Jedes Jahr nehmen sich 11000 Menschen das Leben. Oder noch mehr . . .
Ellen Buckermann: Ich schätze die Dunkelziffer höher ein, und die Zahl nimmt leider zu. Nehmen Sie die Kollektiv-Suizide bei France Telekom – immer mehr Menschen haben Angst vor intransparenten und schwerwiegenden Veränderungen am Arbeitsplatz und in ihrem Leben. Schon junge Menschen haben oft keine überschaubaren Perspektiven. Und es gibt eine Zunahme von Suiziden bei älteren und alten Menschen und in Metropolen.
Warum in Metropolen?
Auf dem Land funktionieren die persönlichen Anbindungen oft noch besser, in der Großstadt sind sie labiler. Wenn dann das Fundament wegrutscht, kann es gefährlich werden.
Aber wir sind doch alle immer so mobil . . .
Es gibt diesen gesellschaftlichen Druck, in Bewegung zu sein. Wir Psychiater hören das ganz oft: Wir müssen, tolle Chance, mein Mann wird versetzt, der neue Job ist besser . . . Viele Menschen kommen aber gar nicht so schnell mit. Und die meisten überschätzen sich. Ein Umzug, örtliche Veränderung, so etwas zieht uns buchstäblich den Boden unter den Füßen weg. Oft müssen wir unter Zeitdruck Aufgaben erledigen, die uns völlig fremd sind, vielleicht mit Handwerkern verhandeln oder Maklern, und das erschöpft und verunsichert uns neben den üblichen Anforderungen so sehr, dass wir unsere inneren Bedürfnisse nicht mehr wahrnehmen.
Wie kann man sich das vorstellen?
Wenn bei einem Computer alle Programme gleichzeitig offen sind – und dann stürzt alles ab. Für manche sieht dann Suizid aus wie eine einfache Lösung. Die innere Not ist unvorstellbar.
Und dann?
Muss ein anderer die Kontrolle übernehmen, Beistand sein. Der Ehemann, die beste Freundin – ein entschiedener Mensch, damit der Gefährdete nicht allein ist und zusammen mit Experten wirkliche Lösungen findet.
###mehr-extern###Wie merke ich als Angehöriger, dass Gefahr im Verzug ist?
Wenn Männer, die sich ja in der Regel weniger öffnen, explizit von Selbstmord sprechen, dann auf jeden Fall. Frauen sprechen meist offener über ihre Ängste und Selbstzweifel. Bei manchen Menschen kommt es mit großer Wucht und ohne Kontrollmöglichkeit zu dieser gewähnten „Lösung“.
Wer hilft, wenn man allein und zu zweit nicht weiterkommt?
Am besten eine psychiatrische Ambulanz, die es oft in den Städten gibt, und in Kliniken, die 24 Stunden täglich ansprechbar sind. Hausärzte, die Feuerwehr oder der Notarzt wissen, wo die nächsten Ambulanzen und entsprechenden Versorgungen sind. Das hilft im akuten Fall. Und langfristig müssen wir alle lernen, bevor wir große Schritte der Veränderung tun, unseren Standort zu bestimmen. Und bei allem Zeitdruck von außen herauszufinden, was und wie lange unser „innerer Indianer“ braucht, um mitzukommen an den neuen Ort, in die fremden Umgebungen.
Es gibt keine Hilfe, wenn man
Es gibt keine Hilfe, wenn man wirklich der Hilfe bedarf. Der "innere Indianer" gehört in den Kindergarten. Ich als erwachsene Person bin in der Minderheit. "Der Mensch ist ein fein angestimmtes Netzwerk", heißt es auf der Homepage von Ellen Buckermann. Für mich ist der Mensch kein Computer. Wann der Computer abstürzt, ist nicht voraussehbar, der Mensch dagegen sendet viele Signale aus. Wenn ich allerdings auf bestimmte Seiten, wie hier, keinen Zugriff habe, bleibe ich außen vor, und natürlich unfähig, entsprechende Schlüsse zu ziehen. Ich trage keine Verantwortung für Inhalte, die hier verbreitet werden, aber es befremdet mich, dass der Suizid so platt, salopp und strahlend als eine allseits akzeptierte Lösung verbreitet wird. Der Freitod ist nach wie vor, die letzte Lösung in einer Krisensituation, und eine junge nette Psychiaterin ist keine geeignete Hilfe, wenn es darum geht, zu helfen. Sie ist lediglich ehrgeizig, mehr aber auch nicht. Mir fehlt das authentische, hilfreiche Auftreten.
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@G.M.L.
Was behaupten Sie denn da? Sie haben eine völlig andere Wahrnehmung als ich - sowohl was den Inhalt des Artikels als auch die Hilfsangebote für suizidgefährdete Menschen angeht. Und glauben Sie mir, ich weiß wovon ich schreibe als Mutter eines viele Jahre höchst gefährdeten Sohnes. Leider gibt es aber gerade unter den jungen, suizidalen Menschen viele, die aus tiefliegenden, oft nichts ins Bewusstsein tretenden Ängsten solche Angebote nicht annehmen oder immer kurz vor einem bewussten Schritt in eine Therapie, eine sinngebende Arbeit oder eine betreute Wohngemeinschaft Halt machen.
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