Frau Olderdissen, viele Leser*innen beschweren sich, weil wir bei chrismon gendern. Hier ein Zitat: "Langsam wirkt es für mich lächerlich. Der Löwe fraß Heu, die Löw:innen schauten verwundert zu. Das Schild ‚Frei für Anlieger‘ muss ersetzt werden durch ‚Frei für Anlieger:innen‘. Was werden meine Enkel lernen?" Ihre Antwort?
Christine Olderdissen: Nur Menschen werden gegendert, nicht Tiere. Hier streiten wir auch nicht. Sie sagen zum Beispiel: "Da stehen Kühe auf der Weide!" Und vermutlich niemand käme auf die Idee, ihnen zu antworten: "Da sind aber auch Stiere dabei." Solche Beispiele lenken davon ab, worum es eigentlich geht: die geschlechtliche Vielfalt des Menschen in Worte zu fassen und vor allem Frauen besser sichtbar zu machen.
Und die "Anlieger:innen"?
Da danke ich dem Leser! Das Beispiel kommt in meine Sammlung für die oft so nichtssagende deutsche Verwaltungssprache. Bevor ich hier über das Gendern nachdenke, frage ich, was dieses Wort eigentlich sagen will. Anlieger? Wer liegt da wo? Ist die Großmutter, die zwei Wochen die Enkel hütet und mit dem eigenen Auto anreist, mitgemeint? Ich finde, dass die aktuelle, oft heftig geführte Diskussion übers Gendern sinnvoll dafür genutzt werden könnte, die deutsche Sprache bunter, eleganter und vor allem konkreter zu machen.
Christine Olderdissen
Letzter Teil des Leserbrief-Zitats oben: Was werden unsere Enkel lernen?
Kinder gehen sehr präzise mit Sprache um. Wenn ich die mal frage: "Wie sind denn hier die Lehrer so bei euch?", dann krieg ich sofort eine Frage zurück: "Meinen Sie auch die Lehrerinnen?" Ich beschäftige mich jetzt seit drei Jahren hauptberuflich mit dem Thema und glaube, dass wir noch ein paar Jahre über das Thema streiten, vor allem unter uns Älteren. Die junge Generation gendert mittlerweile selbstverständlich; einfach, weil einige die Frage "bin ich Frau, bin ich Mann?" viel offener beantworten.
Sie haben ein Buch über das Gendern geschrieben. Es ist im Duden-Verlag erschienen. Ist das jetzt das neue Gender-Gesetz?
Wir können reden und schreiben, wie wir wollen, es gibt keine Sprachgesetze, lediglich die Regeln der deutschen Rechtschreibung. Kinder in der Schule müssen die erst mal lernen. Mein Buch ist zwar im Duden-Verlag erschienen, aber weder Ratgeber noch Regelwerk. Eher was zum Schmökern, eine Anregung zum Nachdenken über Sprache.
Ein Kapitel in Ihrem Buch heißt "Tschüss, liebe Männer". Das ist nicht so richtig nett ...
Das sollte bitte niemand persönlich nehmen, aber es geht nun mal darum, die männliche Dominanz in der deutschen Sprache zu beenden und andere Geschlechtsidentitäten, ob Frau, queer oder intergeschlechtlich, für alle deutlich sichtbarer zu machen. Das ist eine Frage des Respekts und der Höflichkeit. Natürlich bleiben uns die Männer erhalten, aber in der Sprache sollte der Platz zwischen uns allen in Zukunft gerechter aufgeteilt werden. Und grundsätzlich plädiere ich für mehr Offenheit, mehr Toleranz. Wenn Sie das Gendersternchen nicht mögen – dann suchen Sie doch einfach einen anderen Ausdruck. Spielen ist erlaubt.
Na ja, Sprachgesetze gibt es
Na ja, Sprachgesetze gibt es nicht, aber dem DUDEN sollen alle folgen. Sonst gibt es Malus. Die Genderbevormundung hat doch schon so zu einer Diskriminierung geführt. Zumindest in den selbstherrlichen urbanen Zirkeln, in enigen UNI s und Stadtverwaltungen, die kein anderer Brief verlässt. Es bleibt ein Trost. In den USA ist es ja noch viel rigoroser.
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Kulturgut Deutsch /Gendern ...
Ich bin voll und ganz auf Seiten derer, die dem Genderwahn keinen Raum geben wollen. Wieso muss unsere wunderschöne deutsche Sprache so verunstaltet werden? Gerade im Deutschen gibt es für alles gängige Sammelbegriffe, die automatisch im Kopf des Hörers oder Lesers durch "männlich", "weiblich" und neuerdings auch durch "divers" ergänzt werden. Niemand kommt dabei zu kurz!
Bitte lasst den Duden "sprechen", nicht aber Sprachgewaltiger*innen !!!
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