Dürfen Christen hassen?
Lisa Rienermann
Dürfen Christen hassen?
Menschen sind leidenschaftlich. Wer das weiß, kann die Gefühle in gute Bahnen lenken.
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
26.05.2021

Vorgelesen: Religion für Einsteiger "Dürfen Christen hassen?"

Ein bayerischer Politiker nahm vor einer Weile gemeinsam mit seinem Sohn in Nürnberg an einem Spendenlauf teil. In der Nähe demonstrierten Impfgegner und Kritiker der Corona-Beschränkungen. Nach dem Lauf machten sich Demonstranten plötzlich an den Politiker heran, schrien auf ihn ein, schubsten ihn. Der Bundestagsabgeordnete musste sich als Kindermörder beschimpfen lassen. In wenigen Momenten war die Stimmung in Hass und Aggression umgeschlagen.

Portrait Eduard KoppLena Uphoff

Eduard Kopp

Eduard Kopp ist Diplom-Theologe und chrismon-Autor. Er studierte Politik und Theologie, durchlief die Journalistenausbildung des ifp, München, und kam über die freie Mitarbeit beim Südwestrundfunk zum "Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt" nach Hamburg. Viele Jahre war er leitender theologischer Redakteur bei dieser Wochenzeitung und seinem Nachfolgemedium, dem evangelischen Magazin chrismon. Seine besonderen Interessengebiete sind: Fragen der Religionsfreiheit, Alltagsethik, Islam, Geschichte des 20. und 21. Jahrhunderts, Krieg und Frieden.

Unter die Impfgegner und Corona-­Leugner mischen sich auch religiöse Fundamentalisten und andere Christen. Solange sie friedlich protestieren und Abstand halten, ist nichts dagegen zu sagen. Ja, auch Christen hassen. Sie dürfen ihre Emotion nur nicht ungesteuert ausleben und schon gar nicht anderen dadurch schaden. Wer es dennoch tut, kann sich dafür nicht auf seinen Glauben berufen.

Hass, so Erich Fromm (1900–1980), zielt auf Zerstörung. Dadurch wächst dem Hassenden Stärke zu – zumindest subjektiv. Der Psychoanalytiker unterschied davon die Sonderform des "reaktiven Hasses", die erklärlich, manchmal sogar berechtigt ist: eine Reaktion auf erfahrenen Hass, erlittene Ungerechtigkeit oder unerträgliche Missstände oder eine "Hassreaktion" aufgrund eines "Angriffes auf mein Leben, meine Sicherheit, meine ­Ideale oder auf eine andere Person, die ich ­liebe . . ." So könne ein Mensch hassen, der prinzipiell "eine positive Ein­stellung zum Leben, zu anderen Menschen und zu Idealen hat". Dieser Mensch ziehe keine Befriedigung daraus, wenn sein Hass in Gewalt umschlage.

Anders, so Fromm, sei es bei Menschen mit einer "grundlegenden Bereit­schaft zu hassen". Bei denen der Hass zum Persönlichkeitsmerkmal geworden ist, die unverhältnismäßig auf Provokationen reagieren und froh über jede Gelegenheit sind, ihren Hass auszuleben. Ein solcher Hass bleibe auch bestehen, wenn der Auslöser nicht mehr existiere.

Auch die Bibel ruft manchmal zu Hass auf

"Die ihr den Herrn liebet, hasset das Arge!", heißt es in Psalm 97,10. Auch die Bibel ruft manchmal zu Hass auf gegen Feinde oder Menschen, die anders sind, Abweichendes glauben oder dem eigenen Glauben entgegen­stehen. Mit einem hasserfüllten Aufruf ­endet Psalm 137: "Wohl dem, der deine ­jungen Kinder nimmt und sie am Felsen zerschmettert!" Vielleicht auch wegen solcher Passagen hat sich bei manchen Menschen, die sich Christen und Christinnen nennen, eine Feindschaft gegen Muslime und Juden, gegen Schwarze, Zuwanderer, Schwule und Lesben im Herzen eingenistet, die zuweilen in Gewalt umschlägt.

Manchmal ist die Bibel sehr klar: Es gilt, Geschwister, Nächste und sogar Feinde zu lieben. "Gott ist Liebe", betont der 1. Johannesbrief 4,16: "Und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm." Der Theologe Friedrich Wilhelm Graf bringt das so zusammen: "Gott mag das Böse als Inbegriff des ihm Widerwilligen hassen. Aber er ruft deshalb nicht zum Kampf gegen die Bösen auf. Denn seine ­Gnade und Güte gelten auch jenen, die sich von ihm loszureißen versuchen."

Man kann Zorn in produktive Energie umwandeln

Und dann gibt es noch die hoch­ethische Empfehlung Jesu aus dem Neuen Testament: "Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar . . . Und wenn dich jemand eine Meile nötigt, so geh mit ihm zwei" (Matthäus 5,39–41). ­ Jemand, der auf der Straße ­angeschrien und angerempelt wird, wird sich überlegen, was für ihn selbst und zur De­eskalation der Situation richtig ist.

