Landwirte demonstrieren mit Traktoren in Cottbus
Landwirte demonstrieren mit Traktoren in Cottbus
Frank Hammerschmidt/dpa/picture alliance
Probleme der Landwirtschaft
"Danke, ich bin satt geworden!"
Die Bauern protestieren weiter, obwohl Kürzungen zum Teil schon vom Tisch sind. Warum sind sie so frustriert? Pastorin Cornelia Möller ist auf Höfen in Niedersachsen unterwegs und kennt Antworten. Ein Interview
Tim Wegner
15.01.2024
3Min

chrismon: Auf Demonstrationen erinnern Landwirte auf Plakaten daran, dass die Landwirtschaft uns, die Menschen, ernährt – eigentlich ja eine Selbstverständlichkeit. Fehlt es den Bauern an Wertschätzung?

Cornelia Möller: Ja, die mangelnde Wertschätzung macht leider vielen Landwirt*innen zu schaffen. Der Anlass für die aktuellen Proteste waren die konkreten Pläne der Regierung, die sie teilweise zurückgenommen oder abgemildert hat. Aber schon vorher hatten sich bei einigen eine große Belastung und zum Teil auch Unmut angestaut. Das hat sich jetzt geäußert.

Cornelia Möller Stefano Pedrelli Milano

Cornelia Möller

Cornelia Möller ist Pastorin und ­Referentin für Land- und Ernährungs­wirtschaft im ­Kirchlichen Dienst auf dem Lande im Haus kirchlicher Dienste; beide ­Einrichtungen ­gehören zur ­Hannoverschen ­Landeskirche.

Was hören Sie von den Menschen auf den Höfen?

Die Gesellschaft und die Politik stellen viele Anforderungen an die Landwirtschaft. Da entsteht leicht der Eindruck, immer "liefern" zu müssen – mehr Klima­schutz, mehr Biodiversität, mehr Beschränkung des CO2-Ausstoßes. Aber vonseiten der Gesellschaft wird den Landwirt*innen trotzdem häufig vorgeworfen, mit Schuld zu sein an ­negativen Veränderungen, zum Beispiel am Insektensterben. Hinzu kommt, dass immer weniger Menschen direkt mit der Landwirtschaft zu tun haben. Viele können sich gar nicht vorstellen, wie Landwirte arbeiten. Bei den Forderungen reden sie dennoch mit. Selten sagt mal jemand: "Danke, ihr Landwirte! Ich bin satt geworden." Dieser Dank dürfte meines Erachtens viel ­öfter ausgedrückt werden.

Warum? Immerhin feiern die Kirchen jedes Jahr Erntedankfest.

Das Erntedankfest ist eine sehr gute Gelegenheit, doch darüber hinaus kann man andere Anlässe schaffen, um zu danken. Landwirt*innen stecken viel Kraft und viel Herzblut in ihren Beruf. Landwirt*in kann man nur sein, wenn man das wirklich gern mag. Ich erlebe viele junge Menschen, die voller Elan an diese Aufgabe herangehen, sich einbringen und Ideen haben, wie sie in ­Zukunft den Hof bewirtschaften ­möchten. Leider hinterlassen Arbeitsbelastung, Unwägbarkeiten und die Anforderungen von Politik und Gesellschaft an die Landwirtschaft ihre Spuren. Wenn es gut läuft – und zum Glück ist das sehr oft so – meistert man es gemeinsam und generationenübergreifend und entwickelt bei Hinder­nissen ­Lösungen. Bei Schwierigkeiten tut es auch Landwirt*innen gut, wenn sie ­wissen, dass sie nicht allein dastehen.

Bäuerlich geprägte Familien sind der Kirche häufiger noch enger verbunden als der Rest der Gesellschaft. Wie kann die Kirche helfen?

Vor Ort, in unseren Kirchengemeinden und mit unseren Pächter*innen und ­Kirchenvorstandsmitgliedern. Kirchen verpachten viel Land. Da lernen auch wir immer weiter dazu. Gemeinsam mit den Landwirt*innen können wir uns für das einsetzen, was uns allen anvertraut ist: unsere Erde. Für die Landwirt*innen und landwirtschaftlichen Familien, die gerade in einer Belastungssituation sind, bieten die Kirchen die landwirtschaftlichen Sorgentelefone und Familienberatungen an, zum Beispiel unter sorgentelefon-landwirtschaft.de.

Die Kirche bietet eine Familienbe­ratung an?

Ja, die evangelische landwirtschaftliche Familienberatung, kurz "ELF", ist ein überkonfessionelles Beratungsangebot speziell für Menschen aus der Landwirtschaft, die in Notsituationen geraten sind. Unsere ehrenamtlichen Beratenden – wir nennen sie "ELFen" – ­kommen selber aus der Landwirtschaft. Sie können deshalb sensibel umgehen mit den Problemen, die es auf den Höfen geben kann. Informationen finden Landwirte hier, Hilfe gibt es beim "Sorgentelefon Landwirtschaft".

Lesen Sie hier, warum Landwirtschaft ohne Tierhaltung nicht funktionieren kann

Welche Probleme sind das zum ­Beispiel?

Es kommt vor, dass Generationen­konflikte unlösbar scheinen, weil die Älteren ganz andere Vorstellungen von Landwirtschaft haben als die jungen Leute, die den Hof übernehmen möchten. Oder die Arbeit wächst den Bäuerinnen und Bauern schlicht über den Kopf. Am Anfang steht ein Telefonat. Erst wenn die Landwirt*innen sich nach einem Vorgespräch für die Familien­beratung entschieden haben, kommen zwei Berater*innen zu ihnen und ihrer Familie auf den Hof. Die unterliegen der Schweigepflicht. Was besprochen wird, muss vertraulich bleiben.

Gibt es Beispiele, wie Generationenkonflikte gelöst werden? Oder hilft es allein schon, wieder ins Gespräch miteinander zu kommen?

Die Berater*innen helfen den am Gespräch Beteiligten, gemeinsam Schritte zu entwickeln, wie ihr jeweiliger Konflikt gelöst werden kann. Was das dann ist, kann sehr verschieden aussehen, ­je nach Situation und beteiligten Personen.

Die Kommentarfunktion ist nur noch für registrierte Nutzer verfügbar. Um einen Leserkommentar schreiben zu können, schließen Sie bitte ein Abo ab, schreiben Sie uns eine Mail an leserpost@chrismon.de oder diskutieren Sie auf Instagram, Facebook und LinkedIn mit.