Corona, der Krieg in der Ukraine, Alltagsrassismus, die Klimakrise, die mutlosen Jugendlichen - die Zeiten sind stürmisch, die Ängste groß, es hat sich viel aufgestaut: Menschen brauchen Halt. Aber wer oder was gibt Halt? Was tröstet? Wohin kann man sich zurückziehen?
Darum ging es beim chrismon-Salon auf dem Evangelischen Kirchentag in Nürnberg, moderiert von Chefredakteurin Ursula Ott: "Zuhause - Was gibt uns Halt in schwierigen Zeiten?" Auf dem Podium im Neuen Museum Nürnberg drei prominente Gäste: die Schulamtsdirektorin und Bestsellerautorin Florence Brokowski-Shekete ("Mist, die versteht mich ja!" und "Raus aus den Schubladen"), die Pfarrerin, Wort-zum-Sonntag-Sprecherin und chrismon-Kolumnistin Stefanie Schardien und der Autor und Schauspieler Oliver Wnuk ("Stromberg", "Nord Nord Mord").
Stefanie Schardien
Florence Brokowski-Shekete
Oliver Wnuk
Und was ist das nun: Zuhause? Was löst aus, dass man denkt: Hier gehör ich her? Ein bestimmter Geruch, Geschmack, vielleicht die Eltern? Klar, für jeden ist das etwas anderes. Oliver Wnuk kommt vom Bodensee, wohnt in Berlin und ist als Schauspieler rund 200 Tage im Jahr unterwegs, dreht auf Sylt oder in Plau am See. Er hat immer Kerzen dabei und zwei Decken, mit denen er sich zudeckt. Neuerdings, sagt er, lernt er auch, sich selbst eine Heimat zu sein. Aber dazu später mehr.
Stefanie Schardien stammt aus dem Ruhrgebiet und lebt nun mit ihrer Familie in Fürth, die Mentalität der Fürther erinnert sie die von früher: "Es ist auch eine Arbeiterstadt, die Leute sind bodenständig und herzlich, grüßen einander - da fühlen wir uns wohl."
Florence Brokowski-Shekete ist in Buxtehude aufgewachsen und musste dann mit neun Jahren mit ihrer Familie "heim" nach Lagos, Nigeria: "Aber Buxtehude war mein Zuhause, Nigeria eine fremde Welt. Obwohl ich dort äußerlich zur Mehrheitsgesellschaft gehörte, dachten die Leute, ich gehöre nicht dazu." Sie hatte Heimweh. Ihr Zuhause, erzählt sie, war ein Koffer, der immer gepackt war - um sofort ins Flugzeug nach Deutschland springen zu können. "Den Koffer hatte ich von meiner Mama, meiner Buxtehuder Pflegemutter, zu der ich dann tatsächlich zurückkehren konnte."
Halt gab ihr ebendiese Pflegemutter: "Weil ich mich ihr nie erklären musste." Denn immer wieder erleben Schwarze Menschen Alltagsrassismus, Florence Brokowski-Shekete erzählt nun von dem jungen Organisten in Frankfurt am Main, der zum Konzert in eine Kirche kam und von der Küsterin weggeschickt wurde, weil sie ihm nicht glaubte, dass er der Organist war. "Warum muss ich mich immer legitimieren?", habe der Mann sie, Brokowski-Shekete, gefragt. Wie man da reagiere?, möchte die Moderatorin Ursula Ott wissen. Natürlich möchte man sich wehren, sagt Brokowski-Shekete, aber sie möchte kein Stereotyp bedienen, sie wäre dann nur die brüllende Schwarze. Nicht auszuflippen, das bringe man auch den Kindern bei, sagt sie.
Halt gibt auch Pfarrerin Stefanie Schardien - anderen. "Am meisten in Trauergesprächen oder bei Beerdigungen", sagt sie, "da kommt bei den Menschen so viel auf den Tisch." Wenn Angehörige bäten, die Mutter kirchlich zu beerdigen, obwohl diese nicht mehr in der Kirche war, "dann versuche ich das möglich zu machen". Manche Gemeinden sagen da strikt "nein" - "aber die Leute suchen doch dann Anknüpfungspunkte in der Kirche, in der Gemeinde!"
Und Schauspieler Oliver Wnuk, der lernt, sich selbst ein Zuhause zu sein? Seit zwei Jahren sei er Single, lange habe er gedacht, seine Heimat sei, wo seine Liebe, seine Lieben sind. An seiner Beziehung zu sich selbst habe er zu wenig gearbeitet. "Jetzt, mit 47, weiß ich: Ich kann nur Liebe schenken, wenn ich mich selbst liebe."
Wo fühlen Sie sich, wo fühlst Du Dich eigentlich zuhause? Später am Abend sprechen die Gäste des Salons immer noch über das Thema, und es gibt immer weitere Heimaten: die schöne, üppige Altbauwohnung. Die Kinder. Der Ort, an dem man seinen Kulturbeutel auspackt und in den Schrank legt...