Wer sich seine Hassgefühle eingesteht, kann versuchen, sich zu ändern. Es ist möglich, sich vom Hass zu be­freien. Man kann Zorn über ungerechte Verhältnisse in produktive Energie umwandeln. Ganze Gesellschaften haben sich von solchem Bemühen prägen lassen. So ließ sich die amerikanische Gesellschaft auf die Ziele der Bürgerrechtsbewegung ein. Südafrika beendete – zumindest gesetzlich – die Apartheid. Die angeblichen "Erbfeinde" Deutschland und Frankreich wurden Verbündete. Konfessionshass wich ökumenischem Geist.

Hassreden und -taten mögen manchem das Hochgefühl geben, sich über andere erheben zu können. Größer als dieser Kick ist aber allemal der Lohn, in einer friedlichen Gesellschaft zu leben.

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Sehr geehrte Redaktionen,
sehr geehrter Herr Eduard Kopp,
wenn der allmächtige Gott der Juden sich schon die Mühe macht eine Jungfrau zu schwängern,
damit sein Sohn allen Menschen ein Neues Testament bringen kann, dann sollte man doch davon ausgehen, dass in einem Magazin mit dem Namen chrismon diese seine neue Botschaft verkündet wird und nicht das genaue alte Gegenteil.
Warum findet sich dann auf Seite 23 Ihrer aktuellen Ausgabe in Ihrem Kapitel RELIGION FÜR EINSTEIGER der folgende Satz:
„Manchmal ist die Bibel sehr klar: Es gilt, Geschwister, Nächste und sogar Feinde zu lieben.“
Die Worte Jesu sind nicht sehr zahlreich, daher sollten Sie als studierte Profitchristen eigentlich alle kennen.
Ganz besonders, wenn Sie sich und Ihr Druckerzeugnis als evangelisch bezeichnen!
Denn ganz im Gegenteil hat jener Jesus mehrfach klipp und klar verboten, Geschwister zu lieben,
und auch Mütter und Väter sollen nicht geliebt werden: Das wurde von Jesus offenbart und ist für Christen offenbar.
Muss ich als ausgestiegenes „Schaf“ Ihnen als „Hirten“ (so die Wortwahl des vielleicht göttlichen, sicher unmenschlichen Jesus) wirklich seine Heiligen Worte verkünden? Offenbar ja! Also bitte unten weiterlesen.
Mit gottfreien und mitmenschlichen Grüßen
Manfred Schleyer, München

