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Die Eltern waren überzeugt: Noah müsste längst reden können. Und dann diese Wutanfälle! Oft aus heiterem Himmel: "Wir wussten überhaupt nicht, warum er plötzlich schrie oder sogar mit dem Kopf gegen die Wand schlug." Damals war Noah zwei Jahre alt und hatte schon viele Krankenhausaufenthalte wegen seines Herzfehlers hinter sich.
Arztgespräche, auch über schwierige Themen, waren den Eltern vertraut. Doch als sie jetzt bei Ergotherapeuten und Kinderärzten wegen Noahs Wutanfällen und dem Umstand, dass er nicht reden konnte, um weitere Hilfe nachsuchten, stießen sie auf Unverständnis: "Haben Sie doch etwas Geduld. Das kommt schon", hörte die Mutter, Anja Pfister, immer wieder. Doch die Wutanfälle und die große Reizbarkeit des Kindes blieben. Nach vielen Monaten trafen sie den Arzt, der den entscheidenden Tipp gab: "Machen Sie doch mal einen Gentest mit Noah."
Es stellte sich heraus, dass Noah mit dem Fragilen-X-Syndrom lebt. Sie kennen die Krankheit nicht? Das ist nicht verwunderlich, denn es handelt sich um einen sehr seltenen Gendefekt. Noah wird sein Leben lang darunter leiden. Die Diagnose war für die Eltern fürchterlich - und befreiend: "Endlich wussten wir, was mit ihm los ist", erinnert sich Anja Pfister. Nun konnten sie sich Hilfe holen, mit anderen Eltern und Betroffenen sprechen, sich mit ihnen austauschen über neue Therapien, über die Kosten für die Reha, Krankenhausaufenthalte, Medikamente.
Die Dachorganisation "Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen", kurz ACHSE, gibt betroffenen Menschen eine Stimme und vernetzt 140 Selbsthilfeorganisationen. Selten ist eine Krankheit immer dann, wenn höchstens fünf von 10 000 Menschen an ihr erkranken. Pharmakonzerne interessieren sich nicht für eine so kleine Zielgruppe, auch spezialisierte Ärzte findet man kaum. Die meisten dieser Krankheiten sind daher bis heute nicht heilbar.
ACHSE organisiert Weiterbildungsseminare und Konferenzen, gibt kleinen Verbänden eine Stimme und sorgt dafür, dass seltene Krankheiten nicht vergessen werden - zum Beispiel durch die Aktion "Mona-Kids" in Kooperation mit der AOK. Das Ziel ist es, Eltern zu helfen, die verzweifelt eine Diagnose für die Krankheit ihres Kindes suchen. Anja Pfister erinnert sich, wie verzweifelt sie damals waren. Immerhin wurde die Krankheit bei Noah noch im Kindesalter diagnostiziert - bei anderen Kranken mit diesem Gendefekt dauerte es bis ins Erwachsenenalter, bis die Diagnose klar war.
"Die ACHSE ist unser Lautsprecher", sagt Anja Pfister. Ohne die bundesweite Dachorganisation hätten es kleine Vereine wie die Interessengemeinschaft Fragiles-X noch schwerer, öffentlich wahrgenommen zu werden.
Noah ist heute 13 Jahre alt, er besucht eine Förderschule und ist auf dem geistigen Stand eines Drei- bis Vierjährigen, wie Mutter Anja erzählt: "Unser Leben wird nie wieder 'normal' sein." Aber Noah kann leben, weil seine Ärzte und die Familie wissen, was er hat. Für Schwester Hannah ist der Bruder sowieso nie krank - sondern "ganz besonders". Das antwortete sie neulich auf dem Spielplatz einem anderen Kind, als Noah mal wieder einen Wutanfall hatte. Für Mutter Anja war das ein Moment, den sie nie vergessen wird.
Dieses Projekt ist eines von sechs Hilfsprojekten, das Sie in unserem chrismon-Spendenabo "doppeltgut" auswählen können. Hier finden Sie eine Übersicht über alle Projekte.