1. Hexenprozesse in Europa: Die Zahl der Opfer ist weitgehend unbekannt
In einem Zeitraum von 300 Jahren machte sich in Europa der Hexenwahn breit. Frauen und Männer wurden beschuldigt, im Auftrag oder verführt vom Teufel großen Schaden anzurichten. Missernten, Krankheiten, Seuchen, Hunger wurden ihnen zur Last gelegt. Historiker geben die Zahl der Hinrichtungen zwischen 1450 und 1750 in ganz Europa und der Neuen Welt mit 60 000 bis 110 000 an. Selbst wenn viele Gerichtsakten verloren sind, ist nach einer Schätzung des Historikers Franz Irsigler von der Universität Trier die Zahl der Hinrichtungen in Europa "nicht wesentlich höher als 80 000".
Andere Wissenschaftler sind noch zurückhaltender, sprechen aber von 50 bis 60 000 Toten. Für Deutschland geht man von etwa 25 000 Toten aus bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 16 Millionen Menschen. Viele Zahlenangaben in neueren Büchern sind entschieden zu hoch gegriffen. Die feministische Zeitschrift "Woman Hating" zum Beispiel schätzte 1974 die Zahl der Opfer auf neun Millionen. Auch angesichts einer Bevölkerungszahl Europas von etwa 80 Millionen (einschließlich Russlands) ab dem Jahr 1500 ist diese Zahl um das Tausendfache übertrieben. Der Historiker Gerhard Schormann hat 1981 mit seinem Buch "Hexenprozesse" zu einer konsequent sachlichen Beurteilung der Hexenverfolgung beigetragen, die - ungeachtet der verringerten Zahlen - eine Grausamkeit exorbitanten Ausmaßes war.
2. Frauen wie Männer waren Opfer der Hexenverfolgung
Nicht nur Frauen fielen den Hexenjägern und -richtern zum Opfer. Ihr Anteil lag in Deutschland im Zeitraum von 1530 bis 1730 bei 76 Prozent, in manchen Regionen, zum Beispiel im Einzugsbereich des Pariser Appellationsgerichts, bei 50 bis 60 Prozent. Während in katholischen Gebieten bis zu 30 Prozent der Hingerichteten Männer waren, belief sich ihr Anteil in protestantischen oder reformierten Gebieten (England, Schottland, Schweden oder Niederlande) auf zehn bis 15 Prozent, der Frauenanteil war dort also erheblich größer.
Einer der Gründe dafür: Die im katholischen Bereich maßgebliche Bibelübersetzung Vulgata übersetzt die Stelle 2. Mose 22,17 mit "Die Zauberer sollst du nicht leben lassen", die Lutherübersetzung (in Anlehnung an den hebräischen Text) hingegen "Eine Zauberin sollst du nicht am Leben lassen". Männer hatten übrigens bessere Chancen, das Verfahren zu überleben, weil sie im Durchschnitt wohlhabender und einflussreicher als die Frauen waren. Sie konnten sich besser verteidigen und verteidigen lassen. Die Frauen stammten überwiegend aus den unteren sozialen Schichten.
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Immer wieder die Agenda
Ich finde es sehr schade, dass bei diesem Artikel immer wieder die Agenda durchscheint beweisen zu wollen, dass Christen und Kirche "nicht so sehr schuld" sind an der Verfolgung von Hexen und Zauberern wie allgemein angenommen. Geht es z.B. wirklich um die genau Zahl der Toten? Es zählt doch wohl jedes einzelne vernichtete Menschenleben, das der verinnerlichten und exklusiven Wahrheit, dass nur Christen den "Weg" kennen, zum Opfer fielen. Doch wenn das nicht genügt, die "falsche Zahl", lässt sich dann als nächstes beweisen, dass die Verurteilten doch tatsächlich fürchterlich gesündigt hatten, wenn auch nicht durch Zauberei? Dass sie also ihre Strafe verdienten? Auch hier die vereinnahmte und unerschütterliche innere Überzeugung, dass Taten sich offenbaren, wenn man sie braucht, was bei der "Blutbeschuldigung" gegen Juden jahrhundertelang hervorragend funktioniert hat. Mag sein, dass meine Worte gerade bitter werden. Aber angesichts der Ergebnisse christlicher Geschichte, die sich stets in polemischer Abgrenzung zum Judentum und in Verachtung sogenannter Ungläubiger vollzog, nach wie vor auf Recht und Wahrheit zu pochen, ist mir ein zu großer Schmerz. Wann endlich kommt global die einzige Haltung zum Tragen, die noch tragfähig wäre für Christen, sollten sie die Agenda ihres ungefragten Religionsstifters ernst nehmen, wann kehrt endlich wahre Demut in christliche Köpfe ein? Fehlübersetzungen, willkürliche Änderungen, Machtpolitik und übernommene Rituale von anderen haben alles andere, was da ist, nämlich zu weit von der sonstigen Wahrheit entfernt und entfremdet.
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