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Ein Vater stirbt. Ein Vater, der sich im Beruf schwertat, sich dem Alkohol hingab und es seinen Kindern nie leichtmachte. Die Französin Anne Pauly hat mit "Bevor ich es vergesse" ein offenkundig autobiografisches Buch geschrieben, das versucht, dem ambivalenten Vater Jean-Pierre gerecht zu werden. Entstanden ist dabei eine tragikomische Erzählung, die 2012 nordwestlich von Paris angesiedelt ist. Paulys Suche nach dem Vater, der zuletzt in einem "Saustall" hauste, schont nichts und niemanden und weiß bei allem Ernst auch skurrile Momente blendend zu inszenieren – etwa als der konfuse Pfarrer die Trauerfeier endlos in die Länge zieht.
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Spätestens seit ihrem großen Erfolg "Die Liebe im Ernstfall" gilt Daniela Krien als versierte Schriftstellerin, die Menschen in existenziellen Grenzsituationen zeigt. Linda, die Ich-Erzählerin in "Mein drittes Leben", verzweifelt an allem, nachdem ihre siebzehnjährige Tochter Sonja bei einem Verkehrsunfall gestorben ist. Sie verlässt Leipzig, zieht sich auf einen Dreiseithof im Norden Sachsens zurück, weit weg von ihrem Mann, der mit Lindas abgrundtiefem Trauern nicht zurechtkommt. Nichts außer den Erinnerungen an Sonja zählt mehr für sie, doch Daniela Krien lässt es dabei nicht bewenden. Ohne falsche Versöhnlichkeit erzählt sie davon, wie Linda sich bemüht, aus dem Dunkel herauszugelangen. Ein bewegendes, kompromisslos intensives Buch.
Anne Pauly: Bevor ich es vergesse. Übers.: Amelie Thoma. Luchterhand. 176 Seiten, 22 Euro.
Daniela Krien: Mein drittes Leben. Diogenes. 3041 Seiten, 26 Euro.