Denkt nicht, ich (Jesus) bin gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen.
Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert.
Denn ich bin gekommen, um den Sohn mit seinem Vater zu entzweien
und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter,
und die Hausgenossen eines Menschen werden seine Feinde sein.
(Matthäus-Evangelium 10,34-36)
Meint ihr, ich (Jesus) bin gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen?
Nein, sage ich euch, nicht Frieden, sondern Spaltung. …
der Vater gegen den Sohn und der Sohn gegen den Vater,
die Mutter gegen die Tochter und die Tochter gegen die Mutter,
die Schwiegermutter gegen ihre Schwiegertochter und die Schwiegertochter gegen die Schwiegermutter.
(Lukas-Evangelium 12,51.53)
Amen, ich sage euch: …
Jeder, der um meines Namens willen Häuser oder
Brüder, Schwestern, Vater, Mutter, Kinder oder Äcker verlassen hat,
wird dafür das Hundert­fache erhalten und das ewige Leben gewinnen.
(Matthäus-Evangelium 19,28-29)
Amen, ich sage euch:
Jeder, der um meinetwillen und um des Evangeliums willen Haus oder
Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker verlassen hat,
wird das Hundertfache dafür empfangen:
Jetzt wird er Häuser, Brüder, Schwestern, Mütter, Kinder und Äcker erhalten,
wenn auch unter Verfolgungen, und in der kommenden Welt das ewige Leben.
(Markus-Evangelium 10,29-30)
Amen, ich sage euch:
Jeder, der um des Reiches Gottes willen
Haus oder Frau, Brüder, Eltern oder Kinder verlassen hat,
wird dafür schon in dieser Zeit das Vielfache erhalten und in der kommenden Welt das ewige Leben.
(Lukas-Evangelium 18,29-30)
ein anderer sagte zu Jesus: Ich will dir nachfolgen, Herr.
Zuvor aber lass mich von meiner Familie Abschied nehmen.
Jesus erwiderte ihm: Keiner, der … nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes.
(Lukas-Evangelium 9,61-62)
Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig,
und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig.
(Matthäus-Evangelium 10,37)
Viele Menschen begleiteten Jesus … Wenn jemand zu mir kommt und nicht
Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern … gering achtet,
dann kann er nicht mein Jünger sein.
(Lukas-Evangelium 14,25-26)
Auch sollt ihr niemand auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater: der im Himmel.
(Matthäus-Evangelium 23,9)
… einer seiner Jünger sagte zu Jesus: Herr, lass mich zuerst heimgehen und meinen Vater begraben!
Jesus erwiderte: Folge mir nach; lass die Toten ihre Toten begraben!
(Matthäus-Evangelium 8,21-22)
Zu einem anderen sagte Jesus: Folge mir nach! Der erwiderte: Lass mich zuerst heimgehen und meinen Vater begraben.
Jesus sagte zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh und verkünde das Reich Gottes!
(Lukas-Evangelium 9,59-60)
Brüder werden einander dem Tod ausliefern und Väter ihre Kinder,
und die Kinder werden sich gegen ihre Eltern auflehnen und sie in den Tod schicken.
(Matthäus-Evangelium 10,21)
Brüder werden einander dem Tod ausliefern und Väter ihre Kinder,
und die Kinder werden sich gegen ihre Eltern auflehnen und sie in den Tod schicken.
(Markus-Evangelium 13,12)
Sogar eure Eltern und Geschwister, eure Verwandten und Freunde werden euch ausliefern, und manche von euch wird man töten.
(Lukas-Evangelium 21,16)
Was er anderen geboten hat, das hat er vorbildhaft auch selbst praktiziert:
Jesus hat seine Brüder und seine eigene Mutter Maria verleugnet und missachtet!
Da sagte jemand zu Jesus: Deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und wollen mit dir sprechen.
Dem … erwiderte Jesus: Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder? …
Wer den Willen meines himmlischen Vaters erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.
(Matthäus-Evangelium 12,47-50)
Und man sagte zu Jesus: Deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und fragen nach dir.
Jesus erwiderte: Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder? …
Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.
(Markus-Evangelium 3,32-35)
Da sagte man Jesus: Deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und möchten dich sehen.
Jesus erwiderte: Meine Mutter und meine Brüder sind die, die das Wort Gottes hören und danach handeln.
(Lukas-Evangelium 8,20-21)
Als Jesus das sagte, rief eine Frau aus der Menge zu ihm:Selig die Frau, deren Leib dich getragen und deren Brust dich genährt hat.
Jesus aber erwiderte: Selig sind vielmehr die, die das Wort Gottes hören und es befolgen.
(Lukas-Evangelium 11,27-28)
Nur im Amen-Amen-(=Lüge-Lüge)-Evangelium nach Johannes wurde Jesu Mutter unter sein Kreuz gelogen. Damit sie den Schreiberling dieses Machwerks als Sohn adoptiert und dieser durch Jesus zum seinem Bruder gemacht werden konnte! Was für eine unglaubliche Frechheit!

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Sehr geehrte Redaktionen,
sehr geehrter Herr Eduard Kopp,
in Ihrer umfangreichen Beilage chrismon 06.2021 finden sich auch ein paar, wenige Jesusworte. Zum Beispiel im Kapitel RELIGION FÜR EINSTEIGER dieses:
„Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar…“.
Dieses Wort bezeichnen Sie als „hochethische Empfehlung Jesu“. Wie bitte? Treffender wäre das doch beschrieben als ein In-Versuchung-führen:
Wenn ein Verbrechen nicht bestraft, sondern sogar noch gefördert wird, so ist dies nicht „hochethisch“, sondern Beihilfe zu diesem Verbrechen.
Ein konstruiertes Beispiel zur Verdeutlichung:
Wenn ich aus Ihrer Kirche einen Kerzenleuchter mitnehmen würde (was ich selbstverständlich nicht vorhabe), würden Sie mir dann einen zweiten dazu schenken?
Oder wenn eines Ihrer Kinder (falls Sie welche haben) sexuell missbraucht würde …
Was hätte ein solches empfohlenes Verhalten für gesellschaftliche Folgen?!
Ich darf Sie im Interesse aller ehrlichen, am Gemeinwohl interessierter Menschen dringend bitten, sich vor weiteren Äußerungen zu ethischen Fragen zuvor kundig zu machen. Und als allererstes logisch zu denken statt dumm nachzubeten.
PS, sozusagen: Als Theologe (wenn Sie einer sind) sollten Sie zudem wissen, dass Jesus dieser seiner „Empfehlung“ nicht gefolgt ist, als er auf die Wange geschlagen wurde. Muss ich als Aussteiger-„Schaf“ Ihnen als Pastor-„Hirte“ die Stellen zitieren?
Mit gottfreien und mitmenschlichen Grüßen
Manfred Schleyer, München

Ich möchte nur kurz auf Ihre zwei Beispiele eingehen:
Meiner Ansicht nach ist die Wahl der Beispiele schon unethisch genug.
Sie haben einen sehr direkten Zugang zur Bibel, wie es scheint.
Aber es ist nachvollziehbar, dass Sie den, übrigens sehr oft kritiserten, oberflächlichen Stil der Texte dieser Rubrik Religion für Einsteiger, kritisieren.
Sie behaupten, Jesus sei diesen seinen Empfehlungen nicht gefolgt.
Könnten Sie das näher erläutern ?