Posteingang - Bethlehem
Posteingang - Bethlehem
Mostafa Alkharouf / ddp images
Das Krankenhaus jenseits der Mauer
Corona in der Besatzungszone. Die Palästinenserin Ursula Mukarker berichtet aus Betlehem.
Ursula MukarkerJonas Opperskalski
26.04.2021

Bis vor einigen Tagen war ich noch in Quarantäne. Ich hatte Corona – und mit mir ein ­großer Teil meiner Großfamilie. Sehr schlimm hat es meinen Schwieger­vater getroffen. Er konnte kaum noch atmen. In unserem Krankenhaus in Bethlehem konnten sie ihm nicht ­helfen. Die hiesigen Kliniken sind für schwierige Fälle nicht ausgestattet. So war unsere einzige Hoffnung ein Krankenhaus im zehn Kilometer entfernten Jerusalem. Palästinenser dürfen aber nicht ohne Sondergenehmigung durch die Maueröffnung. Wir beantragten diese bei der israelischen Militärverwaltung, zum Glück klappte es, was nicht selbstverständlich ist.

Ursula MukarkerJonas Opperskalski

Ursula Mukarker

Die Palästinenserin Ursula Mukarker, die in Deutschland studierte, ­leitet ein Trauma­hilfezentrum in Bethlehem. Sie ­arbeitet mit der deutschen Stiftung Wings of Hope (www.  wings-of-hope.de) zusammen.

Mein Schwiegervater wurde mit einem Krankenwagen zum Checkpoint gebracht. Er war fast ohne Bewusstsein. Sanitäter brachten ihn in einer Trage rüber auf die israelische Seite. Dort wartete ein zweiter Krankenwagen, den wir telefonisch bestellt hatten. Mein Schwiegervater hatte einen Geldbetrag von umgerechnet 7000 Euro in der Tasche – eine Vorabzahlung für das Jerusalemer Krankenhaus. Ohne diese wäre er nicht behandelt worden. Palästinenser müssen medizinische Behandlungen in Israel selbst bezahlen.

Mein Schwieger­vater wurde künstlich beatmet, es geht ihm jetzt ein bisschen besser, sagen uns die Ärzte am Telefon. Es ist hart, dass er allein dort ist. Mein Mann versuchte zweimal zwecklos, eine Genehmigung zu bekommen, um seinen Vater zu besuchen. Auch mein Antrag wurde heute zurückgewiesen.

Ob wir Impfstoff bekommen?

Die Pandemie trifft hier ein Land, dessen Bevölkerung zu großen Teilen unter starkem wirtschaftlichem Druck steht. Bethlehem lebt von Pilgern und Touristen. Die Beschränkungen haben wir anfangs als nicht so einschneidend erlebt. Durch die ­israelische Besatzung kennen wir so etwas wie Ausgangssperren, Kon­trollen und Gebietsabriegelungen sehr gut. Das Planen haben wir schon lange aus unserem Leben gestrichen. Beim ers­ten Lockdown schienen wir alles im Griff zu haben, aber die zweite Welle kam sehr aggressiv. Wir wissen nicht, ob wir Impfstoff bekommen werden. Dieses Gefühl der Ungewissheit, des Ausgeliefertseins und der Ohnmacht ist schwer auszuhalten. Familiäre Gewalt stellte jetzt eine besonders große Herausforderung dar.
Ich denke, viele Palästinenser:innen haben durch die belastende Situa­tion der vergangenen Jahrzehnte eine gewisse Resilienz entwickelt. Doch wie lange diese halten wird, bleibt offen.

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