - auch Michelle und Barack Obama haben ihr publikumswirksam ihre Unterstützung zugesagt.

Mich beeindruckt, wie viel Kamala Harris jetzt schon in so kurzer Zeit bewirkt hat. So viel Zuversicht und Schwung hat ihre Kandidatur ausgelöst, dass sie in diesen wenigen Tagen für ihre Partei an die 200 Millionen Dollar Spenden einsammeln konnte, darunter viele Klein- und Kleinstspenden. Über 100 000 Freiwillige haben sich gemeldet, um beim Wahlkampf mitzuhelfen.

Das erinnert an die ersten Monate von Barack Obamas Bewerbung: Eine Bewegung entsteht, und eben nicht nur in den linken Blasen in Washington oder San Francisco. Als Web-Phänomen "Brat" (zu Deutsch in etwa "freche Göre") geht Kamala Harris viral auf Tiktok oder Insta, als Powerfrau auf der Bühne bei ihrer Bewerbungsrede zeigte sie, dass sie Donald Trump verbal gewachsen ist. In ihrem ersten offiziellen Wahlkampfvideo adressierte sie immer wieder die "Mittelklasse" - und auf den Bildern sieht man gleichberechtigt die unterschiedlichsten Menschen. Diese Frau könnte für viele gesellschaftliche Gruppierungen in den USA wählbar sein.

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Kamala Harris ist gebildet, schlagfertig, humorvoll. Sie war in Kalifornien knallharte Generalstaatsanwältin, die sich damals gern (gar nicht links und "woke") als "Top Cop", also als Spitzenpolizistin, bezeichnete. Entscheidend ist natürlich auch, dass sie viel jünger ist als der alte weiße Mann Donald Trump.

In den vergangenen vier Jahren habe ich wenig von ihr gehört - das war enttäuschend. Sie trat selten auf, hatte keine guten Antworten auf die Frage, wie die USA mit Migranten aus dem Süden umgehen soll. Etwas lauter wurde sie zumindest immer dann, wenn es um den Kampf für die Selbstbestimmung des weiblichen Körpers und das Recht auf Abtreibung ging.

Diese Zurückhaltung ist jetzt vorbei. "When we fight, we win" - ist ihr Wahlkampfslogan. Wenn wir kämpfen, gewinnen wir. Dieses "Wir" ist ein Sisterhood-Wir. Dazu zähle ich mich als Frau. Und wünsche Kamala Harris Erfolg!

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