Warum erzählen Sie kleinen Kindern in Ihren Büchern von Liebe, Tod, Demenz und Einsamkeit?
Ulf Nilsson: Weil es sie interessiert. Sie wollen die Antworten wissen, die Fragen diskutieren. Wenn in einer Familie ein Hamster stirbt, bietet sich am Frühstückstisch die Möglichkeit, eine philosophische, intellektuelle und religiöse Diskussion darüber zu führen. Wir brauchen mehr solche Gespräche!
Sie haben sich viel mit biblischen Geschichten beschäftigt...
Ich habe ein Jahr Bibelwissenschaften an der Universität studiert und sogar eine Prüfung darüber abgelegt. Es sind wirklich gute Geschichten, und als Schriftsteller sollte man sie kennen. Aber sie öffnen auch Fragehorizonte, in die man immer tiefer eindringen kann. Das ist etwas ganz Persönliches. Ich gehe einmal im Monat in die Kirche und habe Freunde, die Priester sind. Ich mag dieses Umfeld.
Wie spiegelt sich das in Ihren Büchern wider?
Ulf Nilsson
Zum Beispiel Liebe.
Ja. In meinem Buch „Herz, Schmerz“ schwärmt ein neunjähriger Junge für ein Mädchen. Sie weiß aber nichts von ihm. Er ist sehr verliebt und sehr unglücklich und auch eifersüchtig auf seinen Freund Bengt. Am Schluss beschließt er, das mit der Liebe in den nächsten 15 Jahren erst einmal zu lassen und stattdessen mit Bengt Dinge zu erfinden. Liebe ist einfach zu anstrengend! Ich habe so eine ähnliche Erfahrung gemacht. Ich war auch so verliebt in ein Mädchen, mit dem ich aber nie gesprochen habe.
"Kinder können starke Gefühle entwickeln. Man muss mit ihnen darüber reden"
Was ist aus ihr geworden?
Sie heißt Bodil Karsten, ich hatte bei ihr ohnehin nie eine Chance. Später wurde sie Krankenschwester. Nachdem ich „Herz, Schmerz“ mit ihrem richtigen Namen in der schwedischen Ausgabe fertig geschrieben hatte, traf ich sie zufällig auf der Straße. Wir waren etwa 55 Jahre alt. Ich erzählte ihr von der Geschichte und schickte sie ihr zu. Sie hat aber nie geantwortet.
Können sich Kinder wirklich verlieben?
Ich kann nur von mir sprechen. Ich war ja verliebt, mit acht Jahren. Ich habe das sogar einmal meiner Mutter erzählt, als ich in der Badewanne saß. Und da hat sie meinen Vater gerufen und es ihm weitererzählt. Doch, Kinder können starke Gefühle entwickeln. Und deshalb muss man mit ihnen genauso über Liebe reden wie über Tod, Leben und Gott.
Sprechen Sie mit Kindern über Gott?
Nicht direkt. Wenn mich jemand fragt, beantworte ich alles, aber ich dränge ihnen das Thema nicht auf. Einmal war ich in einer christlichen Schule und wurde gefragt, ob ich an die Hölle glaube.
Und – gibt es eine?
Nein, der Gott, den ich kenne, würde niemals eine Hölle schaffen. Ein mit mir befreundeter Pfarrer sagt: Wenn es eine Hölle gibt und ich in den Himmel komme, möchte ich nicht dort sein, wenn ich gleichzeitig weiß, dass es eine Hölle gibt.
Jetzt schreiben Sie Krimis für Kindergarten- und Grundschulkinder.
Ich liebe Detektivgeschichten und Krimis seit meiner Kindheit. Sie sind so einfach nachzuvollziehen und haben immer ein Ziel. Aber ich wollte auch neue Gedanken einbringen. Was ist ein Verbrechen? Wer wird Verbrecher? Was soll verboten, was soll erlaubt sein? Was sind die Pflichten eines Polizisten?
"Ein Panther als Tod? Ein Stahlmann? Das passende Bild für sich selbst aussuchen"
Ihr Kommissar Gordon ist eine Kröte. Warum das denn?
Als ich den „ersten Fall“ geschrieben habe, war ich ungefähr 64 und fühlte mich alt und müde wie eine Kröte. Gordon ist schon sehr wie ich, denn ich mag auch sehr gerne Schokolade und Muffins und denke gern nach wie er. Wenn Gordon einen Fall lösen muss, legt er sich in seiner Polizeistation im Wald schon mal ins Bett und grübelt. Das mache ich auch am liebsten. Und dann schreibe ich ein bisschen.
Wie Alt und Jung und alle Tiere im Wald friedlich und gut zusammenleben können. Mit erwachsenen Worten: das richtige und gute Leben.
Ihr erfolgreichstes Buch war „Die besten Beerdigungen der Welt“. Es beginnt so: „Einmal hatten wir Langeweile und wollten etwas Lustiges machen. Ester fand eine tote Hummel und freute sich.“
Ja, es steckt auch ein Aspekt von Freude im Umgang mit dem Tod. Kinder freuen sich, wenn sie eine tote Maus finden und eine Zeremonie abhalten können. In den „Beerdigungen“ entdecken sie, wofür Rituale gut sind. Derjenige, der sagt, wir müssen drei Blumen pflücken und sie so und so hinlegen, hat die Situation unter Kontrolle. Wir Erwachsenen machen es ja ganz genauso. Nur institutionalisierter.
Wie stellen Sie sich Ihren eigenen Tod vor?
Ich habe keine Angst vor dem Danach. Weil ich glaube, dass der Gott, der dieses Leben geschaffen hat, auch etwas sehr Gutes für uns danach geschaffen hat. Ich habe nur ein bisschen Angst vor den
letzten drei Wochen. Aber es gibt ja die Palliativmedizin. Einstweilen versuche ich, die Schönheit in den kleinen Schmerzen zu entdecken, die mit dem Alter kommen – in den Knien und in den Zähnen zum Beispiel. Möglicherweise liegt auch Schönheit im Sterbeprozess.
Welche könnte das sein?
Ich habe gerade ein Manuskript über ein Mädchen verfasst, das Angst vor dem Tod hat. Sie ist erst 16. Es wäre also gar nicht gut, wenn sie sterben würde. Zuerst stellt sie sich einen schwarzen Panther vor, der nach ihr schnappt. Dann ist der Tod ein fürchterlicher Mann aus Stahl. Und schließlich einfach ein Mädchen, das ihre Hand nimmt. Vielleicht kann man sich das passende Bild für sich selbst aussuchen. Sich vorstellen, dass die eigene Mutter einen in Empfang nimmt – im Alter von 25, als sie einen gerade geboren hatte. Dann verliert sich die Angst vorm Sterben.