Mein Nachbar Fritz stieg gestern Morgen mit seinen Enkeln ins Auto. Die 20-jährige Mirjam und ihr zwei Jahre älterer Bruder Tom grinsten mir fröhlich zu. "Wir gehen einkaufen", rief Fritz. "Mit Opa shoppen ist einfach great, macht happy", ergänzte Mirjam. Dabei ließ ihr schwäbischer Akzent erkennen, dass Englisch nicht ihre Muttersprache ist. Und Oma Beate, die sich gerade vom startenden Auto abdrehte, murmelte mit leidender Miene: "Dass in der Sprache junger Leute kein Satz mehr ohne englische Wörter möglich ist, macht mich krank." Beates Frage, wie ich diese Entwicklung denn wahrnehme, ließ mich innehalten.
Arnd Brummer
Wir leben seit Jahrzehnten in einer "digitalen Welt". Durch die elektronische Dominanz in unserer alltäglichen Kultur sind britisch-amerikanische Begriffe selbstverständlich geworden. Wer "E-Mail", "Handy", "Talkshow" oder "Quizmaster" sagt, kommt gar nicht mehr auf die Idee, er oder sie habe fremdsprachliche Begriffe verwendet.
Als ich dereinst Ferien im Haus meiner Großeltern verbrachte, fühlte ich mich nicht weniger fremd als heutzutage unter jungen Menschen. Zahlreiche aus dem Französischen stammenden Alltagsbegriffe waren im deutschen Südwesten gang und gäbe, wurden ganz selbstverständlich verwendet. Boulevard, Konfitüre, Trottoir, Chaiselongue, Kostüm, Cabriolet, Souveränität oder Blamage sind nur ein kleiner Ausschnitt aus der unendlich langen Liste von sogenannten "Gallizismen". Viele davon sind inzwischen in ganz Germanien "normal". Als ich Beate davon erzählte, nickte sie kurz.
"Der Ironman ist noch nicht gefinisht!"
Sprachen sind Nachbarn. Und ihre Geschichte ist auf unglaubliche Weise global verknüpft. "Tabak" und "Tomate" kommen aus Spanien und Portugal. "Magazin", "Kaffee", "Benzin", "Koffer", "Chemie", "Alkohol" und "Algebra" waren ursprünglich arabische Mitbringsel. "Demokratie", "Philosophie", "Physik", "Kirche", "Teufel" und "Engel" sind griechischer Herkunft. Beates Miene zeigte mir: Nun reicht es aber wirklich! "Nunc satis est!" Ich entschuldigte mich.
Beate sah mir schweigend ins Gesicht. Dann meinte sie: "Ich fand es sehr interessant, was du gerade abgelassen hast. Ein paar Sätze kürzer wären allerdings nicht schlecht gewesen. Was mich, Fritz und vielleicht auch dich stört, sind nicht die englischen Einbringsel in unsere Alltagssprache. Es ist ihre ganz schnelle modische Dominanz – das Zurückdrängen der allen verständlichen Begriffe." Nun zeigte ich wortlose Zustimmung.
Was mich am meisten stört, sind nicht die Anglizismen. Es ist der Versuch von PR-Agenturen und Medienleuten in Werbung und Reportagen damit zu vermitteln, wie "up to date" ihre Produkte und Storys sind. Ein TV-Journalist begleitete jüngst das sportliche Großereignis "Ironman" in Frankfurt "live". Dabei stellte er fest, dass der Athlet XY ziemlich weit voraus dem Ziel entgegenlaufe. Aber noch hätten seine Rivalen ihrerseits Gewinnchancen, denn: "Der Ironman ist noch nicht gefinisht!" Beate hörte einen Automotor (lateinisch), hob den Kopf und grinste. Ich sah Fritzens Personenkraftwagen heranrollen und rief: "Ausgeshoppt! Lavish money gefinisht!"