chrismon: Herr Fugmann, haben Sie selbst schon mal nach der Konmari-Methode aufgeräumt?
Haringke Fugmann: Ich habe es versucht, ich bin allerdings nicht komplett durchgekommen.
Sie sagen, die Aufräummethode sei vom Shinto geprägt, einem japanischen Nationalkult. Woran machen Sie das fest?
Haringke Fugmann
Fugmann: Man kann Shinto nicht unbedingt als Religion im westlichen Sinne verstehen. Auf jeden Fall kann man sagen, dass Shinto neben einer nationalen Ausrichtung auch religiöse und weltanschauliche Elemente enthält. Unter anderem sieht man das bei Marie Kondo daran, dass sie an eine Art Lebendigkeit der Dinge glaubt.
Sie meinen, Marie Kondo, die Erfinderin der Methode, sei durch den Shintoismus geprägt?
Fugmann: Ich bin mir nicht sicher, ob sie das so beabsichtigt oder ob das Teil ihrer Sozialisation ist. Aber auch ihr Kernkriterium beim Aufräumen – ob mich der Gegenstand glücklich macht – kommt in gewisser Weise aus dem Shinto. Die Basis des Shintoismus ist die emotionale Wirkung des Glaubens. Diese emotionale Beziehung erkenne ich in ihrer Aufräummethode wieder. Genauso den starken Formalismus, auch ein Merkmal des Shintoismus: Marie Kondo gibt genau vor, in welcher Reihenfolge man Dinge ausmisten soll.
Ist das nun unvereinbar mit dem christlichen Glauben?
Fugmann: Es geht ja erst mal nur ums Aufräumen und dass man sich wohlfühlt. Dagegen ist aus christlicher Sicht nichts einzuwenden. Es ist auch richtig, sich Gedanken zu machen, wofür man Geld ausgibt. Dann aber spricht Marie Kondo von einer Lebendigkeit der Dinge, wir würden im Westen eher "Beseeltheit" sagen. Für mich wäre theologisch dann eine Grenze überschritten, wenn das zu einer Vergöttlichung oder Anbetung von Gegenständen führen würde.
Wird die Grenze denn überschritten?
Fugmann: Marie Kondo beschreibt ihre Aufräummethode als ein religionsähnliches Ritual. Sie will heilige Orte schaffen. Aber aus christlicher Sicht haben wir keine Verfügungsgewalt über das Heilige. Und sie gibt die Empfehlung, Dinge vor dem Wegwerfen zu segnen. Aus evangelischer Perspektive ist es nicht angebracht, Gegenstände zu segnen, außer für den gottesdienstlichen Gebrauch.
Und warum verfängt das trotzdem bei den Leuten?
Fugmann: Viele Menschen haben das Gefühl, sie leben in einer überkomplexen Gesellschaft, die sie nicht mehr verstehen können. Da bietet so eine Methode auf einfache Weise ein Stück Kontrolle über das Leben.