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Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber dieses Jahr habe ich mich besonders nach Weihnachten gesehnt: nach dieser Zeit, in der alles ein wenig stiller wird. Wenn Kerze um Kerze auf dem Adventskranz angezündet wird und ich mit jedem Tag mehr spüre: Etwas in mir kommt zur Ruhe.
Neben all dem schönen Äußeren der Adventszeit ist es für mich vor allem das mal mehr, mal weniger geduldige Warten auf das Wunder der Geburt Jesu, das dieses besondere Gefühl ausmacht. Darin, dass Gott Mensch geworden ist in dieser Welt voller Brüche, wächst für mich die Hoffnung, dass Ungeahntes möglich werden kann. Gerade weil sich in Jesus das Spannungsfeld zwischen Irdischem und Göttlichem öffnet, in dem wir als Glaubende leben: Wir stehen mitten in dieser Welt und sehnen uns zugleich nach dem, was noch nicht ist – nach Gerechtigkeit, Heil und Frieden.
Es gibt viele Gründe, sich gerade jetzt nach Frieden zu sehnen: allen voran das Wissen um die Kriege und Krisen unserer Zeit, die weiterhin Leid und Zerstörung bringen. Mich hat das Thema in diesem Jahr auch persönlich intensiv beschäftigt. Im Rat der EKD haben wir im Vorfeld der Veröffentlichung der neuen Friedensdenkschrift viel über die großen Fragen christlicher Friedensethik diskutiert.
Und auch auf meiner jährlichen Sommertour stand das Thema im Mittelpunkt. Ich habe mit jungen Menschen über Krieg und Frieden gesprochen – mit Schüler*innen, jungen Erwachsenen im Wehr- oder Freiwilligendienst, mit Jugendlichen in Armenien und Georgien, mit jungen Geflüchteten aus der Ukraine.
Einige Gedanken, die ich aus diesen Gesprächen mitnehme: Wie viele Nuancen zwischen Krieg und Frieden liegen, wie viele Schritte es auf dem Weg zu einem gerechten Frieden braucht. Und wie wenig wir in einer Welt, in der so oft binär über Krieg und Frieden gesprochen wird, darüber sprechen, welche Schritte das eigentlich sein können.
In Georgien habe ich junge Menschen getroffen, die in einem Theaterprojekt Konfliktlösung üben. Drei Personen spielen die Rollen verschiedener Konfliktparteien. Wer zuschaut, kann die Spielenden ablösen, wenn jemand eine Idee hat, wie sich die Szene auf dem Weg zur Lösung verändern lässt. Hier wird nicht der Gesamtkonflikt gelöst, in dem die Jugendlichen leben, aber Frieden im Kleinen geübt, von unten nach oben.
"Frieden von unten ist unspektakulär, aber ansteckend"
Und vielleicht ist genau das der Punkt: Die meisten von uns sitzen nicht an den großen Hebeln dieser Welt, da kann man – seien wir ehrlich – sich angesichts vieler Probleme ganz schön machtlos fühlen. Uns bleibt nur dieses "von unten", aber das haben wir!
Dieses "von unten" erinnert mich an Jesus, der Frieden eben auch bottom-up gestaltet hat. Nicht mit Macht und Gewalt, sondern durch Nähe, Zuwendung, Heilung. Durch das Teilen des Alltags mit den Menschen, die vergessen, übersehen, verurteilt wurden.
Lesetipp: Krieg ist nicht berechenbar
Sein Frieden beginnt dort, wo Menschen einander ansehen, statt wegzusehen. Wo sie den anderen als Nächsten erkennen, selbst wenn sie unterschiedlicher Meinung sind. Frieden "Jesus-Style" heißt: den ersten Schritt tun, zuhören, vergeben, Brücken bauen, um Gräben zu überwinden.
Darin liegt für mich die eigentliche Botschaft von Weihnachten: Der Frieden, den wir uns wünschen, kommt nicht von außen. Er wächst in uns – in unserem Denken, in unseren Nachbarschaften, in den Gesprächen, die wir sonst meiden würden.
Frieden von unten ist unspektakulär, aber ansteckend. Er breitet sich aus wie das Licht der Adventskerzen: von Hand zu Hand, von Herz zu Herz.
Weihnachten erinnert mich daran, dass wir diesen Frieden leben können, jeden Tag. Und zwar nicht nur empfangen, sondern tun. Frieden ist etwas, das man tut.



