Judith und Holofernes
Verstörend aufdringlich
Artemisia Gentileschi, Superwoman des italienischen Barock, lehrte die Männer im 17. Jahrhundert das Fürchten
Giuditta Decapita Oloferne, 1620
Giuditta Decapita Oloferne, 1620/Google Cultural Institute
Lukas Meyer-BlankenburgPrivat
Aktualisiert am 18.10.2024

Autsch! So brutal-direkt malen pro Jahrhundert nur ganz wenige Ausnahmekünstler. In diesem Fall tat es Artemisia Gentileschi, Superwoman des italienischen Barocks, die den Männern im 17. Jahrhundert zeigte, wo der Pinsel hängt. Ihre ver­störend aufdringliche Version von ­Judith und Holofernes – die Jüdin ­Judith ermordet den assyrischen Feldherrn Holofernes – bekommt durch das Schicksal der Künstlerin den persönlichen Erzählstoff, den man sich bei Hofe beim Betrachten zuflüsterte: Sie ist nicht mal volljährig, da vergewaltigt ein mit dem Vater ­befreundeter Maler Artemisia Gentileschi im ­Atelier. Ein traumatisierendes Verbrechen. Für die Gesellschaft von damals gilt die junge Frau damit zudem als ehrlos und beschmutzt.

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Ihr Vater, ein einflussreicher Mann, lässt den Täter vor Gericht bringen. ­Artemisia Gentileschi sagt unter ­Folter aus. Der Vergewaltiger wird verurteilt, kommt aber frei. Die Künstlerin zieht von Rom nach Florenz und wird eine der bedeutendsten Persönlichkeiten ­ihrer Epoche. Sie beschränkt sich nicht auf unverdächtige Still­leben, sie hat männliche Angestellte und ­Geliebte. Und sie bedient die ­alten Bibelge­schichten mit Twist in der Perspe­ktive: Ihre Hausmädchen, Königstöchter oder Dirnen sind starke, selbstbewusste Frauen, die sich den Männern widersetzen – ein krasser Gegensatz zu den gängigen Darstellungen der Zeit.

Auch Judith, die ihr Volk Israel von den Assyrern befreit, indem sie die ­Alkoholschwäche des Feldherrn ausnutzt und diesen dann im Schlaf enthauptet, lässt hier keinen Zweifel an ihrer Bestimmung aufkommen. Die Ärmel hochgekrempelt, zieht sie das Schwert so kräftig, dass man sich selbst unwillkürlich an die Kehle fasst. Das Blut spritzt ordentlich, mit der ­Lupe finden Sie noch kleinste Tropfen in den Falten ihres Gewandes. Und Holofernes bemerkt entsetzt seinen Fehler. Lernen wird er aber nicht mehr aus ihm. Merke: Komasaufen mit einer Feindin – keine gute Idee.

So fulminant wie Judith hier auftritt, wäre sie mit dem Zwei-Meter-­Holofernes auch allein klargekommen. Im Sinne der Bildkomposition – aufgrund der wallenden Stoffe und der Laken eine wahre Dreifaltigkeit – ist die treu assistierende Dienerin aber auch ganz praktisch.

Frappant, dass sich die Künstlerin nach dem Gerichtsverfahren lange Zeit und in verschiedenen Versionen mit Judith befasste. Artemisia Gentileschis Bild aber nur vor dem Hintergrund ­ihrer Vergewaltigung zu lesen, wird ihr nicht gerecht. Das Werk wirkt auch so, als weibliche Selbstermächtigung, die Männer durchaus als Warnung auffassen sollten. Selten hat ein Pinsel so scharf geschnitten.

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